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MARKT/2236: Gekündigt beim Deutschen Milchkontor - was nun? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 414 - Oktober 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gekündigt beim DMK - was nun?
Infoveranstaltungen in Norddeutschland zeigten alternative Wege zur Milchvermarktung auf

von Christine Weißenberg


Von "heilsamer Unruhe" sprach Ottmar Ilchmann, Milchbauer in Ostfriesland, in Bezug auf die Kündigungswelle von Milcherzeugern beim Deutschen Milchkontor (DMK). Als größtes Molkereiunternehmen Deutschlands musste das DMK zuletzt rund 1.100 Kündigungen verzeichnen, damit würden in den kommenden zwei Jahren etwa 1,7 Milliarden Kilogramm Milch fehlen. In der Konsequenz bedeutet das sogar Werksschließungen. Ilchmann, der in Niedersachsen Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist, betonte: "Es erfordert Mut, den Liefervertrag zu kündigen, in einer Region, in der es kaum Alternativen zum DMK gibt. Jeder Kollege sollte sich über diese mutigen Schritte freuen, denn nur klare Ansagen zur Unzufriedenheit geben Anstoß für irgendeine Bewegung bei der Gestaltung der Lieferbeziehungen in diesem Unternehmen, was sich gerne als Genossenschaft präsentiert."

Markt neu organisieren

Um auf mögliche alternative Vermarktungswege hinzuweisen und die Chancen gemeinschaftlich gebündelter und vermarkteter Milchmengen herauszustellen, hatten die Milcherzeugergemeinschaft (MEG) Milch Board, die AbL und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter zu vier Infoveranstaltungen in Niedersachsen, dem größten Einzugsgebiet des DMK, eingeladen. Einen intensiven Einstieg in die Marktzusammenhänge und die Stellung der Milcherzeuger bot jeweils Dr. Karin Jürgens vom Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft mit der Vorstellung ihrer Analyse Markt Review Milch zur vergangenen Milchpreiskrise 2015/2016. Anschließend erklärte Peter Guhl, Milchbauer aus Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzender der MEG Milch Board, die entstandenen Strukturen zur koordinierten Bündelung von Milchmengen. So kümmert sich das Milch Board als übergeordnete Dachorganisation ohne eigene Vermarktungstätigkeit darum, durch Information und Beratung der Milcherzeuger und politische Interessenvertretung die Bedingungen für die Milchvermarktung zu verbessern. Studien wie die Milch Markt Review helfen die Forderungen zu untermauern. Vierteljährlich werden zudem die Kosten der Milcherzeugung berechnet und als Milch-Marker-Index dargestellt, der als Grundlage für Preisverhandlungen dienen kann.

Nord- und Bayern-MEG stellen parallel dazu Dachorganisationen für aktiv vermarktende lokale, nach dem Agrarmarktstrukturgesetz anerkannte MEGs dar. Sie dienen dem Austausch und der gemeinsamen Vertragsverhandlung.

Milchverkauf neu denken

"Warum sollten die Molkereien von sich aus aus ihrer Komfortzone rauskommen?", gibt Guhl zu bedenken. "Die Milcherzeuger tragen das Marktrisiko bisher alleine. Deshalb brauchen wir gesetzgeberische Unterstützung, damit wir zu einer vertragsgebundenen Milchproduktion kommen, bei der die Signale vom Markt direkt zu uns durchdringen und wir mit Mengenregulierungen reagieren können."

Einer der teilnehmenden Milchbauern drückte seine Not und seine Zweifel aus: "Wenn es keine Alternative zum DMK in meiner Region gibt, dann kann es doch selbst mit einer Milcherzeugergemeinschaft passieren, dass ich doch wieder an das DMK verkaufen muss." "Stimmt", pflichtete ihm Guhl bei, "aber der Unterschied besteht bei der gemeinschaftlichen Vermarktung dann in der Verhandlung über Laufzeit und Preis für die angebotene Milchmenge, bevor ein Vertrag abgeschlossen und eine neue Lieferbeziehung eingegangen wird." Deutlich wurde: Es ist wichtig, sich zusammenzuschließen, aktiv zu werden und die Geschicke der Milchvermarktung selbst wieder stärker in die Hände zu nehmen. Auch wenn das ein Mehraufwand ist - nur die Milchbäuerinnen und -bauern werden für ihre Mehrerlöse kämpfen können.

