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ASYL/1365: »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« - Stimmungsmache mit aufgeblasenen Zahlen (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 19. April 2019

»Geordnete-Rückkehr-Gesetz«: Stimmungsmache mit aufgeblasenen Zahlen

PRO ASYL kritisiert Seehofers Irreführung der öffentlichen Debatte durch Zahlentrickserei


Am Mittwoch wurde im Kabinett das »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« beschlossen. In der öffentlichen Diskussion wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, die SPD habe sich bei der Ausgestaltung des Gesetzes durchgesetzt. »Das Gesetz ist weder weichgespült noch entschärft. Es ist im Vergleich zur geltenden Gesetzeslage ein tiefgreifender Eingriff in das Rechtsgefüge« stellt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, klar. Völlig unterschätzt wird die verdrängende Wirkung des Gesetzes durch den Entzug von Sozialleistungen und rigorose Haft. In Griechenland beispielsweise werden aktuell anerkannte Flüchtlinge aus ihren Wohnungen getrieben; fliehen sie nach Deutschland, werden sie durch die im Gesetz vorgesehenen Verschärfungen an den Rand des Existenzminimums gedrängt oder in Haft genommen und zurück nach Griechenland abgeschoben. Die Forderungen aus Reihen der Union, das 2. Hau-ab-Gesetz weiter zu verschärfen, entbehren jeder faktischen Grundlage.

»Rechtsstaatliche Grundsätze sollen jetzt unter Meeresspiegelniveau gedrückt werden!« konstatiert Burkhardt die aktuelle Situation. »Die uferlosen Inhaftierungsmöglichkeiten wurden weder von rechtsstaatlichen Kräften in der Union noch der SPD gebremst.« Der Aufschrei der JustizministerInnen der Länder muss ernst genommen werden. PRO ASYL appelliert, dass nicht nur der Innenausschuss des deutschen Bundestages, sondern auch der Justizausschuss dieses Gesetz sorgfältig berät. »Es ist mehr als bedauerlich, dass das SPD-geführte Justizministerium diesen Entwurf nicht gestoppt hat. Von der Bundesjustizministerin ist nur ein lautstarkes Schweigen zu hören«, kommentiert Burkhardt.

Falsches Spiel mit den Zahlen

PRO ASYL kritisiert die an Täuschung grenzende Öffentlichkeitsarbeit des Bundesinnenministeriums (BMI), die suggeriert in Deutschland stünden 235.000 abgelehnte Asylsuchende vor der Abschiebung. Richtig ist, dass laut Ausländerzentralregister (AZR) 235.000 Personen ausreisepflichtig sind - doch rund die Hälfte von ihnen hat nie einen Asylantrag gestellt! Darüber hinaus sind im AZR auch jede Menge Karteileichen zu finden - hinter den Zahlen stecken also Personen, die gar nicht mehr in Deutschland sind. Auch sind in der aufgeblasenen Zahl des BMI knapp 30.000 afghanische und irakische Geduldete enthalten, von denen die meisten nicht abgeschoben werden können, weil die Lage im Herkunftsland zu gefährlich ist. »Die Strategie, mit Zahlentrickserei Stimmung gegen Geflüchtete zu machen und so ein ungeheuerliches Gesetzespaket durchzupeitschen, ist inakzeptabel!«, kritisiert Burkhardt.

Die Darstellung, dass Abschiebungen an den Regelungen in Deutschland scheitern würden, ist ebenfalls zu hinterfragen. Die Bundesregierung selbst hatte kürzlich zugegeben, die Gründe für gescheiterte Abschiebungen nicht zu kennen.

Abschiebungen in unsichere Zielstaaten

Im Zuge dessen fordert PRO ASYL eine sachorientiert Diskussion, die die Zustände in den Zielstaaten der Abzuschiebenden in den Blick nimmt: Afghanistan beispielsweise ist ein kriegs- und krisengebeuteltes Land, in dem kommende Woche wieder ein Abschiebeflieger aus Deutschland landen soll.

Innereuropäische Abschiebungen

Auch innerhalb Europas muss die Situation in anderen EU-Mitgliedsstaaten wieder in den Blick genommen werden. In Bulgarien, Griechenland und Italien herrschen katastrophale Zustände, doch Deutschland will Geflüchtete mit aller Gewalt dorthin zurückdrängen: Das Gesetzespaket sieht vor, sie entweder nach rigoroser Inhaftierung dorthin abzuschieben oder durch Entzug von Sozialleistungen in die Ersteinreiseländer zu verdrängen.

Die vollständige Stellungnahme zum »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« finden Sie unter:
https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/PRO-ASYL_Stellungnahme-zum-Geordnete-R%C3%BCckkehr-Gesetz.pdf

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 19. April 2019
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E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2019

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