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VERBAND/2160: 40 Jahre Bauernstimme - Mit Weibern weiter (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 399 - Mai 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern


Mit Weibern weiter
Krisen und Perspektiven in der Bauernstimme

Von Claudia Schievelbein

Ist es richtig, in Zeiten schwerster Krisen auf den Agrarmärkten, Existenzsorgen auf den Höfen, einem Strukturbruch auf dem Land in der Unabhängigen Bauernstimme Bio-Hofmolkereien, Heumilch-Initiativen und Solidarische Landwirtschaftshöfe vorzustellen? Die Frage steht angesichts der derzeitigen Situation in der Landwirtschaft (wieder) im Raum, im Redaktionsbüro. Sie ist richtig und falsch zugleich, denn erstens hat sich die Bauernstimme in ihrer Geschichte nie auf das nur vermeintlich euphorisierte, realitätsferne Hochschreiben irgendwelcher Nischen für wenige beschränkt und zweitens ging und geht es in der Bauernstimme immer darum, Auswege, Perspektiven, Handlungsoptionen aufzuzeigen. Die Zeitung heißt nicht "Unabhängige Apokalypse". Sie will den Bauern und Bäuerinnen eine Stimme geben - um Kritik zu üben, aber auch, um positiv nach vorne zu gucken. "Der Weg des politischen Widerstandes muss weiter verfolgt werden, aber das reicht nicht mehr aus! Wir müssen neben dem Reden auch die Tat praktizieren. Wir müssen Formen der Selbsthilfe aufbauen, um praktisch zu zeigen, was wir wollen. Wir müssen Beispiele schaffen", so stand es 1982 in der Bauernstimme. 27 Jahre später kommentiert der belgische Milchbauer Erwin Geschöpfs in der Zeitung: "Die Bauern müssen bereit sein, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Wenn wir uns in Zukunft darauf verlassen, dass andere unsere Probleme regeln, dürfen wir uns nicht beklagen. (...) Und warum erkennen noch zu wenig Bäuerinnen und Bauern, dass man sich weder auf Verbandsfunktionäre noch auf Politiker verlassen kann und das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen muss?" Warum? Hat das System seinen Tribut gefordert und die Menschen auf dem Land verändert? "Mit steigender Technisierung nimmt die körperliche Anstrengung ab. Aber die nervliche Belastung und der Druck auf die Familie wachsen ständig. (...) Der Bauer gerät aufgrund seiner Arbeits- und Lebensbedingungen immer mehr ins soziale Abseits." Das stand schon 1979 in der Bauernstimme. Da waren die Bauern und Bäuerinnen noch Dreh- und Angelpunkte in den Dörfern, aber die Zukunftsaussichten nicht die besten. Die Worte von damals gleichen denen der Verantwortlichen von heute: "Die Exportoffensive der deutschen Ernährungswirtschaft ist auf eine Gegenoffensive der Konkurrenten getroffen. (...) Denn das Erobern von Märkten war und ist eine kostspielige Sache, riesige Kapazitäten wurden hierfür von der Ernährungsindustrie aufgebaut. Den Bauern hat man dann stets gesagt, sie sollten bei den Erzeugerpreisen stillhalten, das würde sich später mit Zinseszins auszahlen."

Wohin?

Damals sagte der Zeitung eine Bäuerin: "Wenn's Weiber gibt, kann's weiter gehen, wenn's keine gibt, ist's aus." Das wurde zu einer Überschrift der Situationsbeschreibung: "Der Strukturwandel hat sich auch auf die Situation der Landfrau ausgewirkt. In dem Maße, wie die kleinen zu immer größeren Betrieben werden, konzentriert sich die Arbeit der Bäuerin auf den Haushalt. (...) Mechanisierung und Rationalisierung verdrängen die Frauen aus dem Außenbereich. Damit ging ein Teil ihrer oft gut geachteten Stellung verloren. Viele Jungbauern sind stolz darauf, sagen zu können: 'Meine Frau braucht nicht mitzuarbeiten.' Aber welche Existenz ist uns damit geboten? Die Frau wird zu einem Vorzeigepüppchen und leidet unter den gleichen Problemen wie die Stadtfrauen. Sie ist isoliert und unausgelastet." Das Schmunzeln über ein 40 Jahre altes Selbst-Verständnis bleibt im Halse stecken, weil man weiß, wie die Geschichte weitergegangen ist. 2009 schreibt Milchbäuerin Lucia Egner: "Eigentlich bin ich wie fast alle Bäuerinnen am liebsten zu Hause, bei meiner Arbeit. Nun aber kann ich meinen Mund nicht mehr halten. Wir sind in Gefahr, dass alles kaputt gemacht wird, was wir die letzten Jahrzehnte mit viel Mühe aufgebaut haben. (...) Das ist eben der freie Markt, dem wir uns stellen müssen, heißt es von Seiten des Bauernverbandes. Wenn man genauer schaut, merkt man, dass es auch auf dem freien Markt Regeln gibt, aber leider nicht zu unserem Vorteil. Für diese Regeln sind Industrie und machtvolle Konzerne verantwortlich." Schon vor sieben Jahren ging es um konzertierte Aktionen der Milchmengenbündelung und Rückführung durch die Hand der Bauern und Bäuerinnen - noch in Anwesenheit der Quote! Ohne Quote ist es nicht einfacher geworden, so etwas zu fordern und durchzusetzen. Gleichwohl ist es nötig, auch um die Verantwortung der Politik und der Industrie für den Strukturwandel deutlich zu machen. Seine Verhinderung ist nicht gewollt. Auswege und Perspektiven bieten am Ende oft individuelle Initiativen - manche stellt die Unabhängige Bauernstimme vor.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 399 - Mai 2016, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2016

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