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REDE/920: Merkel - Regierungserklärung zu den Ergebnissen des EU-Rates Anfang Februar, 21.02.13 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zu den Ergebnissen des Europäischen Rates am 7./8. Februar 2013 in Brüssel vor dem Deutschen Bundestag am 21. Februar 2013 in Berlin:



Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auf dem letzten Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs haben wir uns im Kreis aller 27 Mitgliedstaaten auf den Finanzrahmen der Europäischen Union für die Jahre 2014 bis 2020 geeinigt. Ich glaube, das ist ein in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzendes Ergebnis, und ehrlich gesagt haben nur wenige dieses Ergebnis für möglich gehalten, weil vor dem Rat die Positionen noch sehr weit auseinanderlagen.

Es hat sich gezeigt: Ja, es war richtig, dass wir im November nicht schon eine Notlösung gewählt haben - mit einer nicht vollständigen Mehrheit, bei der dann zum Beispiel Großbritannien nicht dabei gewesen wäre. Ich kann auch sagen: Ja, es war ein hartes Stück Arbeit, diese Einigung aller 27 jetzt zu erzielen. Aber diese Anstrengung hat sich gelohnt.

Heute haben wir ein Ergebnis vor uns, das sich sehen lassen kann. Wir haben eine Einigung im Kreis aller 27 gefunden, weil der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, die Verhandlungen sehr klug geführt und die Kommission uns mit ihrem Entwurf auch die richtigen Leitprinzipien vorgegeben hatte. Wir haben eine Einigung im Kreis aller 27 gefunden, weil sich alle 27 Staats- und Regierungschefs auf eine Tugend besonnen haben, ohne die Europa nicht Europa wäre, nämlich auf die Bereitschaft aller zum Kompromiss im Interesse aller.

Ich glaube, das ist das Wesen der europäischen Einigung schon seit Verabschiedung der Römischen Verträge vor einem halben Jahrhundert. Das genau ist seither auch die einzigartige Erfolgsgeschichte dieser europäischen Idee.

Im November des vergangenen Jahres wurde ich noch von vielen gefragt, warum wir bereits Anfang 2013 für einen Haushalt, der erst 2014 in Kraft treten soll, eine Einigung anstreben. Ich glaube, der Grund liegt auf der Hand. Denn mit der Einigung können wir die Entwicklung für mehr Wettbewerbsfähigkeit verstärken. Wir verstärken damit auch die Entwicklung für eine nachhaltige Stabilisierung des Euro, und wir setzen damit ein klares Signal, dass wir auch wieder zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigung kommen. Jeder versteht, dass das in der augenblicklichen Zeit von überragender Bedeutung ist.

Was ist das Wichtige? Das Wichtige ist, dass der Abschluss der Finanzverhandlungen jetzt Planbarkeit und Planungssicherheit schafft, und zwar für alle. Denn die europäischen Mittel sind ja gerade für die Mitgliedstaaten so dringend notwendig, die im Augenblick harte Einsparungen vornehmen, die Strukturreformen durchführen müssen, und sie sind für die Mitgliedstaaten so wichtig, die Aufholprozesse zu leisten haben.

Die christlich-liberale Bundesregierung hat in den Verhandlungen für den künftigen Finanzrahmen auf ein Ergebnis hingearbeitet, das den Realitäten von heute Rechnung trägt und den Anforderungen von morgen gerecht wird. Ich möchte allen danken, die daran mitgearbeitet haben. Das waren alle Ressorts, aber ganz besonders natürlich das Auswärtige Amt.

Wir hatten vier zentrale Verhandlungsziele, die uns geleitet haben. Ich bin dankbar, dass diese vier Ziele auch von so vielen Abgeordneten des Deutschen Bundestages geteilt wurden. Ich darf heute sagen, dass wir alle vier Verhandlungsziele erreicht haben.

Erstens. Die Obergrenze des neuen Finanzrahmens liegt mit rund 960 Milliarden Euro auf einer aus meiner Sicht vernünftigen Begrenzung von eins Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Damit wird der EU-Finanzrahmen der erste Rahmen sein, der keinen Aufwuchs gegenüber der letzten Finanzperiode verzeichnet, wenn wir von inflationsbereinigten Zahlen sprechen. Man muss wissen, dass in der europäischen Realität die Haushalte jährlich um zwei Prozent als eine angenommene mittlere Inflationsrate erhöht werden. Aber inflationsbereinigt gibt es keinen Aufwuchs.

