Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → FAKTEN


MENSCHENRECHTE/317: Venezuela - NGOs fordern Ausschluss des Landes aus UN-Menschenrechtsrat (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Oktober 2015

Venezuela: NGOs fordern Ausschluss des Landes aus UN-Menschenrechtsrat


Bild: © Estrella Gutiérrez/IPS

Angehörige und Studenten tragen ein Transparent mit den Namen einiger der jungen Leute, die im Zuge der landesweiten Demonstrationen ums Leben kamen
Bild: © Estrella Gutiérrez/IPS

Caracas (IPS) - 36 internationale Nichtregierungsorganisationen haben die Menschenrechtssituation in Venezuela scharf kritisiert. Sie forderten, dass das Land seinen Sitz im UN-Menschenrechtsrat verlieren solle. Die Wahlen für die nächste Amtszeit des Rates von 2016 bis 2018 finden am 28. Oktober in der UN-Generalversammlung statt.

Der Umgang mit Menschenrechten im eigenen Land, die Weigerung, mit internationalen Menschenrechtsorganisationen zusammenzuarbeiten und das Wahlverhalten Venezuelas in den vergangenen drei Jahren im Menschenrechtsrat haben gezeigt, dass das Land für dieses Gremium nicht geschaffen sei, so die Unterzeichner. Denn Mitglieder in diesem Gremium sollten sich dadurch auszeichnen, dass bei ihnen selbst die höchsten Menschenrechtsstandards gelten.

Als Beispiele nennen die Unterzeichner das gewalttätige Niederschlagen von Protestkundgebungen durch das venezolanische Militär im Jahr 2014. Nicht nur einmal, sondern über mehrere Wochen hinweg sei so der friedliche Protest unterbunden worden. Willkürlich seien Demonstranten und Schaulustige verhaftet worden, geschlagen und gefoltert. Nach der Unterbringung im Gefängnis sei ihnen das Recht auf ein rechtmäßiges Verfahren verweigert worden.

In den vergangenen drei Jahren habe die Regierung außerdem Oppositionspolitiker verhaftet und unabhängige Kritiker mundtot gemacht. Mitarbeiter und Besitzer von kritischen Medien seien willkürlich angezeigt worden. Menschenrechtsvertreter, die den Machtmissbrauch von Polizei und Politik angeprangert hatten, seien eingeschüchtert worden.

Zu den unterzeichnenden Organisationen gehören venezolanische NGOs wie das 'Centro de Derechos Humanos de la Universidad Católica Andrés Bello', 'CIVILIS Derechos Humanos' und 'Transparencia Venezuela', außerdem weitere aus lateinamerikanischen Ländern wie die 'Coordinadora Nacional de Derechos Humanos' aus Peru, die 'Comisión Colombiana de Juristas' aus Kolumbien, die 'Asociación por los Derechos Civiles' aus Argentinien sowie internationale Organisationen wie Human Rights Watch und Transparency International.


Menschenrechtsbeobachter erhalten keinen Zutritt

Sie kritisieren in ihrem Schreiben auch, dass die venezolanische Regierung seit mehr als zehn Jahren der Interamerikanischen Menschenrechtskommission den Zugang zum Land verwehrt, und dass seit 1996 kein UN-Sonderberichterstatter das Land betreten durfte. Im Jahr 2012 ist Venezuela außerdem aus der Amerikanischen Menschenrechtskonvention ausgetreten.

Im UN-Menschenrechtsrat hat Venezuela immer wieder Resolutionen verhindert, mit denen der Rat schwere Menschenrechtsverstöße in anderen Ländern anprangern wollte, darunter Resolutionen gegenüber Weißrussland, Iran, Nordkorea, Syrien, Sri Lanka und der Ukraine. Im UN-Sicherheitsrat hat die venezolanische Regierung Maßnahmen verhindert, mit denen Menschenrechtsverletzungen im Südsudan und in Syrien verurteilt worden wären.

Sollte Venezuela wiedergewählt werden, würde dies eine gefährliche Botschaft aussenden: nämlich dass die internationale Gemeinschaft sich für die Menschenrechtsverletzungen in Venezuela nicht interessiert und dass der Menschenrechtsrat seine eigenen Prinzipien, die Menschenrechte schützen zu wollen, nicht ernst nimmt, so die NGOs.


Mehr als 500 Festnahmen

Die Massendemonstrationen in Venezuela hatten am 6. Februar 2014 in der Hauptstadt von Táchira begonnen. Dort protestierten Studierende gegen die zunehmende Kriminalität an ihrer Universität. Zuvor war eine Kommilitonin beinahe vergewaltigt worden. Die Politik reagierte überempfindlich auf die Proteste: Sie entsandte Kampfflugzeuge und Militärhubschrauber nach Táchira. Darauf folgten weitere Demonstrationen vor allem von jungen Leuten aus der Mittelschicht, die ihrer Unzufriedenheit über die häufigen Versorgungsengpässe, Korruption, Inflation und grassierende Kriminalität Luft machten. Auch wenn das Gros der Demonstrationen friedlich verlief, kam es mitunter zu Steinwürfen oder Straßenbarrikaden.

Während der mehrere Wochen andauernden gewaltsamen Konfrontationen in 30 venezolanischen Städten hatten Dutzende Menschen ihr Leben verloren. 500 wurden festgenommen.

Für die Niederschlagung der Proteste war in erster Linie die Bolivarische Nationalgarde zuständig, eine für die innere Sicherheit des 28 Millionen Einwohner zählenden Landes abgestellte Sondereinheit, die sich mit Chiles Carabinieri oder der spanischen Guardia Civil vergleichen lässt. Sie untersteht wie Heer, Marine und Luftwaffe den venezolanischen Streitkräften, die insgesamt 135.000 aktive Mitglieder zählen.

Innerhalb der Nationalgarde hatte sich im Zusammenhang mit den politischen Unruhen die Volksgarde hervorgetan, die 2011 von dem damaligen Präsidenten Hugo Chávez (1954-2013) zur Bekämpfung der Kriminalität ins Leben gerufen worden war. Ebenfalls bei Demonstrationen eingesetzt wird die 2009 geschaffene Nationale Bolivarische Polizei. Dazu sind die regionalen und kommunalen Polizeieinheiten nicht befugt, die zum Teil oppositionellen Bürgermeistern unterstehen. (Ende/IPS/jk/26.10.2015)


Link:

http://www.hrw.org/news/2015/10/22/venezuela-unfit-new-human-rights-council-term

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. Oktober 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang