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HEGEMONIE/1614: Madeleine Albright - Geschäftsfrau von Weltordnungsformat (SB)



Mit der Ernennung der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright zur Vorsitzenden einer Expertengruppe, die das neue Strategische Konzept der NATO vorbereiten soll, betritt eine Politikerin erneut die Bühne der Weltpolitik, die maßgeblich für die Aushungerung des Iraks durch das UN-Wirtschaftsembargo und den Überfall der NATO auf Jugoslawien verantwortlich ist. Die besondere Qualifikation für das neue Amt im Mittelpunkt der strategischen Planung der NATO ergibt sich neben ihrem aufopferungsvollen Einsatz für die Interessen der "unverzichtbaren Nation" - so brachte Albright die Exklusivität der Mission ihres Landes einst auf den Begriff - daraus, daß sie während der Verabschiedung des bisher gültigen Strategischen Konzepts der NATO als Außenministerin der US-Regierung unter Präsident Bill Clinton wesentlichen Anteil an den im April 1999 in Washington getroffenen Entscheidungen hatte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sie längst jene ihr von Kriegsgegnern seitdem immer wieder angelastete Äußerung getätigt, die wie kein zweites Zitat für die Menschenverachtung imperialistischer Kriegführung im Irak steht. In der Fernsehshow 60 Minutes wurde Albright am 12. Mai 1996 von Moderator Lesley Stahl gefragt: "Wir haben gehört, daß eine halbe Million Kinder wegen der Sanktionen gegen den Irak gestorben sind. Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und - sagen Sie: ist es den Preis wert?" Albright brauchte für die Antwort nicht lange zu überlegen: "Ich glaube, das ist eine sehr schwierige Entscheidung, aber der Preis - wir glauben, es ist den Preis wert." Indem die damalige UN-Botschafterin moralischen Bauchschmerzen simulierte, um den Eindruck zu erwecken, ihr falle die Entscheidung, eine halbe Million Kinder zum Tod zu verurteilen, nicht leicht, anstatt sich mit diesem Problem ernsthaft auseinanderzusetzen, ließ sie durchblicken, daß ihre Antwort Ausdruck einer fundierten Positionierung und nicht etwa ein bedauerlicher Fehltritt war.

Am vorgeschützten Selbstverständnis der Menschenrechtskrieger in Washington bemessen war es ein Unding, Albright kurz nach dieser Äußerung zur Außenministerin eines Landes zu ernennen, das seine globale Mission mit dem universalen Charakter der humanitären Werte legitimiert, die es auf seine Fahnen geschrieben hat. Da man in den USA nicht erst seit dem 11. September 2001 keine Probleme damit hat, Menschen in fast beliebiger Zahl auf dem Altar der eigenen Größe zu opfern, ist es nicht abwegig zu vermuten, daß sich Albright mit dieser Antwort erst recht für den führenden Posten im State Department empfahl.

In ihren 2003 erschienen Memoiren "Madam Secretary" nahm sie ihre Worte nicht etwa zurück, sondern beschwerte sich darüber, daß "60 Minutes" sich "wenig Mühe gab, die Schuld Saddam Husseins, seine mißbräuchliche Verwendung der irakischen Ressourcen oder die Tatsache, daß wir weder Medikamente noch Nahrungsmittel unter das Embargo gestellt hatten, klarzustellen." Tatsächlich hat die Regierung Clinton den Import einer Vielzahl medizinischer Artikel in den Irak mit dem Argument boykottiert, es seien Dual-use-Güter, sie hat die Einfuhr von Nahrungsmitteln de facto durch das Exportverbot für Erdöl minimiert, so daß die Not der Iraker erst mit dem Beginn des Öl-für-Nahrungsmittel-Programms im Dezember 1996 gelindert werden konnte.

Vor allem jedoch wartete Albright in ihren Memoiren mit einer Exkulpation in eigener Sache auf, die dieses PR-Fiasko mit einer faustdicken Lüge krönte:

"Ich muß verrückt gewesen sein. Ich hätte die Frage damit beantworten sollen, sie anders zu stellen und auf die in ihrer Prämisse enthaltenen Fehler zu verweisen. Saddam Hussein hätte das Leiden jedes Kindes verhindern können, wenn er nur seinen Verpflichtungen nachgekommen wäre. (...) In dem Moment, als ich geantwortet hatte, wünschte ich mir, ich besäße die Macht, die Zeit anzuhalten und diese Worte zurückzunehmen. Meine Antwort war ein fürchterlicher Fehler, überhastet, ungeschickt und falsch. Nichts ist wichtiger als das Leben unschuldiger Menschen. Ich bin in die Falle gegangen und habe etwas gesagt, daß ich einfach nicht gemeint habe. Das war allein mein Fehler."

