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INTERNATIONAL/083: Finanzen - Geber halten nicht, was sie versprechen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Juli 2015

Finanzen: Geber halten nicht, was sie versprechen

von Thalif Deen



Bild: © Priyanka Borpujari/IPS

Dieser Junge ist eines von hunderten Kindern, deren Schulbildung aufgrund eines Gewaltausbruchs in Indien unterbrochen wurde
Bild: © Priyanka Borpujari/IPS

NEW YORK (IPS) - Die Finanzierungszusagen der internationalen Geber sind mit Vorsicht zu genießen. Denn oft genug kommt es vor, dass die Millionen US-Dollar, die sie Ländern für den Wiederaufbau im Anschluss an Konflikte oder Katastrophen in Aussicht gestellt hatten, zu spät, gar nicht oder nur teilweise ankommen.

Unter der Nichteinhaltung der gegebenen Versprechen leiden vor allem die zivilen Opfer. Dazu gehören auch die Frauen und Kinder in militärischen Hotspots wie dem Gazastreifen, dem Libanon, Syrien und seit kurzem dem Jemen. Ebenso betroffen sind die Menschen in den von Erdbeben heimgesuchten Ländern wie Haiti und Nepal sowie in den drei westafrikanischen Staaten, die von der Ebola-Epidemie heimgesucht wurden.

Auf einer internationalen Konferenz in New York in der zweiten Juliwoche waren Guinea, Liberia und Sierra Leone für die Überwindung der durch Ebola verursachten Schäden mehr als 3,2 Milliarden Dollar an humanitärer Hilfe zugesagt worden. Für Experten stellt sich nun die Frage, wie viel der versprochenen Hilfe tatsächlich fließen wird.

Matthew Russell Lee, investigativer Journalist bei 'Inner City Press' (ICP), erkundigte sich diesbezüglich bei Helen Clark, der Administratorin des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP). Welche Schritte würden unternommen, um sicherzustellen, dass die Versprechen tatsächlich eingehalten würden, fragte er. Wie Lee berichtete, ist ihm mitgeteilt worden, dass das UNDP bei den entsprechenden Gebern nachhaken werde. "Doch wäre man bereit, die Nichtzahler öffentlich zu machen?", fragte er in einem Blogeintrag.


Überprüfbarkeit einfordern

Lee betonte gegenüber IPS, dass es das UNDP trotz der in Haiti, im Libanon, im Gazastreifen und im Jemen gemachten negativen Erfahrungen an Mechanismen zur Verifizierung der tatsächlich von den Gebern gezahlten Mittel missen lasse. Seiner Meinung nach sollte das UN-System, wenn es Zusagen von Gebern veröffentliche, nachforschen, ob die Gelder tatsächlich gezahlt würden.

Was den Jemen angeht, zeigte sich Lee befremdet über das überschwängliche Lob, das Saudi-Arabien für die Zusage erhalten habe, dem Jemen humanitäre Hilfe in Höhe von 274 Millionen Dollar bereitzustellen, ohne dass bislang auch nur ein Teilbetrag ausgezahlt worden sei. Mit der Hilfszusage hatten die Saudis auf Kritik reagiert, mit ihren wahllos durchgeführten Bombenangriffen zivile Ziele getroffen und damit gegen internationales Völkerrecht verstoßen zu haben.

Gregory Adams, Leiter der Abteilung für die Wirksamkeit von Hilfsgeldern bei 'Oxfam International', erklärte gegenüber IPS, dass sich Oxfam im Vorfeld der Ebola-Konferenz mit drei vergangenen Krisen befasst habe, um zu sehen, welche Geber ihre Zusagen eingehalten hätten.

"Wir fanden heraus, dass Geber normalerweise nicht einmal die Hälfte dessen bereitstellen, was sie zugesagt haben (47 Prozent). Und das, was letztlich in den von Krisen und Konflikten genesenden Ländern ankommt, dürfte nicht einmal an diesen Prozentsatz heranreichen", fügte er hinzu.

Die Geber hatten 2011 im südkoreanischen Busan versprochen, rechtzeitig mit zugänglichen und detaillierten Angaben aufzuwarten, wohin ihre Hilfszusagen bis Ende 2015 gehen würden. Doch viele haben es versäumt, die kompletten Informationen zu veröffentlichen. Bisher liegen vor allem Informationen über die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) vor.