Ich glaube, damit trägt der Haushalt den heutigen Realitäten Rechnung; denn er bildet genau das ab, was wir in den Mitgliedstaaten angesichts massiver Konsolidierungszwänge leisten können. Schließlich befinden sich von den 27 Staaten im Augenblick 20 Mitgliedstaaten in einem Defizitverfahren.

Ich sage es ganz unmissverständlich: Es wäre niemandem in Europa - weder in den von der Krise betroffenen Staaten noch in den Staaten, die die Hauptlast der Solidarität zu tragen haben - vermittelbar gewesen, wenn alle in Europa sparen müssten, nur Europa selbst nicht. Kein Bürger brächte dafür auch nur einen Funken Verständnis auf, und zwar zu Recht. Denn die Obergrenze des Haushalts jetzt ist auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Ich weiß, dass wir jetzt noch das Europäische Parlament davon überzeugen müssen. Dazu machen wir dem Europäischen Parlament zwei weitgehende Angebote.

Zum einen haben wir uns darauf verständigt, gemeinsam mit dem Parlament nach neuen Wegen der Flexibilität zwischen den Haushaltsjahren und zwischen den Rubriken zu suchen; denn natürlich muss die Europäische Union ihre eingegangenen Zahlungsverpflichtungen auch wirklich einhalten können. Ich mache keinen Hehl daraus, dass mir und auch anderen dieser Schritt nicht leichtgefallen ist; denn er bedeutet im Klartext, dass wir genauso wie die anderen Mitgliedstaaten nicht mehr mit Rückflüssen aus den nicht ausgegebenen EU-Mitteln rechnen können, zumindest nicht mehr in dem Ausmaß, wie das in den vergangenen Jahren immer der Fall war. Aber ich halte diesen Schritt für richtig und für geboten.

Zum anderen haben wir eine Überprüfungsklausel vereinbart, die während der Finanzperiode eine Anpassung des Finanzrahmens erlauben könnte. Das halte ich schon deshalb für richtig, weil wir im Augenblick in einer Zeit sehr großer Ungewissheiten sind und daher ein siebenjähriger Haushalt eine lange Wegstrecke darstellt. Deshalb können wir uns nach der Europawahl durchaus eine solche Überprüfung vorstellen.

Die Kürzungen, die notwendig sind, werden mit Augenmaß vorgenommen. Dadurch werden Spielräume für die Modernisierung und die Zukunftsausrichtung des Finanzrahmens geschaffen. Ich weiß, dass es noch harte Diskussionen mit dem Europäischen Parlament geben wird. Das liegt in der Natur der Sache. Ich will nur auf eines hinweisen: Ohne Einigung des Europäischen Rates gäbe es im Parlament überhaupt keine Entscheidungsgrundlage. Insofern sind wir alle gemeinsam gut beraten, auch hier nicht vorrangig das Trennende zu sehen, sondern uns auf das Verbindende zwischen Rat und Parlament zu konzentrieren.

Deutschland hat auch sein zweites zentrales Verhandlungsziel erreicht; denn der neue Finanzrahmen ist stärker als der alte Finanzrahmen auf Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung ausgerichtet. Gemeinsam haben wir erreicht, dass die Ausgaben für die Wettbewerbsfähigkeit und die Forschung insgesamt gegenüber der aktuellen Periode von heute 91,5 Milliarden Euro auf rund 125,6 Milliarden Euro, das heißt um 37,3 Prozent, ansteigen.

Gemeinsam haben wir erreicht, dass die Ausgaben für das Forschungsprogramm "Horizont 2020" und für das wichtige Austausch- und Bildungsprogramm ERASMUS für alle gegenüber dem Niveau von 2013 real zunehmen werden, und zwar um mindestens 20 Prozent. Das sind gute Nachrichten für die Studierenden, es sind gute Nachrichten für den Forschungsstandort Europa und damit auch gute Nachrichten für die Zukunft Europas.

Gemeinsam haben wir erreicht, dass auch die sogenannte Connecting Europe Facility, also die für die Transport- und Energienetze, in die investiert werden muss, besser ausgestattet wird. Das sind Instrumente, die genau dafür geschaffen wurden, neue Verbindungen im Bereich der Energie und der Transporte herzustellen. Hierfür gibt es 29,3 Milliarden Euro. Das ist ein Aufwuchs um mehr als 50 Prozent gegenüber der laufenden Finanzperiode. Das ist eine absolut richtige, notwendige, aber auch gute Investition in die Zukunft.

