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DEMOSKOPIE/468: Bertelsmann Stiftung - Asien ist für die Deutschen nicht die gelbe Gefahr (idw)


Bertelsmann Stiftung - 02.11.2012

Asien ist für die Deutschen nicht die gelbe Gefahr

Zuversicht in die eigene Stärke - Wenig Hoffnung auf mehr Demokratie und soziale Verbesserungen in Asien



Die deutsche Bevölkerung nimmt den wirtschaftlichen Aufstieg der asiatischen Staaten eher als Chance denn als eine Bedrohung wahr. Als Reaktion auf den zunehmenden Wettbewerb sollte Deutschland intensiver mit den asiatischen Staaten zusammen arbeiten und nicht stärker auf die Durchsetzung nationaler Interessen beharren. Das ist das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Meinungsumfrage der Bertelsmann Stiftung.

Insgesamt beurteilt die Mehrheit der Deutschen die Entwicklung Asiens für Deutschland als positiv. Gleichzeitig überwiegt in Bezug auf die Folgen für den Arbeitsmarkt Skepsis.

Jeder Zweite der befragten Bürger ist der Ansicht, dass der wirtschaftliche Aufstieg Asiens für Deutschland eher eine Chance ist. 39 Prozent halten ihn für eine Bedrohung. Noch größer ist die Zuversicht, dass Deutschland die mit Asiens Aufstieg verbundenen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen "meistern" wird. Vier von fünf Bürgern sind hier optimistisch. Nur 15 Prozent fürchten, dass Deutschland die asiatischen Herausforderungen "nicht meistern" wird. Die Zuversicht speist sich offenbar aus dem großen Vertrauen in die technologische Überlegenheit Deutschlands gegenüber Asien. 71 Prozent der Deutschen halten es für sicher oder zumindest wahrscheinlich, dass Deutschland in Forschung und Technologie "auch langfristig" führend sein wird.

Die Folgen des asiatischen Wirtschaftswunders für den deutschen Arbeitsmarkt werden dagegen überwiegend negativ beurteilt. 42 Prozent der Deutschen befürchten, dass Asiens wirtschaftlicher Aufstieg zu Stellenabbau in Deutschland führen wird. Nur gut ein Viertel glaubt, dass die Entwicklung in Asien zusätzliche Jobs für Deutschland bringt.

Als politische Antwort auf die Entwicklungen in Asien empfehlen die Deutschen Kooperation statt Konfrontation. Eine Mehrheit von 41 Prozent hält den aktuellen politischen Kurs Deutschlands für richtig und will ihn beibehalten, 37 Prozent der Befragten befürworten eine engere Zusammenarbeit. Nur 18 Prozent fordern, Deutschland müsse gegenüber Asien härter auf seine Interessen pochen und damit dem Beispiel der USA folgen.

Bezüglich der sozialen und politischen Entwicklung in Asien sind die Deutschen skeptisch. Trotz der boomenden Wirtschaft glauben sie mehrheitlich nicht an eine Verbesserung der sozialen Bedingungen und der politischen Teilhabe. So halten es fast zwei Drittel der Befragten für unwahrscheinlich oder sogar ausgeschlossen, dass die Politik in den asiatischen Staaten stärker für den sozialen Ausgleich sorgen wird. Beinah ebenso groß sind die Zweifel, dass infolge Asiens wirtschaftlichen Wachstums der Wohlstand auf der Welt auf Dauer gerechter verteilt werden wird.

Auch eine zunehmende Demokratisierung der Region durch den wachsenden Wohlstand erwarten die Deutschen mehrheitlich nicht (52 Prozent gegenüber 46 Prozent). Noch deutlich geringer ist die Erwartung, dass ein wohlhabenderes Asien beim Umwelt- und Klimaschutz mit Deutschland gleichzieht.

Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, sieht in den Umfragezahlen eine Reaktion auf die globalen Veränderungen der vergangenen Jahre: "Die Deutschen sehen die Welt mit offenen Augen. Nach Asien blicken sie dabei mit einer Mischung aus Bewunderung, Respekt und Sorge um die eigene Zukunft."

Innerhalb der wichtigsten asiatischen Staaten machen die Deutschen aber auch klare Unterschiede aus mit einem pragmatischen Blick für Realitäten. Während Europa in der Krise steckt, wird insbesondere China als Wirtschaftsgigant mit Ambitionen zur Weltmacht wahrgenommen. Bei Wirtschaftsthemen wird die Volksrepublik mehr als Rivale denn als Partner wahrgenommen. So sehen 73 Prozent der Deutschen China als Konkurrenten bei der Beschaffung von Rohstof-fen und Energie und 72 Prozent als Rivale bei der Entwicklung neuer, innovativer Produkte. Erst danach rangiert die Bedeutung Chinas als Absatzmarkt für deutsche Produkte, die 69 Prozent der Deutschen als "sehr groß" oder "eher groß" einschätzen. Auch als Retter der verschuldeten Eurostaaten genießt China unter den asiatischen Staaten das größte Zutrauen.

Dagegen scheint die einst führende Wirtschaftsmacht Japan spätestens seit der Nuklearkatastrophe in Fukushima im Urteil der Deutschen zurückgeworfen. Nur als Partner im Kampf gegen den Klimawandel erwarten die Befragten von den Japanern eine signifikant höhere Bedeutung als China. Als Konkurrent bei der Entwicklung neuer, innovativer Produkte liegen die Japaner, einst wegen ihrer Innovationsfähigkeit gerühmt und gefürchtet, nahezu gleichauf mit den Chinesen. Noch geringer schätzen die Deutschen allerdings Indiens Bedeutung für Deutschland ein. Bei keinem der befragten Themenfelder kann es China oder auch Japan übertreffen.

Bei der politischen Bewertung der asiatischen Staaten urteilen die Deutschen pragmatisch statt wertgebunden. So sind 62 Prozent der Bundesbürger der Ansicht, die Bedeutung des kommunistischen China als politischer Partner für Deutschland sei "sehr groß" oder "eher groß". Die Demokratien Japan und Indien kommen nur auf 59 Prozent beziehungsweise 35 Prozent.

Weitere Informationen unter:
http://www.bertelsmann-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution605

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bertelsmann Stiftung, Ute Friedrich, 02.11.2012
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2012