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INTERNATIONAL/060: G77 wehrt sich gegen Kontenschließungen von UN-Missionen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2014

UN: Resolution gegen New Yorker Banken - G77 wehrt sich gegen Kontenschließungen von UN-Missionen

von Thalif Deen


Bild: © Jim, der Fotograf/cc by 2.0

JP Morgan Chase wickelt den Großteil der UN-Finanztransaktionen ab
Bild: © Jim, der Fotograf/cc by 2.0

New York 27. März (IPS) - Auf einem Treffen der Gruppe der 77 (G77), der mit 132 Mitgliedern größten Allianz der Entwicklungsländer, erboste sich ein lateinamerikanischer UN-Diplomat über den harschen Umgangston, der den UN-Missionen in New York begegnet. Nicht nur, dass an einigen Wohngebäuden Schilder mit der Aufschrift 'Haustiere und Diplomaten unerwünscht' angebracht seien, auch werde man von einigen Banken, "wie Kriminelle behandelt".

Auf der Zusammenkunft in der dritten Märzwoche trat ein Sprecher nach dem anderen vor, um das Gebaren städtischer Geldhäuser anzuprangern, das UN-Missionen und Diplomaten die Möglichkeit nehme, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Die Empörung richtete sich vor allem gegen die 'JP Morgan Chase' (die ehemalige 'Chemical Bank'), die einst im UN-Hauptgebäude untergebracht war und lange Zeit als Mitglied der UN-Familie betrachtet wurde. Sie war quasi die 'Hausbank' der UN-Diplomaten.


G77 schlägt zurück

Doch die G77 holt nun zum Gegenschlag aus. So arbeitet sie derzeit an einer Resolution für die UN-Vollversammlung, die das Verhalten der Finanzinstitute verurteilen und den UN-Generalsekretär zum Handeln bewegen soll. In dem Entwurf, an dem das Staatenbündnis auf seinem nächsten Treffen weiter feilen wird, ist der UN-Chef angehalten, innerhalb von 120 Tagen nach Annahme der Resolution den Anschuldigungen nachzugehen und der UN-Vollversammlung Bericht zu erstatten.

Nach dem Willen der G77 sollen sämtliche Einschränkungen und Hindernisse, die die Banken den UN-Missionen in den Weg legen und gelegt haben, zur Sprache kommen. Der Resolutionsentwurf fordert den UN-Chef ferner dazu auf, der Vollversammlung eine Reihe von Empfehlungen und einen Vorschlag vorzulegen, die allesamt darauf abzielen, die Finanzbeziehungen des UN-Sekretariats mit den Banken und insbesondere mit der JP Morgan Chase zu hinterfragen und Alternativen zu diesen Geldhäusern zu benennen.

Eine solche Resolution würde Ban Ki-moon ferner veranlassen, den UN-Mitgliedstaaten andere Optionen aufzuzeigen, damit die diskriminierten UN-Missionen in der Lage wären, ihre in Verbindung mit der UN-Mitgliedschaft und der ständigen Missionen stehenden Finanztransaktionen durchführen zu können. Darüber hinaus soll der UN-Generalsekretär in seiner Eigenschaft als höchster UN-Verwaltungschef "entsprechende Gespräche einschließlich mit dem Gastland USA führen" und dafür sorgen, dass die Banken alle ständigen UN-Missionen und deren Mitarbeiter fair behandeln.

Außerdem soll das Gastland die notwendigen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass persönliche Daten und Informationen der Kunden, deren Konten geschlossen wurden, von den Banken vertraulich behandelt werden. Zudem sollen die USA dem UN-Generalsekretär binnen zwei oder drei Monaten nach Annahme der anvisierten Resolution Rede und Antwort stehen.

Der Streit datiert aus dem Jahr 2011. Damals schickte die US-Mission bei den Vereinten Nationen einen Brief an alle UN-Mitgliedstaaten, in dem es hieß, dass die JP Morgan Chase eine Bank des Privatsektors sei und ihre Entscheidungen allein auf der Grundlage privatwirtschaftlicher Interessen treffe. "Die US-Regierung verfügt nicht über die Autorität, Banken zu zwingen, ihre Geschäftsbedingungen mit Kunden weiterzuführen beziehungsweise Konten zu öffnen oder zu schließen", hieß es in dem Schreiben.

JP Morgan Chase verwaltet die meisten Konten und Überweisungen der Vereinten Nationen und deren Organisationen. Die von ihr bewegten Gelder gehen in die Milliarden US-Dollar.

Allerdings hatte das US-Finanzministerium alle Banken dazu aufgefordert, Washington peinlich genau über die Transaktionen von 70 gelisteten UN-Missionen und einzelnen Diplomaten ins Bild zu setzen. Die Geldhäuser hielten entgegen, dass ein solcher komplizierter Akt verwaltungstechnisch viel zu aufwändig und kostspielig sei. Als Kompromiss erklärten sie sich zur Schließung der jeweiligen Konten bereit. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. "Sollte sich an dieser Politik nichts ändern, könnten wir uns gezwungen sehen, unsere Länder um Bargeld zu bitten, das wir dann unter der Matratze verstecken", meinte dazu ein Diplomat.

Es kursieren Gerüchte, denen zufolge einige diplomatische Missionen ihre UN-Beiträge bereits in Cash bezahlen wollen. Andere haben das UN-Generalsekretariat aufgefordert, seine Konten bei den Banken zu schließen.


