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INTERNATIONAL/044: Ein Fünftel aller Investitionen nachhaltig - Finanzsektor legt Bericht vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Januar 2013

Finanzen:
Ein Fünftel aller Investitionen nachhaltig - Finanzsektor legt Bericht vor

Von Carey L. Biron



Washington, 30. Januar (IPS) - Fast 22 Prozent der weltweit getätigten Investitionen - 13,6 Billionen US-Dollar - können laut einem ersten umfassenden Gutachten der Finanzindustrie als nachhaltig und verantwortungsvoll bezeichnet werden. Kritiker wenden jedoch ein, dass eine realistische Bewertung des Anlagevermögens unrealistisch bleibt, solange die Finanzindustrie eine klar umrissene Definition von Begriffen wie 'Nachhaltigkeit' schuldig bleibt.

Allerdings lassen die Zahlen auf einen substanziellen Trend schließen. Demnach hat der Sektor für nachhaltige Investitionen in Europa und den USA von 2009 bis 2011 um 35 Prozent beziehungsweise 22 Prozent zugelegt. Im Zeitraum 2005 bis 2012 konnte er sogar einen Zuwachs von 486 Prozent verzeichnen.

"Das ist in einer Zeit, in der viele Teile der Finanzindustrie unter dem Druck stehen, Wertebewusstsein zu demonstrieren, ermutigend und legt nahe, dass Investoren in einem hohen Maße an der Finanzierung von Geschäften, Projekten und Ideen zugunsten eines nachhaltigen Wachstums interessiert sind", heißt es in dem Nachhaltigkeitsrückblick für 2012, dem 'Global Sustainability Investment Review 2012'.

Die Autoren, die den Bericht im Auftrag der 'Global Sustainable Investment Alliance' (GSIA), einem jungen Dachverband der Finanzindustrie, erstellt haben, kommen zu dem Schluss, dass sich nachhaltige Investitionen innerhalb des Finanzsektors global gesehen gut entwickeln und auf ein vielseitiges und kulturell ansprechendes Investitionsumfeld schließen lassen.


Nachhaltige Investitionen vor allem von den reichen Ländern

Den GSIA-Experten zufolge werden diese politisch, ökologisch und sozial nachhaltigen Investitionen in 96 Prozent von westlichen Ländern wie den USA, Kanada und der EU getätigt. Erwartet wird jedoch, dass alle anderen Weltregionen nachziehen werden. So betrachteten aufsteigende Märkte wie Brasilien und Südafrika die Idee einer sozialverträglichen Firmenpolitik als Chance, um ausländische Investitionen anzuziehen, meinte Meg Voorhes, Vizechefin und Forschungsleiterin des 'U.S. Forum for Sustainable and Responsible Investment' (U.S. SIF).

Die sieben Organisationen, die sich aus Fondsmanagern und einem breiten Spektrum von Finanzindustrieakteuren zusammensetzen und an dem Zustandekommen des Berichts beteiligt waren, haben eigene Regionen- spezifische Analysen über zurückliegende nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen erstellt. Der neue Bericht ist insofern ein Novum, als dass Wissenschaftler zum ersten Mal Abstand davon nahmen, Indikatoren zu standardisieren und diese mit weltweiten Trends zu vergleichen.

Die Veröffentlichung des Reports am 28. Januar ging mit der Gründung der GSIA einher, die ihren Mitgliedern die Möglichkeit geben will, Informationen und Erfahrungen in unterschiedlichen Ländern und Industrien auszutauschen. "Dadurch könnte ein vielversprechender Prozess in Gang gesetzt werden", meinte Voorhes mit Blick auf die fehlenden Bestimmungen und Absprachen, die den Sektor der nachhaltigen Investitionen zusammenhalten.

Dies wiederum könnte sich der Expertin zufolge auf die Art und Weise auswirken, wie Entscheidungen zu Nachhaltigkeitsfragen getroffen werden. In den USA und Kanada zum Beispiel hätten Aktionäre viel größere Spielräume als in Europa. In Europa wiederum neigten Unternehmen dazu, aufgeschlossener gegenüber internationalen Standards zu sein.

"Es gibt viele Grauzonen und Unklarheiten in der Frage, wann Unternehmen die Reißleine ziehen sollten. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass sich die Aktionäre engagieren.", sagte die Chefin von U.S. SIF, das sich seit Jahren für Gesetze einsetzt, die die Unternehmen auf die Preisgabe ihrer sozialen und ökologischen Indikatoren verpflichtet.

Doch gibt es eine Reihe starker Kräfte, die die Investoren in diese Richtung treiben. "Erderwärmung und Bevölkerungswachstum sind Trends, mit denen wir uns alle konfrontiert sehen", sagte Voorhes. "Es herrscht nun die allgemeine Einsicht vor, dass wir die Möglichkeiten unseres Planeten erschöpft haben und Vorsicht bei der Ausbeutung der Ressourcen walten lassen sollten."

Ein weiterer globaler Trend ist die Geschwindigkeit, mit der sich Informationen verbreiten. So werden Meldungen über Verstöße gegen Arbeitsrechte viel rascher als noch vor wenigen Jahrzehnten publik.


Verbindliche Spielregeln gefordert

Kritische Stimmen beklagen jedoch, dass es trotz der Zunahme nachhaltiger Investitionen immer noch keine entsprechenden Richtlinien des Finanzsektors gebe. Dadurch könnten Unternehmen sich selbst als sozial verantwortlich anpreisen, obwohl sie im Grunde nur oberflächliche Korrekturen durchgeführt hätten, meint Anuradha Mittal vom 'Oakland Institute', das sich mit dem weltweiten Land Grabbing befasst.

"Investitionen sind notwendig, doch sollten die davon betroffenen lokalen Gemeinschaften überprüfen können, ob arbeitsrechtliche, ökologische und soziale Regeln eingehalten werden", betont Mittal. "Es ist problematisch, dass es keine solchen Standards gibt und Unternehmen somit nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Welt braucht Investitionen, die Gemeinschaften und natürliche Systeme aufwerten."(Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://gsiareview2012.gsi-alliance.org/#/1/
http://www.gsi-alliance.org/
http://www.ipsnews.net/2013/01/a-fifth-of-global-investing-considered- sustainable-industry-reports/

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IPS-Tagesdienst vom 30. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2013