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SICHERHEIT/193: Sprengkopfdemontage - Forschende und Diplomaten üben atomare Abrüstung (idw)


Universität Hamburg - 17.09.2019

Sprengkopfdemontage: Forschende und Diplomaten üben atomare Abrüstung


Im Auftrag des Auswärtigen Amtes organisieren Wissenschaftler des Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrums für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg eine einwöchige Übung zur kontrollierten Abrüstung von Atomwaffen - gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich und dem französischen Außen- und dem Verteidigungsministerium. Rund 30 Forschende bzw. Diplomatinnen und Diplomaten aus Japan, Australien, Deutschland, Frankreich und acht weiteren Ländern nehmen daran teil.

Atommächte halten die Konstruktionsdetails ihrer Nuklearwaffen streng geheim. Deswegen wäre die Abrüstung solcher Waffen schwer zu überprüfen. Wie sie in der Praxis aussehen könnte, proben Delegierte der Atommacht Frankreich sowie Großbritanniens und der USA kommende Woche gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Ländern, die keine Atomwaffen besitzen.

Damit die Übung unter möglichst realitätsnahen Bedingungen stattfindet, wurde eine Art Rollenspiel entwickelt: Vom 23. bis 27. September 2019 treten acht Inspektorinnen und Inspektoren gegen acht Abgeordnete einer fiktiven Atommacht im Strahlenschutzbereich des Forschungszentrums Jülich an. "Wie in der Realität darf niemand den Nuklearsprengkopf sehen und die Atommacht verweigert die üblichen physikalischen Messungen, weil sie Rückschlüsse auf den Aufbau und die Sprengkraft ihrer Waffe möglichen würden", erklärt Prof. Dr. Gerald Kirchner, der die Übung mit konzipierte. Der Physiker leitet das Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF) der Universität Hamburg. Als vom Auswärtigen Amt benannter deutscher Experte ist er Teil eines Arbeitskreises, in dem 25 Länder Messverfahren für den Fall der kontrollierten atomaren Abrüstung diskutieren.

Für die Übung in Jülich wurde eigens eine Sprengkopfattrappe gebaut. Statt Plutonium enthält sie deutlich weniger schädliches radioaktives Barium und Californium. Die Kontrollierenden müssen mit indirekten Messverfahren arbeiten und beispielsweise Messgeräte verwenden, die statt konkreter Werte nur Ampelfarben anzeigen. "Um sicherzustellen, dass kein waffenfähiges radioaktives Material auf die Seite geschafft wird, müssen sie außerdem prüfen, dass es keine versteckten Ausgänge im Demontagebereich gibt oder dass das radioaktive Material in den Containern verbleibt, die unter Aufsicht versiegelt wurden", so Kirchner.

Trotz des im Atomwaffensperrvertrag von 1968 formulierten Ziels, Nuklearwaffen abzurüsten, besitzen die offiziellen Atommächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien gemeinsam mit den inoffiziellen Atommächten Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea knapp 14.000 Nuklearsprengköpfe. "Mitte der 80er Jahre waren es noch 70.000", stellt Kirchner fest. "Es ist also bereits abgerüstet worden, allerdings nicht unter internationaler Kontrolle. In den jetzt stattfinden Gesprächen werden häufig Zweifel geäußert, dass dies unter Wahrung der Geheimhaltung möglich ist. Mit der Übung wollen wir zeigen, dass diese Zweifel unbegründet sind."


Ein Interview mit Prof. Dr. Gerald Kirchner gibt es im Newsroom der Universität Hamburg unter:
https://www.uni-hamburg.de/newsroom/im-fokus/2019/0917-abruestung-interview.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution109

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Hamburg, 17.09.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2019

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