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MENSCHENRECHTE/303: Smartphones hilfreich bei Dokumentation von Übergriffen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Juni 2015

Menschenrechte: Smartphones hilfreich bei Dokumentation von Übergriffen

von Thalif Deen


Bild: © Johan Larsson / cc by 2.0

Mit Hilfe von Smartphone-Apps können Menschenrechtsaktivisten bei Gefahren Notfallrufe mit GPS-Koordinaten an Freunde und Kollegen verschicken
Bild: © Johan Larsson / cc by 2.0

NEW YORK (IPS) - Die inzwischen weitverbreiteten digitalen Technologien werden zunehmend auch dazu genutzt, Menschenrechtsverletzungen in aller Welt zu dokumentieren.

Der UN-Sonderberichterstatter für außergerichtliche, systematische oder willkürliche Hinrichtungen, Christof Heyns, schrieb in einem Report für den Menschenrechtsrat in Genf: "Wir haben alle gesehen, wie Übergriffe von Polizisten und anderen, die Gewalt anwenden, von Mobiltelefonen festgehalten werden und dadurch geahndet werden können."

Milliarden Menschen auf der Welt führten inzwischen ein wirksames Instrument mit sich, mit dem sie solche Ereignisse dokumentieren könnten, erklärte Heyns dem Gremium, das am 15. Juni zu einer dreiwöchigen Sitzungsperiode zusammenkam. "Da dies allgemein bekannt ist, können Handys als signifikantes Abschreckungsmittel dienen."


Wichtige Rolle 'ziviler Zeugen'

Laut dem Experten spielen Hard- und Software, mit denen Informationen in die digitale Sphäre übermittelt werden, eine immer wichtigere Rolle für den Schutz der Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Leben. Die Rolle 'ziviler Zeugen' bei der Dokumentation von Menschenrechtsverstößen werde gestärkt.

In dem Bericht forderte Heyns die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen dazu auf, sich über die Innovationen zu informieren, die dem Sammeln von Informationen und Ermittlungen von Menschenrechtsverbrechen dienten. "Den Herausforderungen des digitalen Zeitalters kann man nur mit einer klugen Anwendung der digitalen Werkzeuge begegnen."

Javier El-Hage von der 'Human Rights Foundation' (HRF) in New York erklärte, dass Mobiltelefone und Satellitenbilder eine entscheidende Rolle bei der Dokumentation extralegaler Hinrichtungen spielten. Nicht nur in Demokratien wie Deutschland und den USA nutzten Bürger die Informationstechnologien dazu, Polizeigewalt und extralegale Exekutionen in Bildern festzuhalten. Auch in Ländern mit autoritären Regimen wie Kasachstan und Venezuela ließen sich zivile Zeugen nicht davon abhalten, Übergriffe zu filmen, selbst wenn sie damit ihr Leben riskierten.


Nordkoreanische Gefängnisse durch Satellitenfotos lokalisiert

"In Nordkorea, einem der am stärksten nach außen abgeschotteten Länder, haben Satellitenbilder dabei geholfen, die Lage und die Zahl der Häftlinge in Gefangenenlagern zu ermitteln", sagte er. Erst kürzlich sei auf diese Weise aufgedeckt worden, dass ein Erschießungskommando Luftabwehrgeschütze eingesetzt habe.

In seinem Bericht hob Heyns hervor, dass mehrere Menschenrechtsorganisationen mittlerweile Smartphone-Apps entwickelt hätten, mit denen Journalisten und Aktivisten Notfallmeldungen mit genauen Koordinaten über ihren Aufenthaltsort an Freunde und Kollegen absetzen könnten, wenn sie in Gefahr gerieten. "Die neuen Informationswerkzeuge können Menschenrechtsuntersuchungen unterstützen und dabei helfen, Täter zur Rechenschaft zu ziehen, wenn andere Menschen getötet oder schwer verletzt werden."

Weitere Informationslücken können demnach durch Videoüberwachungskameras und versteckt am Körper getragene Kameras geschlossen werden. Der Wahrheitsgehalt solcher Videos kann durch Satellitenbilder bestätigt werden.

Heyns wies allerdings auch auf Risiken beim Gebrauch von Informationstechnologien hin. "Diejenigen, die zu Menschenrechtsverletzungen fähig sind, können leicht Emails und andere Kommunikationswege nutzen, um andere Menschen ins Visier zu nehmen und ihre Privatsphäre zu verletzen."


"Zweischneidiges Schwert"

Die Tatsache, dass Social-Media-Kanäle zur Organisation spontaner Proteste genutzt würden, könnte als bedrohlich aufgefasst werden und Überreaktionen seitens der Behörden zur Folge haben. Außerdem bestehe das Risiko, dass alles, was nicht auf Videos dokumentiert sei, nicht mehr ernst genommen werde, so Heyns. "Wir müssen uns davor hüten zu denken: 'Wenn es kein Video dazu gibt, ist es nicht passiert'."

El-Hage sprach von einem "zweischneidigen Schwert". HRF hat kürzlich berichtet, dass Aktivisten der Pro-Demokratiebewegung 'Hisham Almiraat' in Marokko und 'Waleed Abu AlKhair' in Saudi-Arabien digital überwacht und verfolgt wurden. Die Organisation reichte dem UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit eine Diskussionsschrift ein, in der dargelegt wird, wie Techniken zur Verschlüsselung und Anonymisierung im Internet die Rechte auf Privatsphäre und Meinungsfreiheit schützen können.

Nicht alle Gemeinschaften und nicht alle Teile der Welt hätten gleichermaßen Zugang zum Internet, gab Heyn zu bedenken. Diejenigen, denen diese Möglichkeit versperrt bleibe, bräuchten oft besonderen Schutz. (Ende/IPS/ck/23.06.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/06/smart-phones-new-tool-to-capture-human-rights-violations/

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IPS-Tagesdienst vom 23. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2015

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