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INTERNATIONAL/079: Nepal - Schuldenerlass nach Erdbeben gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. April 2015

Nepal: Schuldenerlass nach Erdbeben gefordert

von Kanya D'Almeida


Bild: © Ministerium für Äußeres und Handel/CC-BY-2.0

Schüler in einem Dorf in Nepal bei einer Katastrophenübung
Bild: © Ministerium für Äußeres und Handel/CC-BY-2.0

New York, 28. April (IPS) - Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal am 25. April ist die Zahl der Todesopfer auf mehr als 5.000 gestiegen. Die Such- und Rettungseinsätze werden fortgesetzt, während die Regierung und internationale Hilfsorganisationen Mühe haben, die Folgen der Katastrophe zu bewältigen.

Nach den Erdstößen der Stärke 7,8 auf der Richterskala wurde das südasiatische Land mit etwa 27,8 Millionen Einwohnern von heftigen Nachbeben erschüttert. Zahlreiche Menschen werden vermisst. Die Zahl der Todesopfer könnte auf 10.000 steigen. Epizentrum des Bebens ist der Distrikt Lamjung nordwestlich der Hauptstadt Katmandu.


Heftige Nachbeben

Laut den Vereinten Nationen sind die Gebiete Dhading, Gorkha, Rasuwa, Sindhupalchowk, Kavre, Nuwakot, Dolakha, Katmandu, Lalitpur, Bhaktapur und Ramechhap am schlimmsten betroffen. 35 der insgesamt 75 Distrikte im Westen und im Zentrum Nepals leiden unter den Folgen der Erdstöße und deren Nachbeben.

Experten fragen sich, wie sich das verarmte Land, das auf dem Index der menschlichen Entwicklung (HDI) der Vereinten Nationen unter 187 Staaten auf Platz 145 steht, von der schwersten Naturkatastrophe seit mehr als 80 Jahren erholen kann.

Das 'Jubilee USA Network', ein Bündnis aus etwa 75 in den USA ansässigen Organisationen und 400 Glaubensgemeinschaften aus aller Welt, plädiert für einen Schuldenerlass. In einer am 27. April verbreiteten Mitteilung erklärte die Allianz, Nepal könne sich an einen neuen Fonds zur Katastrophenbewältigung (CCR) des Internationalen Währungsfonds (IWF) wenden, um einen Schuldenerlass zu erreichen.

Der Fonds wurde erst im Februar dieses Jahres eingerichtet, um Länder durch Schuldenerlasse bei der Bewältigung schwerer Naturkatastrophen oder Gesundheitskrisen zu unterstützen. Auf diese Weise kam der IWF den von der Ebola-Epidemie betroffenen Ländern in Afrika zur Hilfe, denen Schulden in Höhe von fast 100 Millionen US-Dollar gestrichen wurden.


Schulden in Milliardenhöhe

Unter Berufung auf Zahlen der Weltbank erklärte 'Jubilee USA Network', dass Nepal bei ausländischen Kreditgebern mit 3,8 Milliarden Dollar in der Kreide stehe. 2013 wurden demnach zur Rückzahlung der Außenstände 217 Millionen Dollar ausgegeben. Das Land schuldet der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank jeweils etwa 1,5 Milliarden Dollar. Die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem IWF belaufen sich auf 54 Millionen Dollar. Weitere 133 Millionen Dollar muss Nepal an Japan und 101 Millionen Dollar an China zurückzahlen.

"Um Mittel aus dem IWF-Hilfsfonds zu erhalten, muss mehr als ein Viertel der 'Produktionskapazität' des Landes durch die Naturkatastrophe zerstört worden sein. Weitere Voraussetzungen sind, dass ein Drittel der Bevölkerung betroffen ist und das Ausmaß der Schäden das nationale Bruttoinlandsprodukt übersteigt", sagt Eric LeCompte, der Exekutivdirektor von 'Jubilee USA Network'. "Für mich steht fest, dass Nepal einen Anspruch auf direkte IWF-Hilfe hat."


Dringend Geld für Rettungseinsätze und Wiederaufbau benötigt

Laut dem Bündnis müsste Nepal in diesem Jahr zehn Millionen Dollar und 2016 fast 13 Millionen Dollar an den IWF zurückzahlen. Werde das Land von dieser Bürde befreit, stünden Fondsmittel zur Verfügung, die sich für die Rettungsarbeiten und den Wiederaufbau einsetzen ließen.

"Durch das Handeln der Regierung Nepals und das der lokalen Gemeinden konnten bereits viele Menschenleben gerettet werden", sagte UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos. "Teams aus Indien, Pakistan, China und Israel haben ihre Arbeit aufgenommen. Weitere Helfer aus den USA, Großbritannien, Singapur, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Europäischen Union und aus anderen Regionen sind auf dem Weg nach Nepal."

Am 26. April hatte das US-Verteidigungsministerium bestätigt, ein Flugzeug mit 70 Besatzungsmitgliedern und Hilfsgütern im Wert von 700.000 Dollar auf den Weg gebracht zu haben.

Nach Schätzungen des Weltkinderhilfswerks UNICEF benötigen etwa 940.000 Kinder aus den von dem Beben schwer betroffenen Gebieten dringend humanitäre Hilfe. Das Welternährungsprogramm WFP verteilt Nahrungsrationen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat medizinische Versorgungsgüter geschickt, die für die Behandlung von etwa 40.000 Menschen ausreichen. Nach Ansicht von Experten wird in den kommenden Wochen und Monaten allerdings erheblich mehr Unterstützung gebraucht.


Zehntausende Nepalesen in Notunterkünften

Zehntausende Menschen verbringen derzeit die Nächte in behelfsmäßig aufgestellten Zelten. Außer besseren Unterkünften sind auch sauberes Trinkwasser, sanitäre Anlagen, weitere Zelte, Decken und Medikamente vonnöten.

Wie aus einem Lagebericht des UN-Nothilfekoordinators OCHA hervorgeht, sind die Krankenhäuser im Tal von Katmandu überfüllt. Es fehle an Medikamenten, und es gebe zu wenig Platz, um die Leichen zu lagern. Das Personal des BIR-Hospitals, einer der führenden medizinischen Einrichtungen des Landes, müsse Verletzte auf den Straßen behandeln.

Noch ist das gesamte Ausmaß der Erdbebenschäden nicht absehbar. "Der Wiederaufbau Nepals wird sich über Jahre hinziehen", sagt LeCompte. "Und eine Entschuldung ist ein Rezept für langfristige finanzielle Stabilität." Mit dem IWF werde sich Nepal voraussichtlich rasch einigen können, meint er. Schwieriger würden sich die Verhandlungen mit der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank gestalten, deren Regeln für einen Schuldenerlass nicht so klar definiert seien. LeCompte nannte es "unglücklich", dass die Weltbank zwar eine Entwicklungsinstitution sei, aber anders als der IWF bisher keinen Plan entworfen habe, um rasch auf humanitäre Krisen reagieren zu können. (Ende/IPS/ck/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/04/want-to-help-nepal-recover-from-the-quake-cancel-its-debt-says-rights-group/

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IPS-Tagesdienst vom 28. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2015

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