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MARKT/2253: Der Handel macht's - Tierwohl als Marke (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 419 - März 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Der Handel macht's
Tierwohl als Markt - aktuelle Aktivitäten

von Christine Weißenberg


Sie folgen einander auch im Bereich Tierwohl mit Neuerungen dicht auf den Fuß: die Lebensmitteldiscounter Aldi und Lidl. Während Aldi am 15. Januar sein neues Label "Fair & Gut" für Frischfleischprodukte präsentierte, das "etablierte Tierschutzprogramme unter sich vereint, die die Einhaltung bestimmter Tierwohlkriterien garantieren", trumpfte Lidl wenig später, am 1. Februar, mit der Ankündigung auf, eine Haltungskennzeichnung für Fleischprodukte einführen zu wollen. Einzelne Programme mit besonderen Qualitäten für Fleisch bestimmter Tierarten oder für Milch, z. T. in ausgewählten Regionen, haben mittlerweile fast alle Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH). So vermarktet Rewe Dortmund seit Mitte 2017 mit "meat 4 you" Fleisch aus antibiotikafreier Schweinemast. Für die Bauern, die zwei Euro mehr pro Schlachtschwein bekommen, ist es vor allem mehr Dokumentationsaufwand; behandelte Tiere werden von den anderen getrennt und konventionell verkauft. Nach Kritik aus der Landwirtschaft hat Rewe sein Marketingumgestell. Man wirbt nicht mehr mit antibiotikafrei, sondern nur noch mit "regional und saugut". Kaufland versucht derweil in seinen Bedientheken mit besonderer Schweinehaltung im Offenfrontstall oder mit Auslauf zu punkten. Für ansonsten 30 Prozent mehr Platz, Beschäftigungsmaterial und Kastration der männlichen Ferkel unter Betäubung bzw. Ebermast bietet der Händler in Einzelverträgen 12 Cent mehr pro Kilogramm Schlachtgewicht. Edeka Südwest ging bisher am weitesten mit der Einführung eines konsequenten Premiumsegmentes für Schweinefleisch. Unter der Marke "Hofglück" werden hohe Anforderungen entsprechend der Premiumstufe des Tierschutzlabels des Deutschen Tierschutzbundes mit erzeugerkostenbasierten Preisen, d. h. wirtschaftlich interessanten Konditionen für die Schweinehalter, kombiniert.

Neue Beziehungen verhandeln

In den Aktivitäten des LEH liegt also durchaus einiges an Potential, Veränderungen in der Nutztierhaltung durchzusetzen. Allerdings bleibt dabei die Frage offen, inwieweit sich für die Bauern und Bäuerinnen mit Schweinehaltungsbetrieben daraus eine Chance mit wirtschaftlicher Perspektive ergibt. In Bezug auf die Transparenz und die Vergleichbarkeit der Programme für die Verbraucher, aber auch hinsichtlich der Durchlässigkeit, die ein Wechseln zwischen Programmen für Erzeuger möglich macht und damit keine zu große Abhängigkeit entstehen lässt, ist nach wie vor ein ordnendes staatliches Label gefragt. Doch gerade auch für dessen Ausgestaltung, vor allem aber für die zu verhandelnden Beziehungen zwischen Abnehmern und Erzeugern lohnt es sich, die entstandenen Tierwohl-Programme auf ihre Ausgestaltung, ihre Anforderungen und Konditionen hin genau anzuschauen. Denn aus Sicht der Bauern gilt es jetzt, da die großen Player sich engagieren, sicherzustellen, dass auch sie zukünftig einen auskömmlichen Preis erzielen.

