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WISSENSCHAFT/1009: Ethik setzt Forschung Grenzen (idw)


Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. - 22.03.2010

Ethik setzt Forschung Grenzen


Der Senat der Max-Planck-Gesellschaft hat in seiner Sitzung am 19. März in Wolfsburg die "Hinweise und Regeln der Max-Planck-Gesellschaft zum verantwortlichen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken" verabschiedet. Die Regeln sollen den Blick der Wissenschaftler für möglichen Missbrauch schärfen, auch, wo er nicht unbedingt auf der Hand liegt. Die Hinweise verstehen sich als ethische Leitlinien, die im Weg der Selbstregulierung Missbrauch in der Forschung verhindern sollen und die schon bestehenden "Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" ergänzen.

Ganz besonders wichtig sind diese Regeln für die so genannten Fälle von "Dual Use". So können Ergebnisse von Forschung missbraucht werden, wenn sie in die falschen Hände geraten. Im Bereich der Verteidigungs- und Waffentechnik birgt die Materialforschung und die Nanotechnologie die Gefahr, zur Entwicklung von Angriffswaffen zu führen. Mit der Forschung in der molekularen Pflanzengenetik ist das Risiko von Bioangriffen auf Saatgut verbunden. Forschung an Stammzellen kann zur Schaffung von Hybriden missbraucht werden. Fehlverhalten ist nicht auf die Naturwissenschaften begrenzt: Neue Foltermethoden oder aggressive Vernehmungstechniken könnten von neuerer psychologischer Forschung profitieren.

Mit den neu geschaffenen Regeln zieht die Max-Planck-Gesellschaft bewusst die Lehren aus der Forschung ihrer Vorgängerorganisation, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die sich vor allem während der Zeit des Nationalsozialismus über ethische Grenzen hinweg gesetzt hatte. Die Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ist für die Max-Planck-Gesellschaft deswegen auch ein besonderes Vermächtnis, den potenziellen Missbrauch von Forschungsergebnissen rechtzeitig zu bedenken und ihm so wirksam wie möglich begegnen zu können. Als eine der ersten großen deutschen Forschungsorganisationen hat die Max-Planck-Gesellschaft die Geschichte ihrer Vorgängerorganisation von einer unabhängigen Kommission untersuchen lassen.

Die jetzt vorgelegten Hinweise und Regeln sind zumindest in Deutschland der erste allgemeine Ansatz zur Lösung der Kollision zwischen Forschungsrisiken und Forschungsfreiheit. Das innovative Lösungskonzept beruht vor allem auf einer klaren Differenzierung von rechtlichen und ethischen Grenzen der Forschung sowie auf einer Hilfestellung für den Forscher durch die Spezifizierung von Lösungs- und Abwägungsprinzipien.

Als allgemeinen Grundsatz wird formuliert: "Die Forschung in der Max-Planck-Gesellschaft dient der Wissensvermehrung und ist dem Wohl der Menschheit und dem Schutz der Umwelt verpflichtet. Der Wissenschaftler hat deswegen eine - unmittelbare und mittelbare - Schädigung von Mensch und Umwelt so weit wie möglich zu vermeiden oder zu vermindern." Dies bedeutet, dass der Wissenschaftler zunächst die von seiner Forschung im Missbrauchsfall ausgehenden Gefahren mitdenken muss und das Prinzip der Forschungsfreiheit und Transparenz gegenüber möglichen Gefahren abwägen sollte. Um Risiken zu reduzieren, ist es dann Aufgabe des Forschers, geeignete Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Sei es, indem er besonders gefährliche Stoffe im Labor besonders schützen lässt, Kooperationspartner besonders sorgfältig auswählt oder sei es im äußersten Fall, dass er auf eine Veröffentlichung besonders missbrauchsgefährdeter Teile seiner Ergebnisse oder auf nicht verantwortbare Forschung verzichtet.

Bei Fragen nach den rechtlichen Grenzen der Forschung helfen die Compliance-Stelle und die Rechtsabteilung in der Generalverwaltung in München. Bei Fragen nach ethischen Grenzen ist die aus drei permanenten Mitgliedern der MPG bestehende Ethikkommission der richtige Ansprechpartner. Die Ethikkommission kann von jedem an dem Projekt beteiligten Wissenschaftler angesprochen werden. Wird die Ethikkommission aktiv, hat sie das Recht, Stellungnahmen von dem Institutsdirektor und den Mitarbeitern, als auch beim Vorsitzenden des Fachbeirats des betroffenen Instituts einzufordern.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution207


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.,
Dr. Harald Rösch, 22.03.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2010