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SICHERHEIT/118: "Händler des Todes" entwischen dem Radar des UN-Waffenkontrollabkommens (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. März 2013

Rüstung: 'Händler des Todes' entwischen dem Radar des UN-Waffenkontrollabkommens

von George Gao



New York, 28. März (IPS) - Als Drahtzieher illegaler Waffendeals hat sich Viktor Bout einen zweifelhaften Ruf erworben. Als er noch gut im Geschäft war, nannte man ihn 'Händler des Todes', 'Sanktionen-Brecher' und 'Herr des Krieges'. Inzwischen sitzt Bout, der Waffenlieferanten mit ihren Kunden zusammenbrachte, nach seiner Auslieferung 2010 in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Illinois.

Die UN-Mitgliedsstaaten wollen mit einem internationalen Abkommen den Waffenhandel reglementieren. Die Übereinkunft soll helfen, einen Wirtschaftszweig zu kontrollieren, der weltweit Billionen Dollar Gewinn macht. Zudem soll der Einsatz von Waffen zu Menschenrechtsverletzungen eingedämmt werden. Bei den Gesprächen am UN-Hauptsitz in New York vom 18. bis 28. März kam das Thema Waffenvermittlung jedoch kaum zur Sprache.

Kathi Lynn Austin, Exekutivdirektorin des unabhängigen 'Conflict Awareness Project' sprach von einer "unheilvollen" Atmosphäre, als sie über die Beziehungen zwischen Regierungen und Vermittlern von Waffendeals referierte. "Regierungen in aller Welt sind abhängig von solchen Vermittlern, um nationale Sicherheitsoperationen durchzuführen", sagte Austin. Sie hätten einen entscheidenden Anteil daran, dass die Geschäfte zu Stande kämen. Wenn nun überlegt werde, die Vermittler in das Abkommen einzubeziehen und auf diesem Weg strengere Kontrollen anzustreben, drohe man in ein Wespennest zu stechen.


Mehrzahl der UN-Staaten ohne eigene Gesetze zu Waffengeschäften

Brian Wood von der Organisation 'Amnesty International' kritisiert das Fehlen nationaler und internationaler Regelungen in diesem Bereich. Mehr als zwei Drittel aller UN-Staaten haben demnach keine eigenen Gesetze, die den Umgang mit Waffenvermittlern regeln.

Der letzte Entwurf des Waffenhandelskontrollabkommens ATT enthält lediglich einen kleinen Paragraphen über die Vermittlung von Waffengeschäften, in dem es heißt, dass "jeder Vertragsstaat Maßnahmen im Einklang mit seinen nationalen Gesetzen ergreifen soll, um die Waffenvermittlung unter seiner Jurisdiktion zu regeln". Wie Wood kritisierte, sind solche Geschäfte allerdings in den Ländern, die keine entsprechenden Gesetze hätten, ohnehin niemals illegal.

Laut Andrew Feinstein, dem Autor des Buches 'The Shadow World: Inside the Global Arms Trade', sind einzelne Waffenhändler eng mit Regierungen, Geheimdiensten und Vertretern der Rüstungsindustrie verbunden. Viele Staaten und Unternehmen nutzten Waffenvermittler, um Schmiergelder weiterzuleiten oder andere zwielichtige Aktivitäten voranzutreiben. "So gut wie jeder Vermittler, der an illegalen Waffengeschäften in großem Stil beteiligt ist, wird irgendwann von Geheimdiensten kontaktiert. Diese geheimen Absprachen hätten sich möglicherweise auch auf die ATT-Verhandlungen ausgewirkt.

"Rüstungsunternehmen und der Verteidigungssektor haben eine enorme Macht", sagte Feinstein, ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in Südafrika. Sie hätten einen einzigartigen Zugang zu den Regierungen und verschafften sich durch ihren Einfluss auf sie Gehör.

Großbritannien habe zwar einige der in New York diskutierten scharfen Maßnahmen zur Waffenkontrolle befürwortet. Allerdings bediene sich dieses Land zahlreicher zwischengeschalteter Vermittler, um die illegalen Geschäfte abzuwickeln. "Ich denke, dass Großbritannien Maßnahmen für mehr Transparenz unterstützt, weil es weiß, dass die großen Akteure wie die USA, Russland und China solche Regelungen aufhalten werden. Und ich glaube nicht, dass Großbritannien darüber besonders enttäuscht sein wird."


Charismatische Persönlichkeiten

Nach Erkenntnissen von Wood gehen die mächtigsten Waffenvermittler systematisch ans Werk. Sie besitzen ein breites fachliches und juristisches Wissen, haben einen guten Riecher für Geschäfte und die richtigen Kontakte. Wenige Leute würden jedoch das Netzwerk des Waffenhandels kennen, bemerkte der Experte. "Niemand hat eine Liste mit den Namen der Waffenvermittler, weil sie von den Regierungen nicht kontrolliert werden. Wir erhalten nur einen bruchstückhaften Einblick in das, was sich ereignet."

Besonders skrupellose Vermittler sind laut Woods korrupt und versuchen UN-Waffenembargos zu umgehen. "Sie haben einige gemeinsame Eigenschaften", sagte Feinstein, der kürzlich mit einem Waffenhändler sprach. "Bei allen handelt es sich um charismatische Persönlichkeiten."

"Die Waffenvermittlung wird durch die Globalisierung befördert", so Woods weiter, der auch Co-Autor des Buches 'The Arms Fixers: Controlling the Brokers and Shipping Agents' ist. Es gebe viele verschiedene Märkte, und der Waffenmarkt habe sich immer weiter ausdifferenziert. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.un.org/disarmament/ATT/
http://conflictawareness.org/
http://www.theshadowworldbook.com/
http://www.ipsnews.net/2013/03/merchants-of-death-fly-under-the-radar-of-u-n-arms-trade-treaty/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2013