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MARKT/1785: Milchmarkt - Kartellamt hörte Verbände an (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 334 - Juni 2010,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Kartellamt hörte Verbände an
Begrenztes Preisdiktat durch Handel. Macht der Molkereien im Fokus

Von Ulrich Jasper


Zwei Tage lang, am 11. und 12. Mai, hat das Bundeskartellamt verschiedene Verbände und weitere Experten zur Situation am Milchmarkt angehört. Dabei ging es den Mitarbeiterinnen des Kartellamts darum, noch offene Fragen aus ihrem Zwischenbericht zur laufenden Sektoruntersuchung Milch zu beantworten. Der Zwischenbericht war Anfang Januar veröffentlicht worden (Bauernstimme berichtete). In der Anhörung wurde deutlich, dass das Kartellamt an seiner grundsätzlichen Einschätzung festhält, dass die Milchbauern im Milchmarkt die schwächste Position haben, und dass den Milcherzeugern deshalb eine wirksame Bündelung, wie es die Gesetze ermöglichen, zu empfehlen ist.

Am ersten Tag der Anhörung stand die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels und sein Einfluss auf die Milchpreise im Vordergrund. Von den Molkereien war an dem Tag nur Theo Müller, Chef von Müller-Milch, erschienen. Der differenzierte, indem er bei Markenprodukten den Handel nicht in der Übermacht sah, während bei Handelsmarken und austauschbaren Lieferanten der Handel eine bessere Verhandlungsposition habe. Das hatte auch das Kartellamt schon in seinem Zwischenbericht so geschrieben. Nach Ansicht Stefan Genths, Geschäftsführer des Handelsverbandes HDE, hätten die Molkereien genügend Ausweichmöglichkeiten am Markt, denn nur 40 Prozent der in Deutschland ermolkenen Milch werde über den Einzelhandel vermarktet, 60 Prozent lande in der Ernährungsindustrie oder im Export. Der Handel könne daher den Molkereien keine Preise diktieren. Der Deutsche Bauernverband, der durch seinen Milchreferenten vertreten war, widersprach der Darstellung erwartungsgemäß.


BDM: Vorwärtskalkulation

Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), der zusammen mit seinem Stellvertreter Stefan Mann angereist war, stellte die Notwendigkeit heraus, dass die Erzeugerpreise von den Milchviehbetrieben und ihren Kosten aus kalkuliert werden müssten. Dem wollte sich auch Theo Müller anschließen, allerdings unter der einen Bedingung, dass dieses Recht auch den Molkereien zugestanden werden müsse. Als es am zweiten Tag darum ging, dass die Molkereien diese Möglichkeit heute bereits haben - auf Kosten der Erzeugerpreise -, da war Theo Müller nicht mehr anwesend.

Insgesamt ging es an dem zweiten Tag der Anhörung um das Verhältnis zwischen Molkereien und Milcherzeuger. Das Kartellamt hat die Preisbildung von oben nach unten ("upside down"), also letztlich auf dem Rücken der Milchbauern, in seinem Zwischenbericht bereits ausführlich beschrieben. Nun fragten die Wettbewerbshüter die einzelnen Voraussetzungen ab, die eine solch schwache Marktposition der Milcherzeuger erst ermöglichen.


Molkereiwechsel erschwert

Die lange Laufzeit der Lieferverträge war dabei ein Punkt. Bernd Schmitz, der neben Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf die AbL vertrat, machte deutlich, dass bei einer Kündigungsfrist von zwei Jahren zum Jahresende im Extremfall bis zu drei Jahren vergehen könnten, bis der Wechsel zu einer anderen Molkerei vollzogen sei. Milcherzeuger könnten somit nur sehr schwerfällig z.B. auf unterschiedliche Auszahlungsleistungen der Molkereien reagieren. Der Wettbewerb zwischen den Molkereien sei somit sehr eingeschränkt. Auch die Schwierigkeiten, überhaupt einen anderen Abnehmer zu finden, kamen zur Sprache. Das sei vor allem in Regionen ein Problem, in denen Genossenschaften die wesentliche Molkereiform darstellten, hieß es in der Runde. Das lege den Verdacht nahe, dass es Absprachen zwischen Genossenschaften gebe, die den Milchbauern das Wechseln zusätzlich erschweren.

Die Bündelung der Milcherzeuger in Milcherzeuger-Gemeinschaften (MEGs) als Weg, um die Marktmacht der Bauern zu stärken, wurde an diesem Tag ebenfalls erörtert. Dabei ging es auch um die Frage, ob solche MEGs überregional oder bundesweit tätig sein sollten. Mehrere Milcherzeuger erklärten, dass angesichts der Übermacht einiger Molkereien eine regionale Beschränkung der Bündelung deren Wirksamkeit von vornherein einschränken würde. Außerdem beschafften sich Molkereien auch weit über Bundesländergrenzen hinweg Rohmilch, so dass eine überregionale Bündelung die Beschaffungsgrundlage der Molkereien nicht unbilligend einschränke.

Das Kartellamt wertet nun die Anhörung sowie weitere Stellungnahmen aus, um den Abschlussbericht der Sektoruntersuchung Milch noch vor der Sommerpause vorzulegen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 334 - Juni 2010, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2010