Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → FAKTEN

ENTWICKLUNGSHILFE/420: Finanzmittel für die ärmsten Länder in der Finanzkrise gesucht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. April 2011

Entwicklung: Finanzmittel für die ärmsten Länder in der Finanzkrise gesucht

Von Timothy Spence


Brüssel, 18. April (IPS) - Vertreter der ärmsten Länder der Welt (Last Developed Countries - LDCs) arbeiten derzeit an einem Aktionsprogramm gegen die gravierende Armut. Zu den Vorschlägen für die LDC-Konferenz im Mai in Istanbul gehört auch die Einführung einer Finanzmarktsteuer, die Jahr für Jahr Milliarden US-Dollar generieren könnte.

Wie Cheick Sidi Diarra, der UN-Sonderberater für Afrika und Hohe Vertreter der LDCs, der landeingeschlossenen Länder und kleinen Inselstaaten erklärte, soll die internationale Gemeinschaft auf dem Treffen dazu aufgefordert werden, die Hilfe für die 48 LDCs in den nächsten zehn Jahren zu erhöhen.

Die Entwicklungshilfe für die ärmsten Länder der Welt hatte 2008 mit 122,4 Milliarden einen vorläufigen Höchstwert erreicht. In jenem Jahr nahm die globale Finanzkrise in den USA ihren Anfang und breitete sich immer weiter aus. Angesichts der damit verbundenen Finanzierungsprobleme wird es Diarra zufolge höchste Zeit für frische Gelder, um Fortschritte in den Bereichen der Grundschulbildung und Wasserversorgung sicherzustellen.

"Die Geberstaaten haben in der letzten Dekade getan, was sie konnten. Das gilt vor allem für 2008 vor dem Ausbruch der Krise", sagte Diarra in einem Telefoninterview. "Doch die Zusagen wurden nicht eingehalten, und die Hälfte der in den vergangenen Jahren ausgezahlten Entwicklungshilfe beschränkte sich auf nur zwei Länder: auf Irak und Afghanistan."


Hoffen auf Brüssel

Vor zehn Jahren hatte die erste LDC-Konferenz in Brüssel stattgefunden. Schon damals ging es darum, Möglichkeiten zu erschließen, um die Armut in den weltärmsten Ländern zu verringern und deren wirtschaftliche Möglichkeiten zu verbessern. Man einigte sich auf Richtlinien, um Handelsbilanz, Umweltschutz, Regierungsführung, Transparenz und private Investitionen in den LDCs zu verbessern.

Im Jahr darauf trafen sich die führenden Geberstaaten im mexikanischen Monterrey und versprachen, ihre öffentliche Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens hochzuschrauben. Doch bis 2009 war noch nicht einmal die Hälfte der Zusagen erfüllt.

Den Vereinten Nationen zufolge brauchen die LDCs jährlich bis zu 60 Milliarden US-Dollar, um ihre Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) bis 2015 zu erreichen. Die MDGs sehen vor, Armut und Hunger bis 2015 zu halbieren, allen Kindern eine Grundschulbildung zu ermöglichen, die Rolle der Frau zu stärken, Kinder- und Säuglingssterblichkeit zu senken und schwere Krankheiten wie HIV/Aids und Malaria zu bekämpfen. Auch wurde auf dem Millenniumsgipfel 2000 in New York die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und der Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und Südens vereinbart.

Die globale Finanzkrise zwang viele Geberländer dazu, ihre Entwicklungshilfe zu stutzen. Hinzu kamen verheerende Naturkatastrophen. Die Asiatische Entwicklungsbank (AsDB) und die Weltbank schätzen die finanziellen Schäden der pakistanischen Flutkatastrophe auf 10,8 Milliarden Dollar. Fast vier Milliarden Dollar stellten die Geber Haiti seit dem Erdbeben 2010 zur Verfügung. In Japan, bis zu dem jüngsten Erdbeben und dem Tsunami einer der großzügigsten Geberstaaten, geht man davon aus, dass die Doppelkrise Schäden in Höhe von 300 Milliarden Dollar verursacht hat.


Ruf nach Finanzmarktsteuer wird lauter

Erwartet wird, dass es auf der Konferenz vom 9. bis 13. Mai in Istanbul vor allem darum gehen wird, neue Finanzmittel für die Bekämpfung der Armut in den LDCs zu erschließen. Eine Option, die weltweit immer mehr Rückhalt erfährt, ist die Finanzmarktsteuer. Sie wurde bereits auf dem LDC-Ministertreffen in Lissabon im vergangenen Oktober thematisiert. Finanzgurus wie Joseph Stiglitz und Warren Buffett argumentieren, dass solche Steuern Einkünfte schaffen und gleichzeitig dem spekulativen Handel mit Devisen und Finanzprodukten einen Dämpfer aufsetzen würden.

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich in diesem Monat in New York zu einer Vorbereitungskonferenz für Istanbul getroffen hatten, sind für einen umfangreichen Schuldenerlass. Die LDC gäben jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Dollar für ihren Schuldendienst aus, betonte Arjan Karaki, der Leiter von 'LDC Watch', einer Organisation mit Sitz in Katmandu. Für Investitionen in Gesundheit, Trinkwasser und Energie bleibe da nicht mehr viel übrig.

Der UN-Vertreter Sidi Diarra appellierte aber auch an die LDCs, ihren Teil der Arbeit zu leisten, um der Armut zu entkommen. Sie müssten für mehr Transparenz, Menschenrechte, den Respekt gegenüber Privateigentum sowie den Schutz ausländischer und lokaler Investitionen sorgen. Erwartet wird, dass an der LDC-Konferenz 6.000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft teilnehmen werden. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.un.org/wcm/content/site/ldc/home
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=55280

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. April 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2011