Haltungsformen kennzeichnen

Der Discounter Lidl, ein Unternehmen der Schwarz-Gruppe, sorgte für reichlich Gesprächsstoff mit seinem Vorhaben, eine vierstufige Haltungskennzeichnung auf Frischfleischverpackungen drucken zu wollen. Der sogenannte "Lidl-Haltungskompass" solle Verbraucher einfach und transparent auf einen Blick informieren, so das Unternehmen in einer Pressemitteilung. Ab April 2018 will Lidl bei seinen Eigenmarken Fleisch von Schwein, Rind, Pute und Hähnchen entsprechend kennzeichnen. Ein farbiges Kreismodell mit vier Tortenstücksegmenten stellt bildlich das Mehr an Haltungsaufwand dar. So orientiert sich Lidl am bekannten System zur Eierkennzeichnung, dreht die Stufennummerierung jedoch um: Je mehr Kriterien bei den Tieren eingehalten wurden, desto höher die Zahl: Stufe 1 für "Stallhaltung", entsprechend dem gesetzlichen Standard; 2 für "Stallhaltung Plus", die mehr Platz sowie Beschäftigungsmaterial für die Tiere umfasst; 3 für "Auslauf" mit zusätzlich mehr Platz, gentechnikfreier Fütterung und Zugang zu Außenklimabereichen; 4 für "Bio" entsprechend der EU-Öko-Verordnung. Das Unternehmen schreibt sich damit "konkrete Ziele für eine tierwohlgerechtere Sortimentsgestaltung" auf die Fahnen. Dabei hat Lidl vor allem die Stufe 2 in Verbindung mit der Brancheninitiative Tierwohl vor Augen. Anfang 2019 sollen rund 50 Prozent der Frischfleischprodukte, langfristig das ganze Eigenmarkensortiment, mindestens auf "Stallhaltung Plus" umgestellt sein.

Transparenz mit Inhalt füllen

In den letzten Monaten war das Handelsunternehmen insbesondere durch Öffentlichkeitsaktionen im Rahmen einer Kampagne von Greenpeace unter Druck geraten. Seit der Gründung im Jahr 2015 beteiligt an der Brancheninitiative Tierwohl, wurde dem Discounter vorgeworfen, mit der Werbung für dieses Bündnis Augenwischerei zu betreiben: Durch die Initiative bekämen Landwirte zwar über einen Fonds mehr Geld für bessere Mastbedingungen, es gebe aber keinen einheitlichen Standard und das Logo werde pauschal auf der gesamten Produktreihe verwendet. Für die Verbraucher sei das irreführend, da es keine konkrete Auskunft gebe, aus welcher Haltung das Fleisch stammt. Nun begrüßte Greenpeace die angekündigte Transparenz für Verbraucher - kündigte jedoch an, kritisch hinzuschauen, wenn genauere Kriterien bekannt würden. Denn über die Vorstellungen zur Ausgestaltung der Stufe 3, dem Premiumsegment mit weitreichenden Maßnahmen für mehr Tierwohl, macht das Unternehmen bisher z. B. keine konkreten Angaben. Lidl kündigte nur an, parallel zur Etablierung von Stufe 2 als neuem Mindeststandard das Bio-Sortiment ergänzen und mit dem Deutschen Tierschutzbund weiter am zweistufigen Label "Für mehr Tierschutz" arbeiten zu wollen.

Marke für den Premiumbereich

Als schärfster Marktkonkurrent hatte sich die Aldi-Unternehmensgruppe, bestehend aus Aldi-Süd und Aldi-Nord, mit seinem neuen Label "Fair & Gut" als Dachmarke für ausgearbeitete Tierhaltungsprogramme mit schon festgelegten Standards positioniert. "Diese Kriterien gehen deutlich über die Standards der Initiative Tierwohl hinaus", so Aldi-Süd auf seiner Website. Zunächst für Geflügelfrischfleisch umgesetzt, zeigt das Label die Tierarten Huhn, Schwein und Rind und weist auf weitere Entwicklungsziele hin. Aldi bekundete, das Produktangebot schrittweise erweitern zu wollen. Seit Mitte Januar verkaufen Aldi-Süd und Aldi-Nord in verschiedenen Regionen in Südbayern sowie in Teilen von Hamburg und Berlin insgesamt sechs Geflügelfrischfleischprodukte. Diese entsprechen in den Kriterien für die dahinter stehende Tierhaltung der Einstiegsstufe des Tierschutzlabels vom Deutschen Tierschutzbund. Aldi betont in einer Pressemitteilung, für die neue Marke würden langfristige Lieferverträge mit den Landwirten abgeschlossen, denen ein Mehraufwand für beispielsweise neue oder größere Ställe und zusätzliche Auslaufflächen sowie gentechnikfreies Futter entstehe.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 419 - März 2018, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2018

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