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WISSENSCHAFT/1170: Ergebnisse der Herbstsitzungen des Wissenschaftsrates (idw)


Wissenschaftsrat - 12.11.2012

Ergebnisse der Herbstsitzungen des Wissenschaftsrates (Hamburg, 07. - 09. November 2012)

Bericht des Vorsitzenden zu demographischer Entwicklung und Fachkräftequalifizierung



In seinem jährlichen Bericht zu aktuellen Tendenzen im deutschen Wissenschaftssystem widmete sich der Vorsitzende des Wissenschaftsrates dieses Mal dem Themenkomplex Demographische Entwicklung und Fachkräftequalifizierung. Professor Wolfgang Marquardt skizzierte die Herausforderungen, die sich aus der Alterung der Gesellschaft und dem sich abzeichnenden Mangel an Fachkräften für den post-schulischen Bildungsbereich ergeben.

Mit diesen Herausforderungen müsse sich der Wissenschaftsrat in seiner zukünftigen Arbeit gezielt auseinandersetzen. Ins Zentrum seiner Ausführungen rückte Marquardt die Frage, wie das Hochschulsystem und sein Verhältnis zur beruflichen Bildung zukünftig zu organisieren seien, um den Bedarf der Volkswirtschaft an unterschiedlichen Qualifikationen zu befriedigen.

"Wir müssen das Verhältnis von akademischer und beruflicher Ausbildung enthierachisieren, denn die Gesellschaft braucht genügend Fachkräfte in allen Ausbildungssektoren", so Marquardt. "Gegenseitige Kannibalisierung schadet dabei nur." In diesem Zusammenhang sei auch die Finanzierungsasymmetrie zwischen der privat finanzierten Berufsausbildung und dem in der Regel von der öffentlichen Hand getragenen Hochschulstudium zu überdenken. Zudem plädierte Marquardt dafür, die Hochschulen auch am beruflichen Erfolg ihrer Absolventen und Absolventinnen zu messen. Zunehmend gefordert seien sie darüber hinaus im Weiterbildungssektor, der trotz der aktuellen Belastungen durch hohe Studierendenzahlen zeitnah ausgebaut werden müsse. Die Bereiche der beruflichen und der akademischen Bildung forderte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates zugleich auf, zu Regeln der gegenseitigen Leistungsanerkennung zu finden, die in beiden Richtungen möglichst verlustfreie Wechsel des Ausbildungsweges ermöglichen. Nur dann könnten die Bildungspotentiale der Gesellschaft ausgeschöpft werden. Auf der Grundlage umfassender empirischer Analysen wies Marquardt darauf hin, dass in den verschiedenen Regionen Deutschlands die Alterung der Bevölkerung sehr unterschiedlich weit fortgeschritten sei und die Nachfrage nach Fachkräften unterschiedliche Ausprägungen habe. "Alle bildungspolitischen Konzepte zur Bewältigung der demographischen Herausforderungen können nur dann erfolgreich sein, wenn sie die jeweiligen regionalen Gegebenheiten explizit mitdenken und spezifische Lösungen entwickeln", stellte Marquardt klar.


Darüber hinaus standen folgende Themen auf der Tagesordnung der Herbstsitzungen:

Intensiv beschäftigt hat sich der Wissenschaftsrat mit den Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland und eine Öffnung des Fachs in das Wissenschaftssystem gefordert. In seinen Empfehlungen zur Stärkung der rechtswissenschaftlichen Forschung und Lehre fordert er unter anderem, dass die Rechtswissenschaft den inner- sowie interdisziplinären Austausch stärken, sich intensiver mit ihren Grundlagen befassen und thematisch wie personell vielfältiger werden muss. Angesichts der engen Verklammerung von Wissenschaft und Rechtspraxis hänge die zukünftige Stärke der Rechtswissenschaft davon ab, dass sie wesentliche Strukturveränderungen des Rechts rechtzeitig erkennt, erforscht und in der Lehre vermittelt.

Der Durchschnitt der Prüfungsnoten an deutschen Hochschulen weist je nach Studienfach, Hochschule und Abschluss nach wie vor große Unterschiede auf. Mit welcher Note ein Studium abgeschlossen wird, hängt in Deutschland nicht nur von der Prüfungsleistung ab, sondern auch davon, was und wo man studiert, so ein zentrales Ergebnis des Arbeitsberichts für das Prüfungsjahr 2010. Dies bestätigt frühere Analysen der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates. In seinem wissenschaftspolitischen Kommentar zum Prüfungsnotenbericht bemängelt der Wissenschaftsrat die eingeschränkte Vergleichbarkeit von Prüfungsnoten.

Beraten wurde auch über die Umsetzung einiger Empfehlungen zu Ressortforschungseinrichtungen des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg). "Die Ressortforschung des BMVg befindet sich in einem tief greifenden institutionellen Wandel. Einrichtungen wie das Institut für den Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz und das Sportmedizinische Institut der Bundeswehr werden geschlossen oder umstrukturiert, Standorte verlagert und neue Einrichtungen gegründet. Damit sind große Chancen für eine Verbesserung der wissenschaftlichen Arbeit verbunden, die konsequent genutzt werden sollten", fasst der Vorsitzende des Wissenschaftsrates die Beratungsergebnisse zusammen. Einige wichtige Veränderungen stehen allerdings aus Sicht des Wissenschaftsrates noch aus. So verfügen die Einrichtungen nach wie vor nicht über einen eigenen Haushalt, der ihnen mehr Flexibilität in der Reaktion auf aktuelle Anforderungen ermöglichen würde. Auch die große Fluktuation des wissenschaftlichen Personals in den wehrmedizinischen Ressortforschungseinrichtungen wird als ungünstig für die wissenschaftliche Arbeit bewertet.

Zum 1. Januar 2013 soll aus der Zusammenführung der Forschungsanstalt Geisenheim und des Fachbereichs Geisenheim der Hochschule RheinMain, Wiesbaden, die Hochschule Geisenheim hervorgehen. Das Gründungskonzept, um dessen Begutachtung das Land Hessen den Wissenschaftsrat gebeten hatte, bietet aus seiner Sicht gute Voraussetzungen zur erfolgreichen Entwicklung dieser Hochschule. "Die Gründung der Hochschule Geisenheim ist ein Beispiel für die Erprobung neuer Hochschultypen und -formate, die weder dem Regelfall der Fachhochschule noch dem der Universität entsprechen, und folgt damit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Differenzierung der Hochschulen", so Marquardt.

Im Rahmen der Institutionellen Akkreditierung bzw. Reakkreditierung hat der Wissenschaftsrat sechs Verfahren beraten. In sämtlichen Fällen gelangt er, wenngleich mit einigen Einschränkungen, zu positiven Entscheidungen. Betroffen sind die Private Fachhochschule für Wirtschaft und Technik Vechta/Diepholz/Oldenburg (FHWT), die Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW) Hannover, die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) in Saarbrücken, die Fachhochschule für angewandtes Management (FHAM) in Erding, das Touro College Berlin sowie die Hochschule 21 in Buxtehude. Erstmals wendete der Wissenschaftsrat seine im Mai 2012 beschlossene neue Verfahrensweise an und erklärte im Einzelfall weitere turnusgemäße Institutionelle Reakkreditierungen für nicht mehr erforderlich.

Weitere Informationen unter:
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/pm_2012.pdf
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/VS_Bericht_Nov_2012.pdf
http://www.wissenschaftsrat.de/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen-ab-1980/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution415

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Wissenschaftsrat, Dr. Christiane Kling-Mathey, 12.11.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2012