Für diese Schwerpunktsetzung waren Umschichtungen im Finanzrahmen unumgänglich. Deshalb wird der Anteil der Agrarpolitik am Gesamtfinanzrahmen weiterhin nur zurückhaltend, aber dennoch kontinuierlich abnehmen. Es war uns dabei sehr wichtig, sowohl bei den Direktzahlungen als auch in der ländlichen Entwicklung Brüche zu vermeiden. Zudem wird die Ausgabenpolitik im Agrarbereich modernisiert, umweltfreundlicher gestaltet und zwischen den Mitgliedstaaten ausgeglichen. Das heißt, dass die mittel- und osteuropäischen Länder jetzt stärker berücksichtigt werden, als das in der letzten Finanzperiode der Fall war.

Insgesamt werden auch die Mittel für die Strukturfonds zurückgehen. Das ist der Sache nach konsequent, da auch die Zahl der bedürftigen Regionen EU-weit erfreulicherweise zurückgegangen ist. Wir haben schließlich durch die Investitionen in der Vergangenheit vieles erreicht.

Die neuen Bundesländer sind aufgrund ihrer erfolgreichen Entwicklung aus der Höchstförderung herausgefallen. Aber wir konnten erreichen, dass für sie ein Sicherheitsnetz von 64 Prozent geschaffen wird. Damit steht weiterhin ein sehr guter Rahmen für Investitionen, Arbeitsplätze, Forschung und Qualifikation bereit. Das wird von den neuen Ländern genauso gesehen, im Übrigen auch parteiübergreifend so gesehen.

Zudem kommt allen Ländern zugute, dass nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuerausgaben bei der Förderung berücksichtigt werden. Dies war eine ganz wichtige Forderung der Kommunen, weil damit mehr Investitionsmittel zur Verfügung stehen.

Schließlich haben wir erreicht, dass darauf hingewiesen wird, dass es notwendig ist, insbesondere für die ostbayerischen Landkreise entlang der tschechischen Grenze Beihilferegelungen anzustreben, die die Brüche zwischen der Tschechischen Republik und Bayern nicht zu groß werden lassen.

Die Gegebenheiten sind unterschiedlich, und man muss an alles denken. Was ich jetzt sage, ist wichtig; deshalb bitte ich trotz der Freude über die Zukunft der ostbayerischen Landkreise noch einmal um ein klein wenig Konzentration.

Trotz genereller Kürzungen bei den Strukturfonds werden wir mit Sonderzahlungen die Strukturförderung auch in einzelnen Mitgliedstaaten unterstützen; das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben die Strukturfonds also nicht nur nach allgemeiner Aufschlüsselung verteilt, sondern wir haben gesagt: Für diejenigen Länder, die besonders von der Krise betroffen sind, brauchen wir zusätzliche Strukturfondsmittel. Hiervon werden Spanien, Griechenland, Italien und Portugal profitieren.

Die Programmländer - auch das ist ganz wichtig - erhalten allesamt bessere Kofinanzierungsmöglichkeiten. Das heißt, der Kofinanzierungsanteil wird geringer sein, damit sie die europäischen Mittel auch wirklich in Anspruch nehmen können. Ich denke, auch das ist ein ganz wichtiger Schritt.

Wichtig ist nun das dritte Verhandlungsziel, das wir auch umgesetzt haben, nämlich die Ausgabenpolitik insgesamt effizienter zu gestalten; denn gerade in Zeiten knapper Kassen kommt es darauf an, jeden Euro gezielt auszugeben, sodass er einen Mehrwert hat. Wenn wir kritisch auf die vergangenen Finanzperioden zurückblicken, dann müssen wir sagen: Nicht in jedem Falle war das so. Deshalb hat Deutschland zusammen mit anderen EU-Partnern die Initiative "Better Spending", also eine bessere Ausgabenqualität, verankert. Ich danke dem Deutschen Bundestag, dass die Mehrheit hier in diesem Hause sich ganz bewusst dafür eingesetzt hat. Das konnten wir so auch durchsetzen.

Wir haben jetzt einen Zusammenhang hergestellt zwischen dem Zugang zu Finanzmitteln aus europäischen Fördermöglichkeiten und der Erfüllung der makroökonomischen Auflagen aus dem Stabilitätspakt. Das heißt, europäische Mittel werden die Mitgliedstaaten in Zukunft stärker dabei unterstützen, die notwendigen Reformauflagen wirklich durchzuführen. Oder, um es andersherum zu sagen: Wer die notwendigen makroökonomischen Reformauflagen aus dem neu geschaffenen Stabilitätspakt nicht erfüllt, dessen Mittel können leichter ausgesetzt werden. Damit gibt es einen Hebel, die notwendigen Reformen auch tatsächlich durchzuführen.

