Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 26.05.2017
DFG fördert 15 neue Sonderforschungsbereiche
• Themen reichen von der Nebenniere bis zur Datenassimilation
• 128 Millionen Euro Fördermittel für zunächst vier Jahre
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet 15 neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss auf seiner Frühjahrssitzung in Bonn. Die neuen SFB werden mit insgesamt 128 Millionen Euro gefördert. Hinzu kommt eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Forschungsprojekten. Drei der 15 eingerichteten Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Forschungsstandorte verteilen. Alle neuen Sonderforschungsbereiche werden ab dem 1. Juli 2017 zunächst vier Jahre lang gefördert.
Zusätzlich zu den 15 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 17 Sonderforschungsbereichen für jeweils eine weitere Förderperiode. Ab Juli 2017 fördert die DFG damit insgesamt 267 Sonderforschungsbereiche.
Ein Charakteristikum vieler Modelle in den Wirtschafts- sowie den
Naturwissenschaften ist die Allgegenwart von Zufall und statistischem
Rauschen. Der Sonderforschungsbereich "Unsicherheit beherrschen und Zufall
sowie Unordnung nutzen in Analysis, Stochastik und deren Anwendungen" will
die störenden und die begünstigenden Aspekte von Zufall und Rauschen
analysieren, um sowohl Fragen aus der mathematischen Grundlagenforschung
als auch anwendungsbezogene Fragestellungen, etwa bei der Modellierung von
Finanzmärkten, beantworten zu können. Der SFB kooperiert mit chinesischen
Universitäten in Beijing, Shandong und Wuhan.
(Sprecherhochschule: Universität Bielefeld,
Sprecher: Prof. Dr. Michael Röckner)
Wie unser Gehirn neue Informationen aufnimmt und speichert, ist gut
erforscht. Wie wir lernen, früher gelerntes Wissen als nicht mehr relevant
einzuordnen und unser Verhalten entsprechend anzupassen, ist jedoch nur
unvollständig verstanden. Die Mechanismen dieses "Extinktionslernens", das
auch eine große Bedeutung bei der Behandlung von Angst- und
Schmerzstörungen hat, untersucht der gleichnamige Sonderforschungsbereich.
Er will die psychologischen, neuralen, ontogenetischen und klinischen
Prozesse des Extinktionslernens bei Tier und Mensch erforschen.
(Sprecherhochschule: Ruhr-Universität Bochum,
Sprecher: Prof. Dr. Onur Güntürkün)
Alltagsaktivitäten wie das Einräumen einer Spülmaschine können bereits
heute autonom von Robotern ausgeführt werden, jedoch braucht es dafür
spezifisch festgelegte Rahmenbedingungen. Von einer generellen
Beherrschung von Alltagsaktivitäten sind Roboter also noch weit entfernt.
Der Sonderforschungsbereich "Wissenschaft der Alltagsaktivitäten -
Analytische und generative Modellierung" will deshalb
informationsverarbeitende Modelle entwickeln, mit denen autonome Roboter
in die Lage versetzt werden können, Alltagsaktivitäten in vollem Umfang zu
beherrschen. Dazu wollen die Forscherinnen und Forscher sogenannte
Narrative von Alltagsaktivitäten - ihre beobachtete, aufgezeichnete oder
beschriebene Ausführung - als Wissensbasis für die Steuerung von Robotern
nutzen.
(Sprecherhochschule: Universität Bremen,
Sprecher: Prof. Dr. Michael Beetz)
Der Sonderforschungsbereich/Transregio "Die Nebenniere: Zentrales Relais
in Gesundheit und Krankheit" will die komplexen Wechselwirkungen innerhalb
der Nebenniere sowie mit anderen Organsystemen verstehen. Die Nebenniere
produziert maßgeblich zwei Hormonklassen und spielt so eine entscheidende
Rolle in der Regulation von Stressreaktionen. Sie hat damit durch unseren
modernen Lebenswandel stark an Bedeutung gewonnen. Funktionsstörungen oder
Tumore der Nebenniere können zudem überlebenswichtige Prozesse
beeinflussen. Die Forscherinnen und Forscher wollen
grundlagenwissenschaftliche und translationale Fragestellungen rund um die
Nebenniere beantworten und können dazu auf eine große Menge an Proben in
Biobanken zurückgreifen.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Dresden,
Sprecher: Prof. Dr. Stefan R. Bornstein;
weitere antragstellende Hochschule: Ludwig-Maximilians-Universität
München)
Alle Aspekte von Kommunikation - ob verbal oder nonverbal, ob mündlich,
schriftlich, gestisch oder bildlich - die dazu geeignet sind,
herabzusetzen, zu verletzen oder auszugrenzen, kann man unter dem Begriff
"Invektivität" zusammenfassen. Eben diese Aspekte und Erscheinungsformen
von Kommunikation untersucht der Sonderforschungsbereich "Invektivität.
Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung". Er erforscht dabei Formen
der Schmähung und Herabwürdigung in verschiedensten Kontexten von der
Antike bis zur Gegenwart, einschließlich solcher Phänomene, die ihren
invektiven Charakter erst durch Akte der Anschlusskommunikation oder durch
Interpretationen Dritter erhalten. Langfristig soll so eine Theorie der
Invektivität entwickelt werden.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Dresden,
Sprecher: Prof. Dr. Gerd Schwerhoff)
"Stark wechselwirkende Materie unter extremen Bedingungen" lautet der
Titel eines Sonderforschungsbereichs/Transregios, in dem die Forscherinnen
und Forscher verlässliche Aussagen über die Eigenschaften heißer und
dichter QCD-Materie treffen wollen. Die Quantenchromodynamik, kurz QCD,
ist eine Theorie zur Beschreibung der starken Wechselwirkung von Quarks
und Gluonen, den fundamentalen Bausteinen der Atomkerne. Mit derzeit
existierenden theoretischen Methoden sind Berechnungen von heißer und
dichter QCD-Materie schwierig. Das zu verbessern ist Ziel des Transregios.
(Sprecherhochschule: Goethe-Universität Frankfurt/Main,
Sprecher: Prof. Dr. Dirk H. Rischke;
weitere antragstellende Hochschulen: Universität Bielefeld,
Technische Universität Darmstadt)
Synapsen verarbeiten Informationen im Gehirn. Ihre Funktion, Effizienz und
Plastizität, also die Fähigkeit, sich zwecks Optimierung laufender
Prozesse in ihrer Aktivität und Verschaltung zu verändern, sind
grundlegend für alle Gehirnfunktionen und das daraus folgende Verhalten.
Wenn jedoch die Synapsen ihre Arbeit nicht richtig versehen, kann dies zu
neurologischen und psychiatrischen Störungen führen. Der
Sonderforschungsbereich "Quantitative Synaptologie" will deshalb ein
virtuelles Modell einer voll funktionsfähigen Synapse erstellen. Damit
sollen Vorhersagen zur synaptischen Funktion ermöglicht und bestimmte
Krankheitsmodelle simuliert und besser verstanden werden können.
(Sprecherhochschule: Georg-August-Universität Göttingen,
Sprecher: Prof. Dr. Silvio-Olivier Rizzoli)
Bei der Entwicklung von Zellen und auch bei der Entstehung von Tumoren
spielen sogenannte Wnt-Signalwege eine entscheidende Rolle. Der
Sonderforschungsbereich "Mechanismen und Funktionen des Wnt-Signalwegs"
will nun die molekularen Prozesse von Wnt-Signalwegen genauer untersuchen.
Dazu arbeiten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit
einem breiten Spektrum an Modellorganismen von Nesseltieren über Fliegen,
Fische, Frösche, Mäuse bis hin zu humanen Zellkulturen. So wollen sie zu
einem umfassenden Verständnis der Mechanismen dieser fundamentalen
Signalwege beitragen.
(Sprecherhochschule: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg,
Sprecher: Prof. Dr. Thomas W. Holstein)
Leberkrebs ist die fünfthäufigste Tumorerkrankung weltweit, mit einer der
höchsten Sterblichkeitsraten unter allen Krebsarten. Man weiß jedoch noch
nicht, wie Leberkrebs aus den bekannten Risikofaktoren - Leberinfektion,
Leberzirrhose oder auch Stoffwechselerkrankungen - entsteht. Der
Sonderforschungsbereich/Transregio "Leberkrebs - neue mechanistische und
therapeutische Konzepte in einem soliden Tumormodell" will diese
Erkenntnislücken schließen und kombiniert dazu grundlagenwissenschaftliche
und klinische Teilprojekte.
(Sprecherhochschule: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg,
Sprecher: Prof. Dr. Peter Schirmacher;
weitere antragstellende Hochschulen:
Eberhard Karls Universität Tübingen, Medizinische Hochschule Hannover)
Die Erforschung nanopartikelbasierter Therapien für entzündliche innere
Erkrankungen steht im Mittelpunkt des Sonderforschungsbereichs
"Polymerbasierte Nanopartikel-Bibliotheken für die Entwicklung
zielgerichteter anti-inflammatorischer Strategien". Die Idee dabei ist,
Nanopartikel aus neuen Polymeren zu entwickeln, die passend auf den
entzündungshemmenden Wirkstoff und die gewünschte Art der Freisetzung
maßgeschneidert werden. Der Verbund will dazu systematisch sogenannte
Partikelbibliotheken anlegen, um dem jeweiligen Wirkstoff die geeigneten
Nanopartikel zuordnen zu können.
