Pro Asyl - Presseerklärung vom 4. November 2023
Katastrophale Lage für afghanische Flüchtlinge in Pakistan -
Bundesregierung muss ihrer Verantwortung nachkommen
Aktuell droht in Pakistan weit mehr als einer Million afghanischer Flüchtlinge die Abschiebung zurück nach Afghanistan. Dort befürchten sie, von den Taliban verfolgt, verhaftet und getötet zu werden. PRO ASYL fordert die Bundesregierung auf, die besonders bedrohten Afghaninnen und Afghanen wie versprochen aufzunehmen und dringend Maßnahmen zur Beschleunigung der Verfahren einzuleiten.
In den letzten Tagen hat die pakistanische Polizei begonnen, Menschen in Zwangsausreisezentren zu inhaftieren und abzuschieben. Mit der Abschiebungsoffensive sollen laut pakistanischer Regierung bis zu 1,7 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsstatus außer Landes gebracht werden. Mehr als 140.000 Afghan*innen wurden bereits seit Ende Oktober in die Hände der Taliban abgeschoben.
Dr. Alema, Afghanistan-Referentin bei PRO ASYL, kritisiert: "Viele Menschen mussten für die Aufnahmeverfahren Deutschlands und anderer Länder nach Pakistan fliehen. Dort waren sie nie sicher, nun hat sich ihre Lage noch verschärft. Die Betroffenen sowie die pakistanische Regierung haben sich darauf eingestellt, dass es sich um kurzfristige Aufenthalte handelt, um die Visaverfahren durchzuführen. Das Auswärtige Amt muss endlich dafür Sorge tragen, sie schnell rauszuholen. Jeder Tag des Wartens kostet Menschenleben."
PRO ASYL steht mit bedrohten Menschenrechts- und Frauenaktivist*innen, Journalist*innen und ehemaligen afghanischen Regierungsvertreter*innen in Kontakt. Einige von ihnen haben Aufnahmezusagen für Deutschland erhalten oder in Aussicht gestellt bekommen. Mangels deutscher Auslandvertretung in Afghanistan müssen sie nach Pakistan fahren, um bei der dortigen deutschen Botschaft die Sicherheitsprüfungen und Visaverfahren durchzuführen. Viele von ihnen sitzen seit einem Jahr oder länger fest und verzweifeln an der deutschen Bürokratie. Mit der Abschiebungsoffensive geraten sie weiter unter Druck, denn es ist nicht sicher, wie lange die pakistanische Regierung Menschen mit Aufnahmezusagen anderer Länder von der Abschiebung ausnimmt.
Frau M. ist eine davon; seit März 2022 steht PRO ASYL mit ihr in Kontakt. Als Frauenaktivistin erhielt sie im Januar 2023 eine Aufnahmezusage nach Deutschland und sitzt seitdem mit ihrer Familie in Pakistan fest. Ihre Kinder haben seit Jahren keine Schule gesehen, erst wegen der coronabedingten Schulschließungen in Afghanistan und nun wegen der eingeschränkten Rechte als Flüchtlinge in Pakistan. Um die Visumsverlängerungen für alle Familienmitglieder zu bezahlen, musste sie mittlerweile ihre Wertgegenstände verkaufen. Das Geld geht ihnen aus und die Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan wächst.
Die Sorgen sind berechtigt. Betroffene berichten PRO ASYL, dass sie bei Polizeikontrollen erpresst werden, Schmiergeld zu zahlen, weil man ihnen sonst ihre pakistanischen Visa zerreißen würde, die nur in Papierform ausgestellt werden. Auch wurden bereits Menschen mit gültigen pakistanischen Aufenthaltspapieren in die eingerichteten Abschiebezentren gebracht. In den Vororten von Islamabad und anderswo werden hunderte Gebäude, die von den Behörden als illegale Häuser von Afghan*innen bezeichnet werden, abgerissen.
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Quelle:
Pro Asyl - Presseerklärung vom 4. November 2023
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Internet: www.proasyl.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 7. November 2023
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