Albright bereute, sich eine Blöße gegeben zu haben, und entschuldigte sich keineswegs für den mörderischen Gehalt ihrer Worte. Indem sie die leicht zu widerlegende Behauptung, allein Saddam Hussein sei am Verlust von rund anderthalb Millionen Menschen schuld, die infolge des Wirtschaftsembargos einen vorzeitigen Tod starben, aufrechterhielt, versuchte sie vergeblich, das Blut der US-Kriegführung gegen den Irak von ihren Fingern abzuwaschen.

Als elder stateswoman hat Albright heute kaum schlimmeres auszustehen, als mit Ehrungen überhäuft zu werden und Ämter zu bekleiden, die wie der Vorsitz über die Genocide Prevention Task Force vor allem symbolpolitischer Art sind. Allerdings nimmt sie etwa als Freundin und Beraterin der amtierenden US-Außenministerin Hillary Clinton oder als Vorsitzende des National Democratic Institute for International Affairs (NDI), einer beim Anzetteln bunter Revolutionen im Namen des Demokratieexports höchst aktiven halbstaatlichen US-Institution, weiterhin Einfluß auf das aktuelle Geschehen.

Dies tut sie nicht zuletzt im Interesse ihrer Strategiefirma The Albright Group, in deren Dienste vor einem Jahr Ex-Außenminister Joseph Fischer trat. Vor zwei Monaten hat sich ihr Unternehmen mit Stonebridge International zur Albright Stonebridge Group zusammengetan, um, wie eine Pressemitteilung vom 25.06.2009 besagt, eine "erstklassige, global agierende Strategiefirma" zu bilden, "die ihre Kunden dabei unterstützt, sich an den Schnittstellen zwischen Geschäfts- und Finanzwelt, staatlichen Stellen und der Zivilgesellschaft auf allen Märkten weltweit sicher zu bewegen".

Das Unternehmen bietet zahlreichen hochrangigen Regierungsbeamten der USA wie anderer NATO-Staaten ein gutes Auskommen dafür, daß sie ihre Kunden "bei der Bewertung und Handhabung von Risiken" unterstützen, daß sie Lösungen für "handelsbezogene, politische und aufsichtsrechtliche Probleme auf den weltweiten Märkten" erarbeiten und im Rahmen ihrer strategischen Beratung unter anderem "Analysen hinsichtlich möglicher Privatisierungen" erstellen. Zudem berät die Albright Stonebridge Group die von der Ex-Außenministerin geführte Investmentfirma Albright Capital Management, die auf Investitionen in Schwellenländer spezialisiert ist. Auch in diesem Unternehmen ist Joseph Fischer mit an Bord. Schließlich, so die Pressemitteilung vom 25. Juni 2009, wird Albright Stonebridge Anteile an "der Civitas Group, der führenden strategischen Beratungsfirma im Bereich Heimatschutz und Staatssicherheit, halten".

Albrights Berufung an die Spitze eines Expertengremiums, das an der Formulierung der künftigen Sicherheitsdispositive der NATO teilhat, wird von einer fruchtbaren Synergie von Interessen befördert, die in ihrer ökonomischen und staatlichen Dimension ohnehin kaum auseinanderzudividieren sind. Wenn nach militärischem Investitionsschutz für Unternehmen der USA und EU verlangt wird, wenn im Netzwerk zwischen Regierungen, Großkonzernen und supranationalen Institutionen neue Expansionsmöglichkeiten ausgelotet werden, dann sind Berater mit Regierungserfahrung ideale Vermittler zwischen den diversen Akteuren. Das neue Strategische Konzept der NATO wird den Geschäftsinteressen seiner Urheber zweifellos ebenso dienen, wie es den Überlebensinteressen der diesen im Weg stehenden Menschen auf eliminatorische Weise gerecht wird.

6. August 2009