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DISKURS/089: Das Glück des Guten Lebens (planet)


planet - ZEITUNG DER GRÜNEN BILDUNGSWERKSTATT # 62
JUNI-JULI-AUGUST 2010

Das Glück des Guten Lebens

Von Daniela Ingruber


Das Gute Leben ist nichts Selbstverständliches. Es scheint auch Glückssache zu sein, hängt es doch oft von jenem Teil der Welt ab, in dem man geboren wurde. Eine Glücksformel hilft wenig, wenn die einfachsten Ressourcen nicht zur Verfügung stehen.


Für ein gutes Leben braucht man vor allem Glück - und das bereits bei der Geburt. Viel hängt davon ab, ob jemand im Sudan geboren wird, in Bangladesch oder Österreich. Mit der Geburt wird nicht nur der momentane Status festgelegt, sondern viel von dem, was im Laufe eines Lebens geschehen kann: Das betrifft Schul- und Ausbildung, die Mobilität in der Zukunft, und häufig auch die Personen, von denen man während seines Lebens umgeben sein wird. Nur mit Glück gehören die eigenen Eltern zu jener Minderheit, die es sich leisten kann, einem einen Start in ein Gutes - im Gegensatz zu einem lediglich schönen - Leben zu finanzieren. Dabei ist nicht nur der Ort der Geburt ausschlaggebend sondern die soziale Schicht, was gerade auch für Österreich gilt.

Der Glücksfaktor betrifft auch die kleinen Handgriffe des Lebens, denen man sich meist gar nicht bewusst ist. In Österreich kann man noch völlig geistesabwesend den Wasserhahn aufdrehen und wird Wasser erhalten, sauberes Trinkwasser ohne Nebengeschmack oder mengenmäßige Begrenzung. Nur in lichten Momenten wird man sich dessen bewusst. Dann denkt man gerne: "Welches Glück, hier zu leben." Schon schweifen die Gedanken zu jenen, die scheinbar weniger Glück haben. Die Ressourcen sind global ungleich verteilt und bewertet. Auch das Paradigma des Guten Lebens für alle wird von solchen Bewertungen, was gut, wertvoll oder lebenswert sei, bestimmt, denn es gehört zum kapitalistischen System und ist zumindest zu einem Teil wirtschaftlich orientiert.


Glück lernen

Was das Gute Leben ist, lässt sich erforschen wie alles andere; das Glück, das daran gebunden ist, ebenso. Die Glücksforschung zielt dabei auf das langfristige Glücklich-Sein, nicht auf die kurzen Glücksmomente, den Lottogewinn oder das Glück, keinen Unfall gehabt zu haben.

Glück ist etwas Subjektives, eigentlich nichts wirklich Beschreibbares, und doch etwas mit viel Kraft und Einfluss auf das Lebensgefühl, in jedem Fall etwas, das erstrebenswert scheint. Seit einigen Jahren weiß man das auch in der Pädagogik, so haben einzelne Schulen das Unterrichtsfach "Glück" eingeführt. In der Steiermark gibt es seit Herbst letzten Jahres den Schulversuch "Glück macht Schule". Betrachtet man den Lehrplan, erinnert dieser an ein Schulfach, das auch "Zufriedenheit" heißen könnte. Tatsächlich ist viel von Wohlbefinden die Rede, auch davon, dass das soziale Miteinander dadurch verändert werden solle. Glück wird somit nicht bloß zum Eigennutzen der Jugendlichen gelehrt, sondern zum Wohle der Gesellschaft. Ähnlich dürften die Gründungsväter der USA gedacht haben, denn das Streben nach Glück (the pursuit of happiness) ist in der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung festgeschrieben.

Dieser Ansatz hat neben seiner prinzipiell schönen Ausrichtung zwei negative Seiten, die sich in der aktuellen Welle an Literatur und Seminarangeboten zum Thema Glück spiegeln: Wird das Gute Leben zu sehr individualisiert, entsteht der Eindruck, dass jede/r alles erreichen könne, wenn man sich nur ausreichend anstrenge. Der Staat und die Gesellschaft können sich zurücklehnen und mit dem Finger auf jene zeigen, die "es nicht schaffen", weil sie zuwenig an sich arbeiten. Zudem wehren sich Menschen, die Selbstzufriedenheit und die Konzentration auf das Eigene gelernt haben, selten gegen staatliche Gewalt. Politischer Widerstand kann niedergehalten werden, solange die Menschen vorwiegend mit sich selbst und ihrem zu erreichenden individuellen Glück beschäftigt sind. So kennt der moderne Narziss vorwiegend sein eigenes Gutes Leben, auch wenn sie/er nicht zu betonen müde wird, dass es ihr/ihm wichtig sei, dass es ein Gutes Leben für alle ist. Bei genauerer Betrachtung liegt das eigene Glück mit den dazu passenden Netzwerken dann wohl doch näher als die klassische Solidarität gegenüber anderen.