Wir werden bei der Strukturpolitik im Übrigen in Zukunft den Sachverstand der Europäischen Investitionsbank stärker nutzen - auch das ist wichtig -; denn diese Bank hat eine erhebliche Expertise. Ich erinnere daran, dass die Bedeutung der Europäischen Investitionsbank auch durch unsere gemeinsame Verabredung zur Stärkung des Kapitals der Investitionsbank gestärkt wurde. Deshalb ist diese Verbindung außerordentlich wichtig, zumal die Kofinanzierung in vielen Ländern mit einer schwierigen Finanzsituation zum Teil auch noch über die EIB abgewickelt wird. Deshalb haben wir hier einen Zusammenhang hergestellt.

Die europäischen Mitgliedstaaten werden jetzt alle zwei Jahre politisch überprüfen, ob die Mittelverwendung auch wirklich auf Ziele der EU-Wachstumsstrategie ausgerichtet ist oder ob Korrekturen notwendig sind. Es geht also nicht sieben Jahre einfach so weiter, wie man es begonnen hat, sondern es gibt einen Check, ob das Ganze auf dem richtigen Weg ist. Das heißt, wir können genau auf diesem Wege erreichen, dass Mittel gezielter für Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit verwendet werden.

Das ist ja auch unverzichtbar, wenn wir uns einmal die Probleme vor Augen führen, vor denen wir stehen. Deshalb haben wir auch ein besonders drängendes Problem, nämlich die hohe Jugendarbeitslosigkeit in viel zu vielen Ländern der Europäischen Union, angepackt und in dem Wissen etwas getan, dass Jugendarbeitslosigkeit den jungen Menschen eine gute Zukunft buchstäblich versperrt. Wir dürfen uns damit niemals abfinden.

Deshalb haben wir zusätzlich zu dem, was wir schon im vergangenen Jahr geleistet haben, gesagt: Wir bleiben dabei nicht stehen, sondern wir werden unsere europäischen Anstrengungen verstärken und haben einen neuen Fonds in Höhe von sechs Milliarden Euro vereinbart, der den Regionen zur Verfügung steht, in denen die Jugendarbeitslosigkeit über 25 Prozent liegt. Das heißt, die Mittel kommen unter anderem Spanien, Italien, Griechenland und Portugal zugute. Sie haben in den letzten Tagen sehen können, dass Spanien daraus bereits ein Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit konstruiert hat, und so werden weitere folgen.

Jetzt wird es darauf ankommen, dass zusammen mit der Kommission und den Arbeitsministern sehr schnell festgelegt wird, wie dieses Geld ausgegeben werden kann. Ich denke, wir Deutschen haben hier sehr gute Erfahrungen auch aus der Arbeit in den neuen Bundesländern. Das heißt, wir müssen schauen, dass wir Jugendarbeitslosigkeitsprogramme auflegen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch wirklich in dauerhafte Arbeitsplätze münden. Auch müssen wir sehen - die Voraussetzungen dafür sind geschaffen -, dass dieses Geld nicht in sieben Jahresscheiben abfließt, sondern dass wir viel Geld am Anfang investieren, um die Jugendarbeitslosigkeit schnell zu bekämpfen. Ich glaube, das ist eine sehr gute Sache, und mit sechs Milliarden Euro kann man an dieser Stelle auch wirklich etwas bewegen.

Gleichzeitig haben wir vereinbart, dass wir im Bereich der sogenannten grenzüberschreitenden Mobilität - zu Deutsch: wenn jemand aus einem anderen Mitgliedstaat zum Beispiel in Deutschland oder in einem anderen Land, das Arbeitskräfte sucht, eine Arbeit aufnehmen will oder eine Ausbildung erhalten möchte - die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen. Deutschland bietet, wo immer es gewünscht wird - das ist jetzt in vielen europäischen Ländern so -, Hilfestellungen bei der dualen Berufsausbildung an; denn die duale Berufsausbildung - das hat sich inzwischen in Europa herumgesprochen - ist der Schlüssel für eine dauerhafte Beschäftigung junger Leute. Hier werden wir alles, was in unserer Macht steht, tun, um hilfreich zu sein.

Wir haben mit der Einigung von Brüssel ein viertes zentrales Verhandlungsziel erreicht, nämlich dass die Starken in die Pflicht genommen werden und gleichzeitig Fairness zwischen den verschiedenen Nettozahlerstaaten hergestellt wird. Aufgrund der wirtschaftlichen Kraft Deutschlands wird Deutschland auch weiterhin der größte Nettozahler bleiben. Unsere Nettolast wird in Zukunft, relativ gesehen, sogar höher sein als in der Vergangenheit. Dabei ist es uns jedoch gelungen, eine faire Lastenverteilung zwischen den Nettozahlern zu erreichen.

