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ENTWICKLUNGSHILFE/428: Die Landwirtschaft hat eine Schlüsselrolle in der Entwicklungspolitik (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 26. Januar 2012

Die Landwirtschaft hat eine Schlüsselrolle in der Entwicklungspolitik

Gemeinsame Erklärung von BMELV, BMZ, DBV und DRV


Der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum kommt bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vieler Länder der Dritten Welt eine Schlüsselrolle zu. Die nationale Politik in den Entwicklungsländern, wie auch die Entwicklungspolitik der Industrieländer, haben dieser Erkenntnis aber über lange Zeit nicht Rechnung getragen. Diese Feststellung treffen das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) in einer gemeinsamen Erklärung.

Erst die seit Mitte des letzten Jahrzehnts zu beobachtende weltweite Verteuerung von Agrarprodukten und Lebensmitteln hat die Bedeutung einer Entwicklung der Landwirtschaft für die Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern und für die Sicherung der Welternährung wieder deutlicher ins Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit gerückt, heißt es in der Erklärung weiter. Die konsequente Modernisierung und Entwicklung der einheimischen Landwirtschaft in den Entwicklungsländern diene nicht nur der Beseitigung der akuten Hungerprobleme, sondern sei auch Ausgangspunkt und Motor für einen umfassenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsansatz.

Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode die Entwicklung von Landwirtschaft und ländlichem Raum konsequent als einen Förderschwerpunkt ihrer Entwicklungspolitik definiert. In enger Kooperation zwischen dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurde das internationale Engagement in diesem Bereich deutlich ausgebaut. Der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) begrüßen diesen Ansatz sehr und unterstützen nachdrücklich eine auf die Bauern vor Ort fokussierte Entwicklungsperspektive in Afrika, Asien und Teilen Mittel- und Südamerikas. Dazu ist es nicht nur notwendig, einen Erfahrungs- und Wissenstransfer zu organisieren, sondern es muss auch gelingen, die Eigeninitiative in den Dörfern der Entwicklungsländer durch die Gründung von unabhängigen Verbänden und Genossenschaften sowie sonstigen Selbsthilfeorganisationen der Landwirtschaft, aber auch des Handels und Gewerbes, vor Ort zu fördern. Den Hunger besiegen und Bleibeperspektiven für die junge Generation in wirtschaftlich prosperierenden ländlichen Gebieten zu eröffnen, das ist das gemeinsame Ziel von BMELV, BMZ, DBV und DRV. Ganz nach dem Motto "Bauern helfen Bauern" gilt es, Teilhabe an der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklung zu unterstützen und voranzubringen. Dazu müssen die Entwicklungsländer selbst durch verlässliche politische Rahmenbedingungen (Good Governance) das Engagement der Bauernfamilien und der mit ihnen verbundenen Handwerks- und Gewerbeunternehmen fördern und absichern.

Im Einzelnen haben BMELV, BMZ sowie DBV und DRV eine Zusammenarbeit und gemeinsame Positionierung in folgenden Handlungsfeldern vereinbart:

1. Internationaler Verantwortung gerecht werden

Zur Sicherung der Welternährung und zur Vermeidung regionaler Hungerkatastrophen kommt der Steigerung der Nahrungsmittelerzeugung in den Entwicklungsländern größte Bedeutung zu. Deshalb muss es gelingen, Forschungs- und Entwicklungsinitiativen sowie Schulungsund Beratungsdienstleistungen auf die Landwirtschaft und die ländliche Wirtschaft in den Entwicklungsländern zu konzentrieren. Das erfordert eine deutliche Schwerpunktsetzung in der Entwicklungspolitik. Auch die Handels- und Agrarpolitik der Industrieländer muss einen solchen Ansatz unterstützen. Das in der Doha-Runde der WTO vorgesehene Regelwerk zur direkten Unterstützung der Entwicklungsländer sollte deshalb auch dann in Kraft treten, wenn es nicht zu einem Abschluss in dieser Handelsrunde auf absehbare Zeit kommt. Die Europäische Union hat in diesem Sinne weitreichende Vorschläge gemacht und die eigene Agrarpolitik in den vergangenen Jahren durchgreifend reformiert. Der europäische Binnenmarkt ist mittlerweile für Produkte aus Entwicklungsländern weit geöffnet (z.B. durch AKP- und EBA-Abkommen). Die Europäische Union hat die Exporterstattungen bereits in hohem Maße abgebaut. Deutschland setzt sich dafür ein, dass sie im Rahmen der GAP-Reform 2013 vollständig abgebaut werden. Für den Fall von Marktkrisen muss aber ein effizientes Sicherheitsnetz zur Binnenmarktstabilisierung erhalten bleiben. Zugleich muss die EU in den internationalen wie bilateralen Handelsvereinbarungen darauf drängen, ein gleichgerichtetes Verhalten von allen Industrieländern wie auch Schwellenländern einzufordern und damit Exporthilfen vollständig abzuschaffen.


2. Verantwortliches Regieren in Entwicklungsländern fördern

Verantwortliches nationales Regierungshandeln in den Entwicklungsländern ist unabdingbare Voraussetzung für deren wirtschaftliche Erholung. Investitionen in die Landwirtschaft wie in die übrige Wirtschaft, gleichgültig ob es sich um Kleinkredite oder größere Entwicklungsschritte handelt, werden von den einheimischen Landwirten und kleinen und mittleren Unternehmen nur dann getätigt, wenn die ländliche Infrastruktur gesichert, der Rechtsfrieden gewahrt, ein funktionierendes Bankenwesen gefördert wird sowie transparente Handelsabläufe gewährleistet werden. Die politischen Entscheidungsträger und gesellschaftlichen Eliten in den Entwicklungsländern sind gefordert, gleichwertige Lebensbedingungen im ländlichen Raum zu ermöglichen und damit das Recht auf Nahrung umzusetzen. Good Governance ist deshalb Grundvoraussetzung für das Angebot langfristiger entwicklungspolitischer Förderprogramme.


3. Wirtschaftliche Kooperationen stärken

Eine erfolgreiche Entwicklungspolitik wird auf die Erfahrungen aus der Entwicklung der Landwirtschaft und der Regionalpolitik auch in Deutschland setzen müssen. Die Förderung von unabhängigen Selbsthilfeeinrichtungen der Bauern und der Bevölkerung im ländlichen Raum waren auch bei uns ein Kristallisationspunkt für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung seit Anfang des letzten Jahrhunderts. Erzeugerorganisationen, Genossenschaften und ein unabhängiger Berufstand sind für die Aus- und Weiterbildung selbstbewusster und damit selbstbestimmter Landwirte und auch den Aufbau von Wertschöpfungsketten im ländlichen Raum unverzichtbar. Der Deutsche Bauernverband und der Deutsche Raiffeisenverband werden deshalb durch einen intensiven Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer der Bundesregierung helfen, konkrete Unterstützungsarbeit in den Entwicklungsländern beim Aufbau von unabhängigen Verbandsstrukturen zu leisten.

Vor diesem Hintergrund haben sich Bundesministerin Ilse Aigner, Bundesminister Dirk Niebel, DBV-Präsident Gerd Sonnleitner und DRV-Präsident Manfred Nüssel darauf verständigt, die wissensbasierte ländliche Entwicklung durch landwirtschaftliche Selbsthilfeeinrichtungen aus Deutschland heraus gezielter zu unterstützen. Dabei sollen bereits bestehende Initiativen aus anderen EU-Mitgliedsländern mit einbezogen werden. Umgekehrt wird den Verbänden der Bauern in den Entwicklungsländern die Möglichkeit geboten, sich auf regionaler und internationaler Ebene verbandlich auszutauschen und ihre eigenen Erfahrungen einzubringen (z.B. durch Mitarbeit in der World Farmers' Organisation in Rom).


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Quelle:
Pressemitteilung vom 26. Januar 2012
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
Claire-Waldoff-Straße 7
10117 Berlin
Tel.: 030 / 31 904 239
Mail: presse@bauernverband.net
Internet: www.bauernverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2012