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Neue Vermarktungsgemeinschaft

Axel Ellertmann, Milchbauer im westfälischen Olfen, ist Vorsitzender des Geschäftsfeldes Coesfeld & Umgebung unter dem Dach der MEG Milch Board. Zwölf Milchbauern und -bäuerinnen haben sich dazu im Januar 2017 zusammengefunden. Mittlerweile sind es 14 Betriebe mit insgesamt etwa elf bis zwölf Mio. Kilogramm gebündelter Milch. Als Gruppe haben sie sich der norddeutschen Dachorganisation für Milcherzeugergemeinschaften, der Nord-MEG, angeschlossen.

Für zwei Betriebe, die direkt Abnehmer brauchten, konnte die Nord-MEG zwischenzeitlich einen Vertrag mit dem DMK-Tochterunternehmen Fude & Serrahn aushandeln. Ende 2018 wird auch die Milch der anderen Betriebe frei, die Verhandlungen dafür stehen an. "Ich freu mich darauf", so Ellertmann, "das wollen wir doch mal sehen. Wir sind zu mehreren im Vorstand, sind zwar noch nicht so geübt, aber wir holen uns Unterstützung von der MEG Osnabrück, die uns schon bei der Gründung geholfen haben und erfahrener sind. Ich bin optimistisch. Denn es ist ja so: Selbst wenn wir den Durchschnittspreis erzielen - dann sind wir schon weiter als beim DMK früher. Und die sind schließlich ganz heiß auf jeden Liter Milch."

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Zur eigenen Erzeugergemeinschaft - Schritt für Schritt

Wenn man sich mit mehreren Milcherzeugern und -erzeugerinnen zusammengefunden hat, um gemeinsam die Milch zu bündeln und zu verkaufen, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten: sich einer bestehenden Milcherzeugergemeinschaft (MEG) anschließen, eine eigene MEG oder auch ein Geschäftsfeld unter dem Dach der MEG Milch Board gründen. In jedem Fall macht es Sinn, sich von Anfang an Unterstützung zu holen durch rechtliche Beratung und Gründungsstarthilfe vom Milch Board. MEGs müssen zunächst einen Verein nach den Vorschriften des BGB gründen. In der Gründungsversammlung wählen die Mitglieder dann die Vertreter des Vereins (Vorstand, Beirat u. a.) und stimmen über eine Satzung ab. Die Anerkennung nach AgrarMSG (Agrarmarktstrukturgesetz) ist bei der zuständigen Landesbehörde zu stellen. Eine anerkannte MEG kann zum Zwecke der Vermarktung ihrer Kuhmilch die Mitgliedschaft in einer Dachorganisation wie Nord-MEG oder Bayern-MEG beantragen. Der Vorteil einer solchen Mitgliedschaft liegt in den nach AgrarMSG zulässigen, gemeinsamen Vertragsverhandlungen, ohne gegen Wettbewerbsregeln zu verstoßen. Unterstützung wird in den Organisationen der MEGs und den Dachorganisationen gewährt. Ein Geschäftsfeld unter dem Dach der MEG Milch Board kann mit vergleichsweise geringem Aufwand auf die Beine gestellt werden. Das Geschäftsfeld braucht lediglich einen Sprecher und eine Geschäftsordnung. Das Milch Board leistet Hilfe beim Aufbau und der Verwaltung; auch eine Haftpflichtversicherung des Sprechers eines Geschäftsfeldes wird angeboten. Der Charme eines solchen Geschäftsfeldes liegt in dessen nahezu vollständiger Selbstständigkeit und Handlungsfreiheit. Zu Vermarktungszwecken kann sich das Geschäftsfeld auch einer Dachorganisation (Nord-MEG, Bayern-MEG) anschließen.


Infos und Kontakte:

www.milch-board.de mit regionalen Kontakten, Tel. zentrales Büro 0551-5076490 oder AbL-Geschäftsstelle: jasper@abl-ev.de, Tel. 02381-9053171

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 414 - Oktober 2017, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/905 31 71, Fax: 02381/49 22 21
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Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2017

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