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VERBRAUCHERSCHUTZ/1145: Welche Bio-Kontrolle ist besser? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 353 - März 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Welche Bio-Kontrolle ist besser?
Standardisierte Vorschriften sind kein Garant gegen Missbrauch

von Marcus Nürnberger



"Um Betrugsfälle mit falschen Zertifikaten zu verhindern, ..." schrieb das Bundeslandwirtschaftsministerium in einer Presseerklärung Mitte Dezember, habe man in Deutschland bereits auf freiwilliger Basis ein öffentlich zugängliches Verzeichnis zertifizierter Unternehmen des Ökolandbaus eingeführt. Ab dem 1. Januar 2013 sind alle Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, der Öffentlichkeit mit geeigneten Mitteln einschließlich der Veröffentlichung im Internet entsprechende Verzeichnisse mit den aktualisierten Zertifikaten für die einzelnen Unternehmer des Öko-Landbaus zugänglich zu machen. Wie dies betrügerische Unternehmen davon abhält, konventionelle Ware als Bio zu deklarieren, erklärt das Ministerium nicht. Dafür kündet das BMELV noch eine weitere Veränderung an. Mit dem Verweis auf "einschlägige Untersuchungen" sieht man sich darin bestätigt "national höhere Anforderungen an die Zulassung von Öko-Kontrollstellen zu stellen" und diese in einer neuen Verordnung zu regeln. Herausgekommen ist ein seltsames Mischwesen. Zum einen regelt die neue Verordnung über die Zulassung von Kontrollstellen nach dem Ökolandbaugesetz genau das, was ihr Titel vermuten lässt: Die Zulassung von Kontrollstellen. Allerdings enthält der derzeit vorliegende Entwurf auch einen "Maßnahmenkatalog zur Anwendung bei Abweichung von einschlägigen Vorschriften", also den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau.


"Rezeptewirtschaft"

Überraschend ist, dass man derartige Verfahrensanleitungen für zugelassene Kontrollstellen in einer Zulassungsverordnung für Kontrollstellen findet. Genau hieran entzündet sich die Kritik. "ÖLG-Kontrollstellen-Zulassungsverordnung: Ein Beitrag zum Schutz vor Betrug im Ökolandbau?" Schon im Titel ihres Gutachtens stellen die beiden Wissenschaftler Jochen Neuendorff und Achim Spiller die entscheidende Frage. Im Bezug auf die neu geplante Verordnung stellen die Wissenschaftler fest, dass immer genauere Kontrollvorgaben nicht zwingend dazu führen, dass die Kontrollen sicherer werden. Zum einen begründen sie dies mit den durch immer detailliertere Beschreibungen entstehenden neuen Interpretationsspielräumen und zahlreichen "unbestimmten Rechtsbegriffen", die neu zu definieren seien. Mit Blick auf die einzelne Kontrolle, so das Gutachten, könne dieses Vorgehen dazu führen, dass Kontrollstellen und Kontrolleure immer mehr aus ihrer Eigenverantwortung entlassen würden. Im Extremfall arbeitet der Prüfer nur noch seine Kontrollbögen ab, anstatt individuell auf die Besonderheiten des Betriebs und dessen potenzielle Problembereiche einzugehen. Aus Sicht der Kontrolle viel besser sei es, dem Kontrolleur und der Kontrollstelle die Verantwortung zu übertragen. Somit sei es in deren Interesse, bei jeder Prüfung die kritischen Punkte im Unternehmen zu finden und zu kontrollieren. Im Betrugsfall müsste die Kontrollstelle nachweisen, ordnungsgemäß kontrolliert zu haben. Die Motivation für die Kontrollierenden resultiere aus einer Mischung von Haftungs- und Reputationsmechanismen.


Bürokratisierung

Von Seiten der Kontrollstellen wird die zunehmende Bürokratisierung des Kontrollsystems kritisiert. Gleichzeitig befürchten sie, zukünftig vermehrt mit Haftungsansprüchen konfrontiert zu werden. Die Vielfältigkeit der Betriebe macht es für den Kontrolleur unausweichlich, individuell zu reagieren. Im Schadensfall liegt es aber bei der Behörde, dies zu interpretieren. Die Befürchtung von Seiten der Kontrollstellen ist, dass es zukünftig viele unterschiedliche Auslegungen geben wird und die Rechtssicherheit abnimmt. Gegenüber den Landwirten ist die Kontrollstelle ebenso in der Verantwortung. Ein fälschlicherweise anerkanntes Zertifikat kann unmittelbar großen Schaden verursachen und Haftungsansprüche nach sich ziehen.


Fast beschlossen

Trotz der Kritik hat das Ministerium seinen Entwurf soweit vorangetrieben, dass nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass dieser nochmals ganz umgestellt wird. Einzig die Initiative von Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, zumindest die niederschwelligen Sanktionen in Form schriftlicher Hinweise und Abmahnungen zur Vermeidung einer ausufernden Bürokratie aus dem Katalog zu streichen, könnte noch Erfolg haben.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 353 - März 2012, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2012