"Überwachung der NSA überlassen"

Für Ian Williams, einem langjährigen UN-Korrespondenten und Analysten bei 'Foreign Policy in Focus', stellt sich die Frage, warum ausgerechnet die Banken die UN-Missionen und -Diplomaten überwachen sollten. "Schließlich haben wir doch den US-Geheimdienst NSA, der sicher einen besseren Job tun könnte", stichelte er im IPS-Gespräch. Die NSA, die Telefonate und die Bewegungen von Diplomaten erfolgreich überwachte, könnte sicher Details über alle elektronisch vorgenommenen Transaktionen liefern, "solange diese nicht auf den Papierweg und mit Hilfe eines Abakus vorgenommen würden".

Als sich die UN dazu entschlossen hatte, ihr Sekretariat in der Stadt New York anzusiedeln, unterzeichneten die USA 1947 ein 'Hauptquartiersabkommen', in dem den ausländischen Missionen nicht nur diplomatische Immunität, sondern auch die ungehinderte Durchführung ihrer täglichen Aktivitäten zugesichert wurde.

Williams zufolge hält sich die Begeisterung der USA in Grenzen, wenn es darum geht, sich an internationales Recht zu halten. Dies hatte sich bereits gezeigt, als die UN-Vollversammlung vorübergehend ihren Sitz nach Genf verlegte, weil Washington dem Palästinenserführer Yassir Arafat ein Visum für den Besuch in New York im Dezember 1988 verweigerte. In seiner Ansprache an die Vollversammlung in Genf nutzte Arafat die Gelegenheit zu einem Seitenhieb auf Washington, indem er erklärte: "Ich hätte mir nie vorstellen können, dass mein zweites Treffen mit dieser ehrwürdigen Versammlung seit 1974 in der gastfreundlichen Stadt Genf stattfinden könnte".

Die Geschichte über den neuen Streit zwischen den UN-Diplomaten und den Banken wurde in der dritten Märzwoche in einem Blog der 'Inner City Press' abgehandelt. Doch bereits im Januar 2011 hatte IPS in einem längeren Beitrag darüber berichtet, dass Banken einzelne UN-Missionen auf ihre schwarze Liste gesetzt hatten.

Auf dem Treffen der G77 hatte sich vor allem China, ein ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, heftig über die im Jahr 2011 erfolgte Schließung seiner Bankkonten beschwert. Nicht der Vorgang an sich, sondern die Tatsache, dass vor allem Entwicklungsländer betroffen seien, sei besorgniserregend, meinte ein chinesischer Delegierter. Und ein anderer asiatischer Diplomat erklärte gegenüber IPS, dass er von keinem westlichen Land wisse, das von der Maßnahme betroffen sei. "Warum dieser Doppelstandard?"

Neben China protestierten auf dem Treffen auch Argentinien, Bolivien, das derzeit den Vorsitz der G77 führt, Honduras und Kolumbien sowie Algerien, der Iran, Kenia, Simbabwe, Sri Lanka und der Sudan gegen die unfreiwillige Sonderbehandlung.

Botschafter Palitha Kohona, Sri Lankas ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, berichtete gegenüber IPS, dass es den Vorschlag gibt, das UN-Sekretariat solle seinen enormen Einfluss nutzen, indem es die Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Banken kündige.

"Die UN-Transaktionen belaufen sich jährlich auf mehrere Milliarden Dollar", meinte er. "Wenn die Diplomaten von Mitgliedsländern und ihre Missionen bei diesen Banken nicht länger willkommen sind, warum sollten die Vereinten Nationen, die eine Organisation dieser Mitgliedsländer ist, weiter mit ihnen (den Banken) kooperieren?"


"Orwell'sche Kontrolle"

Williams zufolge wird offensichtlich nach dem Prinzip 'Handle so, wie wir es wünschen, doch tue nichts, was wir tun' vorgegangen. "Vermutlich sollten die Konten von Diplomaten nach den Wiener Konventionen den gleichen Schutz wie alle anderen diplomatischen Transaktionen genießen. Doch benötigten die Banken das Einverständnis der US-Behörden, sie von der Orwell'schen Kontrolle auszunehmen, der sie jeden unterwerfen", fügte er hinzu.

"Die Missionen werden nun zum Bargeldverkehr gezwungen sein, was wiederum dem Vorwurf der Geldwäsche neue Nahrung geben wird. Tatsächlich wissen wir, dass einige Missionen genau dies tun, doch liefert ihnen die US-Engstirnigkeit das nötige Feigenblatt", sagte Williams, UN-Korrespondent für 'Tribune' und Autor des Buches 'UN für Anfänger'.

In einer offiziellen Stellungnahme erklärte der UN-Vizesprecher Farhan Haq gegenüber IPS, dass der Generalsekretär die Bedenken der G77 teile und die UN die Angelegenheit bereits mit dem Gastland und JP Morgan Chase zur Sprache gebracht habe. "Das Sekretariat hat ferner Gespräche mit anderen Finanzinstitutionen aufgenommen, um dabei zu helfen, alternative Finanzarrangements für die betroffenen Missionen und ihre Mitarbeiter zu finden." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/03/u-n-diplomats-cut-banks-seek-haven-mattresses/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2014