(Sprecherhochschule: Friedrich-Schiller-Universität Jena,
Sprecher: Prof. Dr. Ulrich S. Schubert)
Die nahtlose Integration großer Datenmengen in komplexe Computermodelle
ist eine große Herausforderung der Mathematik. Eine solche Verschmelzung
von Daten und Modellen heißt Datenassimilation. Bislang wurde sie vor
allem in der Meteorologie, Hydrologie oder Rohstoffsuche benutzt. Der
Sonderforschungsbereich "Datenassimilation: Die nahtlose Verschmelzung von
Daten und Modellen" will nun zum einen existierende Algorithmen der
Datenassimilation theoretisch vertiefen und zum anderen neue
Assimilationstechniken für neue Anwendungsgebiete in Biologie, Medizin und
Kognitions- und Neurowissenschaften entwickeln.
(Sprecherhochschule: Universität Potsdam,
Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Sebastian Reich)
Sprache ist in hohem Maße variabel. Individuen können ganz
unterschiedliche sprachliche Strukturen produzieren oder Äußerungen
unterschiedlich interpretieren. Die Variabilität von Sprache unterliegt
aber auch gewissen Grenzen. Genau diese möchte der Sonderforschungsbereich
"Die Grenzen der Variabilität in der Sprache: Kognitive, grammatische und
soziale Aspekte" analysieren. Dabei begreift er Variabilität als einen
Raum möglicher, teils unbewusster sprachlicher Entscheidungen, die einem
Individuum oder einer Sprachgemeinschaft zur Verfügung stehen. Grenzen
zeigen sich dann, wenn bestimmte linguistische Verhaltensweisen relativ
beständig auftreten - und dies auch über Sprachen und
Sprechergemeinschaften hinweg. Mit seinen Arbeiten will der Verbund
Erkenntnisse über den Aufbau des Sprachsystems gewinnen.
(Sprecherhochschule: Universität Potsdam,
Sprecherin: Prof. Dr. Isabell Wartenburger)
Der Sonderforschungsbereich "Emergente relativistische Effekte in der
Kondensierten Materie: Von grundlegenden Aspekten zu elektronischer
Funktionalität" untersucht neuartige topologische Materialien und aus
ihnen aufgebaute Heterostrukturen. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler nehmen dazu besonders die elektronischen,
magnetischen, optischen und Transport-Eigenschaften in den Blick. So
wollen sie herausfinden, wie relativistische Effekte, beispielsweise in
Form der Spin-Bahn-Wechselwirkung, ausgenutzt werden können, um zukünftige
Konzepte in Elektronik, Optoelektronik und Spin-Elektronik auszuarbeiten.
(Sprecherhochschule: Universität Regensburg,
Sprecher: Prof. Dr. Klaus Richter)
In der modernen Medizin sind Implantate zur Unterstützung oder
Wiederherstellung von Körperfunktionen allgegenwärtig. Prognosen zufolge
wird im Jahr 2060 jede dritte Person in Deutschland über 65 Jahre alt
sein, und viele dieser Menschen werden auf Implantate zurückgreifen
müssen. Der Sonderforschungsbereich "Elektrisch aktive Implantate, Elaine"
will unterschiedliche Konzepte von Implantaten erforschen und deren
grundlegende Funktionsweisen aufklären. Dabei widmet der SFB sich
elektrisch aktiven Implantaten und will durch mathematische Modelle und
empirische Studien zum Verständnis der Wirkungsweise dieser Implantate
beitragen. Im Mittelpunkt stehen Implantate, die für die Regeneration von
Knochen und Knorpel eingesetzt werden, sowie Implantate für die tiefe
Hirnstimulation, um Krankheiten wie Parkinson zu behandeln.
(Sprecherhochschule: Universität Rostock,
Sprecherin: Prof. Dr. Ursula van Rienen)
Peptide sind Moleküle, die aus Aminosäuren aufgebaut sind; sie sind über
Peptidverbindungen miteinander verknüpft. Im menschlichen Körper
existieren Millionen solcher Verbindungen, die zahlreiche physiologische
und pathologische Prozesse steuern. Die Gesamtheit aller Peptide eines
Individuums nennt man Peptidom - dieses ist aufgrund seiner Komplexität
noch nicht ausreichend erforscht. Ziel des Sonderforschungsbereichs
"Nutzung des menschlichen Peptidoms für die Entwicklung neuer
antimikrobieller und anti-Krebs-Therapeutika" ist es, die einzelnen
Peptide zu katalogisieren und so Peptide aufzudecken, die wichtig für die
Abwehr von Infektions- und Krebserkrankungen sind. Dies soll zum einen die
Identifizierung diagnostischer Biomarker und zum anderen die Entwicklung
neuartiger peptidbasierter Therapeutika gegen Infektionen und Krebs
ermöglichen.
(Sprecherhochschule: Universität Ulm,
Sprecher: Prof. Dr. Frank Kirchhoff)
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten
Sonderforschungsbereichen unter:
www.dfg.de/sfb
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution306
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Benedikt Bastong, 26.05.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2017
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