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MARKT/2210: Milch und Macht (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 404 - November 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Milch und Macht
Molkereien bestimmen die Spielregeln

Von Claudia Schievelbein


Vertragspartner auf Augenhöhe oder abhängige, austauschbare Rohstoffzulieferer - was sind Bauern und Bäuerinnen eigentlich für Molkereien? Gerade in Krisenzeiten offenbart sich vielfach umso deutlicher, wie diese Frage zu beantworten ist. Wenn Bauern und Bäuerinnen wie schon in den vergangenen Jahren aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Situation immer mal wieder protestierend vor Molkereistandorte zogen oder sich in Vertreterversammlungen äußerten, mussten sie häufig erleben, als lästige Aufrührer wahrgenommen zu werden. Nicht nur Wortführer konnten mit Anrufen rechnen, in denen ihnen dringend geraten wurde, jegliche Aktivitäten zu unterlassen, die den eigenen Marktpartner schädigen könnten, sonst müsse man sich voneinander trennen. Protest wurde nicht als Unterstützung gemeinsamer Interessen gegenüber dem Handel wahrgenommen, selbst wenn er ausdrücklich so formuliert war. Von mehreren Molkereien werden solche Telefonate mit Lieferanten berichtet. So eine Drohkulisse ist für Bauern und Bäuerinnen, die in den meisten Fällen die nächste Molkerei nicht mehr um die Ecke haben, existentiell, für die Molkerei hingegen würde es in Zeiten des sowieso vorhandenen Überflusses kaum eine Rolle spielen, wenn sie tatsächlich von ein paar Betrieben weniger Milch bekäme. Da spielt ihnen die lange schon nur noch wenig vorhandene Solidarität unter den Bauern und Bäuerinnen in die Hände, die Zeiten konzertierter Aktionen wie der Milchstreik vor acht Jahren scheinen vorbei.

An der Tanke

Aber es sind nicht nur Reaktionen auf Kritik an der Firmenpolitik, die Molkereien sensibel reagieren lassen, auch im Alltag wird das Machtgefälle deutlich, das zwischen Verarbeitungskonzern und Rohstofflieferant herrscht. Jüngst hat die ostfriesische Genossenschaftsmolkerei Ammerland ihren Lieferanten mit einer Milchtankstelle auf dem Hof mitgeteilt, dass diese Art der Vermarktung ein Unterlaufen der Andienungspflicht und damit ein Satzungsverstoß sei, der zum Ausschluss aus der Genossenschaft führen könne. Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass zunehmend Bauern und Bäuerinnen in der derzeitigen Krise versuchen, über eine Direktvermarktung wie eine Milchtankstelle eine höhere Wertschöpfung zu erzielen. Ist es dieser Emanzipationsversuch, der Ammerland so rigide reagieren lässt, statt zu unterstützen, dass streng genommen ihre eigenen Besitzer versuchen, wirtschaftlich sinnvoll zu handeln? Nachdem das Drohschreiben an die Öffentlichkeit gelangte, traf sich Ammerland mit 25 Milchtankstellenbetreibern und erteilte ihnen großzügig Ausnahmegenehmigungen, wies noch auf die Gesundheitsgefahren hin und machte deutlich, dass Nachahmer von nun an erst die Genehmigung der Molkerei einholen müssten, um eine Milchtankstelle einzurichten.

Immer mehr

Einerseits bestehen Molkereien auf der Einhaltung der geschlossenen Vereinbarungen von Seiten der Bauern und Bäuerinnen, andererseits setzen sie sich darüber hinweg, wenn es darum geht, Standards zu ändern. So verlangt die Molkerei Hochland von ihren Zulieferern bis Ende des Jahres ein QM-Audit, was bislang nicht Bestandteil der Lieferverträge war. Bei Nichtauditierung droht die Nichtabholung. Zeit und Geld müssen Bauern und Bäuerinnen aufwenden, um sich ändernde Standards der Molkereien zu erfüllen, höhere Erlöse gibt es nur selten. Im Gegenteil, da erhebt auch schon mal eine Molkerei eine Aufwandsentschädigung für die Freigabe von frisch umgestellter Biomilch an eine Biomolkerei, da sie selber diese - zumindest noch - nur konventionell vermarkten könnte. Ein partnerschaftlicher Umgang sieht anders aus als die Erfahrungen, die viele Bauern und Bäuerinnen landauf, landab gerade machen. Die Frage ist, wie lässt sich das Machtgefälle ändern? Nur durch Solidarität und die ist leider derzeit - und das wissen die Molkereien - Mangelware.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 404 - November 2016, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2017

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