Den Gedanken, dass wir die Starken in die Pflicht nehmen und Fairness herstellen, lebt Deutschland ja nicht erst seit der Krise; aber in der Krise wird die Bedeutung dieses Gedankens noch einmal ganz offensichtlich. Dieser Gedanke leitet uns, wenn wir mit unserer ganzen Kraft als größte und stärkste Volkswirtschaft Europas für die Bewältigung der Krise im Euro-Raum kämpfen. Wir wollen, dass diese Krise nicht einfach von Europa nur überstanden wird, sondern wir wollen, dass Europa stärker aus dieser Krise herauskommt, als es in diese Krise hineingekommen ist. Da wir das in Deutschland geschafft haben, sind wir fest davon überzeugt, dass wir genau das auch in Europa schaffen können.

Wir tun das in dem Bewusstsein, dass Deutschland eine besondere Verantwortung für eine gute Zukunft der Europäischen Union hat. Wir tun dies, weil wir wissen, dass unsere gute Zukunft mit der Zukunft der Europäischen Union insgesamt eng verknüpft ist, und wir tun dies in der Überzeugung, dass Europa nur so in der globalen Welt auch in Zukunft seine Werte und seine Interessen behaupten kann.

Es war deshalb auch unverzichtbar, dass wir auf dem Europäischen Rat nicht nur über die mittelfristige finanzielle Vorausschau gesprochen haben, sondern auch über die Handelspolitik der Europäischen Union. Dabei ist unser mit Abstand wichtigstes Zukunftsprojekt ein Freihandelsabkommen mit den USA. Die Verhandlungen dazu sollen im ersten Halbjahr dieses Jahres aufgenommen werden, und die Bundesregierung wird diesen Prozess nachhaltig unterstützen.

Das Ganze knüpft an an viele Initiativen, die immer wieder unternommen wurden, aber ganz besonders an eine aus unserer Präsidentschaft im Jahre 2007, als mit dem Transatlantischen Wirtschaftsrat bereits ein ganz wichtiger Schritt zur Vertiefung der Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa gemacht wurde.

Ich bin zutiefst davon überzeugt: Ein gemeinsamer transatlantischer Markt liegt im europäischen, aber auch ganz besonders im deutschen Interesse, und zwar nicht nur, weil wir damit Handelshemmnisse und Zölle abbauen können - das ist notwendig insbesondere angesichts der Tatsache, dass die multilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO nicht so vorangehen, wie wir es uns gewünscht hätten -, sondern auch, weil wir dabei gemeinsame Standards entwickeln können. Wir alle wissen: Gerade bei den Zukunftstechnologien wird es entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg sein, ob wir die maßgebenden Normen und Standards wirklich setzen können - wir: die Europäische Union zusammen mit den Vereinigten Staaten von Amerika -; denn wenn wir das nicht tun, dann werden es andere auf der Welt tun, und zwar zu ihren Arbeits- und Produktionsbedingungen, die zum Teil weit entfernt von unseren Wertvorstellungen sind. Deshalb ist das ein ganz wichtiges Projekt.

Es ist also nicht nur einfach ein Abkommen, sondern es ist ein wirkliches Wachstumsprojekt. Jeder, der sich mit diesen Dingen beschäftigt, weiß, dass auf beiden Seiten die Wachstumsraten steigen könnten. Es erspart dazu noch viel Doppelarbeit, viel Zeit und viel Geld.

Wir können heute ein positives Fazit ziehen: Deutschland hat seine vier zentralen Verhandlungsziele erreicht. Die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs für einen neuen EU-Finanzrahmen sind weitreichend. Sie werden die Europäische Union auf ihrem Weg zu mehr Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit stärken. Sie werden die Verteilung der Finanzmittel hin zu mehr Wachstum, mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Beschäftigung ausrichten. Und sie sind im Interesse aller 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Vor allem: Sie werden den Menschen in Europa dienen.

So sind sie eine hervorragende Grundlage für die nun folgenden Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament. Uns alle - Europäischen Rat wie Europäisches Parlament wie Deutschen Bundestag - eint dabei das gemeinsame Ziel, ein starkes und wettbewerbsfähiges Europa zu gestalten und vor allen Dingen ein Europa zu gestalten zum Wohle der 500 Millionen Europäerinnen und Europäer. Das ist jede Mühe und jede Anstrengung wert.

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Quelle:
Bulletin 18-1 vom 21.02.2013
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2013