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MILITÄR/900: Abrüstung - UN-Waffenhandelsabkommen schleppt sich ins große Finale (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Juli 2011

Abrüstung: UN-Waffenhandelsabkommen schleppt sich ins große Finale

Von Thalif Deen


New York, 18. Juli (IPS) - Nach sechsjährigen Verhandlungen bereitet sich die internationale Staatengemeinschaft auf die Unterzeichnung des globalen Waffenhandelsabkommens (ATT) im Juli 2012 vor. Doch einige entscheidende Punkte müssen noch geklärt werden.

"Die Regierungen haben gewaltige Fortschritte auf dem Weg zu dieser wichtigen Übereinkunft gemacht", sagte Natalie Goldring von Zentrum für Friedens- und Sicherheitsstudien an der Georgetown Universität in Washington. Man wolle vor allem sicherstellen, dass Waffengeschäfte nicht gegen humanitäres Völkerrecht und Menschenrechtsbestimmungen verstießen, erklärte Goldring, die die Vertragsverhandlungen seit 2006 verfolgt, im Gespräch mit IPS.

Die Wissenschaftlerin sieht das Beschlussverfahren als eines der Haupthindernisse. Die USA bestünden auf einem umfassenden Konsens, kritisierte sie. Dies hätte zur Folge, dass ein einzelner Staat den Prozess unterminieren oder sogar zum Scheitern bringen könnte. Bislang jedoch sieht der Expertin zufolge alles danach aus, dass das Abkommen zu einem guten Abschluss gebracht wird.

Die jüngsten Beratungen am Sitz der Vereinten Nationen in New York drehten sich in erster Linie um die Frage, wie sich das Abkommen am besten umsetzen ließe. Der Vertrag soll ein "umfassendes und rechtlich bindendes Instrument" sein, das "gemeinsame internationale Standards für den Import, Export und den Transfer konventioneller Waffen" festlegt.


Kritik an deutschen Waffengeschäften

Nach Ansicht von Jeff Abramson von dem unabhängigen Bündnis 'Control Arms Secretariat' sind scharfe internationale Waffenkontrollen heute notwendiger denn je. So verwies er in diesem Zusammenhang auf Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die sich auf Waffengeschäfte mit Ländern einließen, in denen die Menschenrechte missachtet werden.

"Man kann nicht zu den Treffen für ein ATT kommen, ein globales Waffenhandelsabkommen befürworten und dann gleichzeitig Waffengeschäfte betreiben, die unverantwortlich sind", monierte Abramson. "Wir brauchen Länder, die auf einen Vertrag 'mit Biss' hinarbeiten, der grundlegende Veränderungen ermöglichen wird." Jedes Jahr müssten Tausende Menschen sterben, weil der Waffenhandel nicht ausreichend reglementiert sei.

Annalisa Giannella vom Europäischen Auswärtigen Dienst, die für die EU-Staaten sprach, betonte auf dem Treffen, dass die Europäische Union nur dann mit einem Erfolg von ATT rechne, wenn Transparenz gewahrt werde. Die Überprüfbarkeit des internationalen Waffenhandels ließe sich ihrer Meinung nach dadurch gewährleisten, dass die EU-Mitgliedsstaaten einander regelmäßig über die Umsetzung des Abkommens Bericht erstatteten. Die EU habe im Laufe der Zeit wirksame Kontrollinstrumente entwickelt und sei bereit, dieses Wissen mit anderen zu teilen, so Giannella.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) nahm in einer Stellungnahme die Waffenhändler aufs Korn. Ohne konkrete Maßnahmen gegen die skrupellosen Aktivitäten der Händler werde das Waffenhandelsabkommen wirkungslos bleiben, hieß es. Auch betonte das IKRK, dass Waffenhändler häufig von Ländern aus operieren, in denen wenige oder gar keine Kontrollen stattfinden.


USA kommen Staatengemeinschaft allmählich entgegen

Bereits 2006 hatte die UN-Vollversammlung den Entwurf eines Vertrags zur Regulierung des Waffenhandels angemahnt. Zugleich wurde jedoch allen Mitgliedsstaaten zur Selbstverteidigung das Recht auf Produktion, Import, Export, Transfer und Lagerung konventioneller Waffen eingeräumt. Die UN-Vollversammlung beauftragte eine Gruppe von Regierungsvertretern damit, die Aussichten für ein globales Abkommen zu evaluieren.

Lediglich die USA votierten damals gegen die Entscheidung. Seit dem Amtsantritt des demokratischen Präsidenten Barack Obama nimmt Washington eine andere Position in dieser Frage ein und ist für Verhandlungen. Goldring wirft den USA jedoch vor, bei wichtigen Punkten des Abkommens zurückzurudern. So sprach sich die US-amerikanische Delegation gegen die Aufnahme von Munition in das geplante Abkommen aus. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://cpass.georgetown.edu/
http://www.un.org/disarmament/convarms/ATTPrepCom/
http://www.controlarms.org/
http://www.eeas.europa.eu/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56488

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Juli 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2011