Dadurch ist es Adams zufolge schwierig zu evaluieren, wie viel der Hilfsgelder, wenn sie ein Empfängerland erreichten, am Ende dort ankämen, wo sie am dringendsten gebraucht würden. Dieser Mangel an Transparenz macht es für die von Krisen betroffenen Gemeinschaften schwer, an den Planungen und Wiederaufbaubemühungen teilzuhaben und Geber, Regierungen und Dienstleister für die Ergebnisse haftbar zu machen.

Eine der wichtigsten Lektionen aus der Ebola-Krise sei gewesen, dass die Bemühungen, den Ländern zu helfen, den Bedürfnissen der betreffenden Gemeinden Rechnung tragen und dass deren Feedback berücksichtigt werden müsse. "Wenn Menschen nicht wissen, wohin die Hilfe geht, können sie nicht planen", sagte Adams.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte im Dezember bei der Bekanntmachung von Zusagen in Höhe von knapp zehn Milliarden US-Dollar für den Grünen Klimafonds, der ab 2020 mit jährlich 100 Milliarden Dollar bestückt werden soll, die Geberstaaten dazu aufgefordert, "ihre Versprechen möglichst schnell einzulösen".

UN-Sprecher Stephane Dujarric hatte in der zweiten Juliwoche auf die häufigen Nachfragen von Journalisten erklärt, dass sich die UN-Hilfsorganisationen mit Saudi-Arabien über die Zahlung der humanitären Hilfe für den Jemen in einer 'Absichtserklärungsphase' befinde.

Auf die Frage, ob es angesichts der Tatsache, dass Saudi-Arabien zu den Konfliktparteien zähle, im Jemen keinen Interessenkonflikt gebe, erklärte Dujarric: "Ich würde nicht von Interessenkonflikt sprechen. Wir begrüßen diese großzügigen Beiträge des Königreichs Saudi-Arabien und [...] wir begrüßen die Tatsache, dass diese Beiträge [...] von den UN-Hilfsorganisationen verwendet werden können." Der UN-Sprecher versicherte ferner, dass die UN-Hilfsorganisationen die Gelder im Sinne des jemenitischen Volks verwenden würden.


Mit Hilfsgeldern für Syrien im Rückstand

Im vergangenen März hatten die Teilnehmer der von Kuwait ausgerichteten internationalen Geberkonferenz 3,8 Milliarden Dollar an humanitärer Hilfe für Syrien zugesagt. Die drei größten Geber waren die Europäische Kommission (EC) und deren Mitgliedstaaten (fast eine Milliarde Dollar), die USA (507 Millionen Dollar) und Kuwait (500 Millionen Dollar).

Etliche internationale Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen inklusive die türkische Stiftung für humanitäre Hilfe, die Katarische Gesellschaft vom Roten Halbmond und die Kuwaitische Islamische Hilfsorganisation sagten zusammen 500 Millionen Dollar zu.

Doch bisher konnte der vollständige Eingang der zugesagten Mittel nicht bestätigt werden.

Damit sich die drei westafrikanischen Staaten Guinea, Liberia und Sierra Leone mit Hilfe der zugesagten Mittel von der Ebola-Epidemie erholen können, hat Oxfam drei Empfehlungen unterbreitet. So müssten die Geber rechtzeitig, detailliert und umfassend über die Verwendung ihrer Mittel im Sinne der von Guinea, Liberia und Sierra Leone formulierten Wiederaufbaupläne informiert werden.

Darüber hinaus müssten sie die Hilfe soweit wie möglich über lokale Einrichtungen einschließlich nationaler und lokaler Regierungen und Nichtregierungsorganisationen einsetzen, die Bürger einbinden und die unabhängige Rolle der Zivilgesellschaft bekräftigen, damit diese Geber, Regierungen und Dienstleister gegebenenfalls haftbar machen könnten. (Ende/IPS/kb/14.07.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/07/pledges-for-humanitarian-aid-fall-far-short-of-deliveries/

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IPS-Tagesdienst vom 14. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2015

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