Jeder seines Glückes Schmied?

Dabei wäre Solidarität durchaus etwas, das zum Guten Leben führen könnte. Die Armutsschwelle liegt in Österreich bei Euro 11.406 pro Jahr oder zwölf mal Euro 951. Gewiss ist Glück nicht mit Geld aufzuwiegen, das Gute Leben aber verlangt durchaus einen Lebensstandard, der zumindest über der Armutsschwelle liegt. Damit beschäftigt sich auch die statistische Messung des "Wohlbefindens". Eurostat etwa verwendet unter anderem folgende Maßstäbe: Einkommen, Konsum, Vermögen, Gesundheit, Bildung, Arbeit, interessanterweise Teilnahme am politischen Leben, selbstverständlich auch soziale Bindungen und Beziehungen, Umwelt und schließlich Unsicherheiten.

Kein Wunder, dass sich die Glücksforschung, inzwischen meist Positive Psychologie genannt, mit Phänomenen wie "Optimismus" auseinandersetzt.

Vor einigen Jahren erregte der Autor Stefan Klein mit seiner Glücksformel Aufsehen (www.gluecksformel.de). Seine Worte klingen einfach: "Glück ist trainierbar, nur machen die meisten Menschen bisher die falschen Übungen." Seine durchgängige Botschaft lautet: Wenn das Glück nicht zu dir kommt, hol' es ab!

Das entspricht einem großen Teil aller derzeit erfolgreichen Esoterik-Ratgeber. Ob es "The Secret" heißt, wo man sich nur wünschen muss, was man haben will, dann geschieht es schon, oder "The Journey", wo wir bloß unsere körpereigenen Zellen aktivieren und umpolen müssen, um gesundheitliches Glück zu erlangen, eines wiederholt sich stets: Jemand nimmt Ideen aus verschiedenen Religionen, Kulturen und allgemeinen Lebensweisheiten, verpackt sie geschickt in Marketingsprache und Design, zusätzlich gibt es Websites, Seminare zu unfassbaren Preisen, Videos - und schon verkauft sich das Werk fast von alleine.

Seltsamerweise ändert sich dadurch zwar vielleicht einiges, doch das große Glück bleibt meist aus. Die Konzentration auf das Ego scheint dem menschlichen Wesen doch nur partiell zu entsprechen.


Luxusware Glück

Was aber ist das Glück, das zum Guten Leben führt?

Versuchen wir es abseits von Forschung und Esoterik, mit der Erinnerung an ein Gespräch: "Auch wenn du alle Bücher über Glück liest, heißt das nicht, dass du glücklich wirst", sagte mir kürzlich eine Diamantenhändlerin. Dann erklärte sie, Respekt gegenüber anderen Menschen sei eine Voraussetzung für das eigene Glück. Das bedeute, dass es beim eigenen Glück nie nur um dieses gehe, sondern dass man die anderen dafür brauche.

Glück sei nie Zufall, antwortete eine Frau aus dem höheren Management einer deutschen Fernsehanstalt. Es sei ein Weg, die Art etwa, wie man als Frau in den Job gehe, wie man auftrete. Somit sei Glück nichts, was einer einfach so passiere.

"Doch!", widersprach eine junge Frau aus einer großen Vorarlberger Firma. "Doch, man kann auch ganz persönlich Glück haben. Ich habe es schon oft gehabt", sagte sie und berichtete von einer überstandenen Krankheit. Die einzig passende Antwort darauf wäre: "Da hast du großes Glück gehabt!" Doch das definiert noch immer nicht, was Glück ist.

Schon die nächste Befragte, die ans Wort kam, hob den Begriff wieder auf die Ebene des Gemeinsamen, der Solidarität. Sie sei der Beginn ohne den es kein Gutes Leben gäbe, schon gar nicht für alle.

In Mitteleuropa lässt sich hinzufügen, dass so gesehen Glück auch ein Privileg bedeutet; Luxus im eigentlichen Sinne - unbezahlbar. Allein der Umstand, darüber nachdenken zu können, was ein Gutes Leben sei, bedeutet letztlich, dass man selbst glücklicherweise ein solches hat.


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Quelle:
planet - Zeitung der Grünen Bildungswerkstatt # 62,
Juni-Juli-August 2010, S. 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2010