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MENSCHENRECHTE/320: Sri Lanka - Ex-Separatisten nach Kriegsende in geheimem Militärgefängnis gefoltert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2015

Sri Lanka: Ex-Separatisten nach Kriegsende in geheimem Militärgefängnis gefoltert

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Auch mehr als sechs Jahre nach Ende des Bürgerkriegs ist das Schicksal vieler Vermisster in Sri Lanka noch ungeklärt
Bild: © Amantha Perera/IPS

COLOMBO (IPS) - Die Existenz eines Geheimgefängnisses auf einer Marinebasis, in dem nach Ende des Bürgerkriegs Mitglieder und Sympathisanten der Separatistenbewegung 'Befreiungstiger von Tamil Eelam' (LTTE) festgehalten wurden, ist in Sri Lanka bereits seit einiger Zeit bekannt. Nach und nach kommen aber weitere schreckliche Einzelheiten zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ans Licht der Öffentlichkeit.

Im Juni dieses Jahres hatte die in Südafrika ansässige Organisation 'International Truth and Justice Project, Sri Lanka' (ITJPSL) einen 134 Seiten umfassenden Bericht über frühere und weiterhin andauernde Menschenrechtsverstöße in dem südasiatischen Inselstaat veröffentlicht. Familienangehörige hätten nichts über den Verbleib von Vermissten erfahren, geht aus dem Report 'An Unfinished War: Torture and Sexual Violence in Sri Lanka 2009 - 2014' hervor.

Befragte Zeugen erklärten demnach, sie seien nach dem Sieg der Armee über die LTTE 2009 über Jahre auf dem Militärstützpunkt 'Trincomalee' im Osten Sri Lankas festgehalten worden. "Sie wurden gemeinsam mit Dutzenden weiterer Menschen auf der Marinewerft gefangen gehalten. Möglicherweise gab es auf dem weiträumigen, vom Marinegeheimdienst kontrollierten und nach außen abgeschirmten Gebiet noch mehr Häftlinge."


Monatelange Quälereien

Viele ehemalige Gefangene berichteten, gefoltert worden zu sein. Sie hatten dem Bericht zufolge keinen Zugang zu Rechtsanwälten, Menschenrechtsgruppen oder dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das bekannte Gefangenenlanger besichtigt.

"Ein Zeuge hat angegeben, an diesem geheimen Ort über Monate verhört und wiederholt misshandelt worden zu sein. Er hörte Schreie anderer Folteropfer und sah Blutspuren, die von diesen Misshandlungen herrührten", heißt es weiter. Die Häftlinge wurden demnach getreten, verprügelt und mit Plastikrohren geschlagen, während sie oftmals kopfüber an einem Seil aufgehängt waren. Andere wurden mit Kricketschlägern traktiert, tagelang in kleine Kisten gesperrt und mit Zigaretten verbrannt. Manchen wurden Zehennägel und Zähne ausgerissen. Einer der Gepeinigten erklärte außerdem, sexuell missbraucht worden zu sein.

Laut dem Report wurden die Gefangenen erst an andere Orte verlegt, nachdem ihre Angehörigen hohe Summen an Bestechungs- oder Lösegeld bezahlt hatten. Ihnen wurde eingeschärft, keine Einzelheiten über das Geheimgefängnis publik zu machen. Der ITJPSL-Bericht enthält auch mit Hilfe von Google Earth erstellte Landkarten, auf denen zu sehen ist, dass das Gefängnis mitten in dem weiträumigen Marineareal lag.


Ehemalige Regierung zunehmend unter Druck

Die ehemalige Regierung von Präsident Mahinda Rajapaksa ist wachsender Kritik an ihrem Umgang mit Menschenrechten seit dem Kriegsende im Mai 2009 ausgesetzt. Alle Anschuldigungen wurden bisher jedoch als leere Gerüchte zurückgewiesen. Die frühere Regierung streitet zudem ab, dass es jemals geheime Gefängnisse gegeben habe. Mehrere Menschenrechtsorganisationen sind laut dem Bericht jedoch fest davon überzeugt, dass Dutzende solcher Lager existiert haben.

Die neue Regierung von Staatschef Maithripala Sirisena und Ministerpräsident Ranil Wickremasinghe arbeitet mittlerweile auch mit der internationalen Staatengemeinschaft zusammen, um die Vorwürfe zu klären. Im März dieses Jahres kündigte Außenminister Mangala Samaraweera vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf an, dass die UN-Arbeitsgruppe über gewaltsame Verschleppungen nach 15 Jahren wieder Sri Lanka besuchen werde.

Vom 9. bis 18. November besichtigte diese Gruppe in Anwesenheit ihres Vize-Vorsitzenden Bernard Duhaime das Lager auf der Marinebasis Trincomalee und zwölf unterirdische Zellen, in denen in der Vergangenheit heimlich Menschen gefangen gehalten wurden. Aus einem vorläufigen Bericht geht hervor, dass sie sich auch mit Ermittlern trafen, die das Schicksal von elf Personen untersuchen, die 2008 aus der Hauptstadt Colombo verschleppt und nach Trincomalee gebracht wurden.

"Wir gehen davon aus, dass es sich um eine wichtige Entdeckung handelt, die eingehend untersucht werden muss. Wahrscheinlich wurden in dem Gefängnis noch wesentlich mehr Menschen festgehalten, als bisher bekannt ist", erklärte Ariel Dulitzky, ein Mitglied der Arbeitsgruppe. Daten, die Häftlinge an die Wände geschrieben hätten, ließen darauf schließen, dass dort etwa ab dem Jahr 2010 Menschen gefangen gehalten worden seien. Die Besucher hätten auch Flecken gesehen, bei denen es sich um Blut handeln könnte. Die unterirdischen Zellen seien ehemalige Waffenlagerräume der Armee gewesen.


UN: Menschenleben hätten gerettet werden können

Das UN-Untersuchungsteam kam anhand der auf den Wänden entzifferten Daten zu dem Schluss, dass Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn nach ersten Gerüchten über die Existenz des Geheimgefängnisses Ermittlungen eingeleitet worden wären. Die Arbeitsgruppe machte keine Angaben darüber, ob das geheime Zentrum inzwischen geschlossen wurde.

Wie die Rajapaksa-Regierung und die Marine stritten auch Sirisena und Wickremasinghe nach ihrem Amtsantritt im Januar 2015 zunächst ab, dass es geheime Gefängnisse gegeben habe oder immer noch gebe. Eine Präsidialkommission, die Fällen vermisster Personen nachgeht, erklärte, bei den seit 2011 stattfindenden öffentlichen Sitzungen niemals über solche Einrichtungen informiert worden zu sein. Ob die Regierung jetzt aufgrund der Erkenntnisse der UN-Gruppe eine offizielle Untersuchung einleiten wird, ist bislang nicht bekannt. (Ende/IPS/ck/30.12.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/12/un-discovery-of-secret-detention-centre-reopens-all-nightmares/

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IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2015

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