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MENSCHENRECHTE/245: Interamerikanische Menschenrechtskommission in Gefahr (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. November 2012

Menschenrechte: Interamerikanische Menschenrechtskommission in Gefahr

von Carey L. Biron


OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza, IACHR-Vorsitzender José de Jesús Orozco und IACHR - Exekutivsekretär Emilio Álvarez Icaza - Bild: © Juan Manuel Herrera/OAS

OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza, IACHR-Vorsitzender José de Jesús Orozco und IACHR - Exekutivsekretär Emilio Álvarez Icaza
Bild: © Juan Manuel Herrera/OAS

Washington, 2. November (IPS) - Menschenrechtsorganisationen sorgen sich über den Fortbestand der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR). Grund sind Reformvorschläge einiger lateinamerikanischer Regierungen, die die strengen Regeln der Kommission verwässern würden. Sollten diese Vorschläge nicht umgesetzt werden, wollen einige Länder ganz aus dem seit 53 Jahren bestehenden Gremium aussteigen.

Die Regierungen Ecuadors, Venezuelas, Boliviens, Nicaraguas, Brasiliens und Perus haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, sich dem Diktat der Interamerikanischen Menschenrechtskommission zu entziehen. Diese gehört zur Organisation Amerikanischer Staaten und ist deren erfolgreichstes Instrument.

Doch nicht mehr lange, wenn sich die sechs Staaten mit ihrer Kritik durchsetzen, die sie besonders lautstark auf der OAS-Generalversammlung im vergangenen Juni vertreten hatten. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) befürchten, dass die Reformvorschläge es Opfern von Menschenrechtsverbrechen erschweren, diese vor der Menschenrechtskommission anzuzeigen. Darüber hinaus würde die IACHR ihre eigenen Erlasse schwieriger durchsetzen können. Mitgliedsländer könnten die Veröffentlichung kritischer Berichte der Menschenrechtskommission um bis zu ein Jahr verzögern und brisante Stellen aus dem Jahresbericht herausstreichen lassen.


Entscheidung für März 2013 geplant

OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza erklärte sich bereits im Januar dazu bereit, Reformvorschläge innerhalb der Kommission zu diskutieren. Am 31. Oktober lud die OAS daher nach Washington zu Anhörungen ein. Mehr als 40 NGO-Vertreter äußerten daraufhin ihre Bedenken. Die Konsultationen sollen in den kommenden Wochen weitergehen. Eine Entscheidung soll im März vorliegen.

Venezuela geht das nicht schnell genug. Im September trat die Regierung des Karibikstaates unter Präsident Hugo Chávez aus der Menschenrechtskommission aus. Die übrigen Regierungen drohen zu folgen.

"Es ist absolut notwendig, eine durchsetzungsstarke Organisation zu haben, die die fundamentalen Rechte der Menschen schützt und dafür sorgt, dass die Staaten diese respektieren", sagte Mauricio Alarcón von der Organisation 'Fundamedios' aus Ecuador, die sich für Rede- und Meinungsfreiheit einsetzt. Immer wieder höre er, dass Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit angehören. "Dem ist nicht so. Und weil dieses Relikt aus der Vergangenheit noch immer existiert, brauchen wir umso mehr ein regulatives System, um Verbrechen vorzubeugen und zu bestrafen."

Auch Viviana Krsticevic, Exekutivdirektorin des Zentrums für Gerechtigkeit und Internationales Recht (CEJIL) mit Sitz in Washington zeigte sich "zutiefst besorgt", der Reformprozess könne die Kommission nachhaltig schwächen. "Die Menschenrechtskommission hat unsere mangelhaften Demokratien stark verbessert", sagte sie gegenüber IPS. "Das könnte sich jetzt wieder ins Gegenteil verkehren."

Die Meinungen über den Reformprozess und den Ausstiegswillen einiger Staaten sind geteilt. Während viele NGO-Vertreter am 31. Oktober dafür plädierten, alles zu tun, damit die Mitgliedsländer im Verband bleiben, hielten andere die Reformen für viel schlimmer.


"Kommission wird an Relevanz verlieren"

"Wenn andere Regierungen dem Beispiel Venezuelas folgen, dann ist die Kommission noch immer arbeitsfähig. Wenn nun aber die vorgeschlagenen Reformen durchgesetzt werden, dann wird die Kommission an Relevanz verlieren", warnte Lisa Reinsberg, Exekutivdirektorin des 'International Justice Resource Center'.

Die IACHR hat das Mandat, in einem Gericht in Costa Rica Petitionen zu behandeln, wenn die nationalen Gerichte nicht fähig oder nicht willens sind, bei mutmaßlichen Menschenrechtsverbrechen Gerechtigkeit walten zu lassen.

"Systeme für Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind wie Krankenhäuser. Wenn man die Notaufnahme schließt, dann funktioniert das gesamte System nicht mehr", sagte Gustavo Gallón Giraldo von der Kolumbianischen Juristenkommission. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://cejil.org/en
http://www.ijrcenter.org/
http://www.ipsnews.net/2012/11/pan-american-rights-commission-under-threat/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2012