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HEGEMONIE/1734: Klimakonferenz von Durban - alle wichtigen Fragen ausgeklammert (SB)



Die UN-Klimaschutzkonferenz von Durban endete mit einer Botschaft, die niemand ausspricht und hinter einem Paket an sogenannten Verhandlungserfolgen verborgen wird. Sie richtet sich an die in Existenznot geratenen Bewohner der klimatisch benachteiligten Regionen und lautet: Sauft ab, verdurstet, verhungert, egal was, Hauptsache, ihr belästigt uns nicht, indem ihr zu uns kommen wollt oder andere ernsthafte Ansprüche stellt.

Im Vorfeld der Konferenz hatten Wissenschaftler gewarnt, daß die globale Durchschnittstemperatur um fünf bis sechs Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigen wird; für einen beträchtlichen Teil der Menschheit wären die Konsequenzen verheerend. Der größte Erfolg der Durban-Konferenz lautet nun: Wir setzen noch bis 2017, vielleicht aber auch 2020 fort, was im Sinne seines Anspruchs nahezu unwirksam war - das Kyoto-Protokoll -, nur daß davon auch noch einige Länder (Kanada, Japan, Rußland und Neuseeland) abspringen. Anschließend sehen wir weiter, wenn Länder wie die USA, China und Indien, die sich bereits heute nicht einig sind und dies in neun Jahren noch viel weniger sein werden, in die Klimaschutzverhandlungen einsteigen. Deren Ergebnisse sollen dann rechtlich verbindlich sein oder vielleicht auch nicht, das wird man sehen, wenn es soweit ist ...

Man muß sich einmal vergegenwärtigen, wo wir schon angekommen sind. Noch vor wenigen Jahren erklärten die flachen Inselstaaten und ärmeren Länder, das 2-Grad-Ziel genüge nicht, die internationale Staatengemeinschaft müsse sich auf das 1,5-Grad-Ziel festlegen und dementsprechend größere Anstrengungen unternehmen, damit ihre Treibhausgasemissionen reduziert werden. Inzwischen wird das 2-Grad-Ziel als nicht mehr erreichbar beschrieben, die globale Durchschnittstemperatur stiege mindestens um drei, wahrscheinlich sogar vier, fünf oder noch mehr Grad.

Mit der Vereinbarung, eine frühere Vereinbarung einhalten zu wollen - die Rede ist von einem Klimafonds mit einem Finanztransfer von den reichen zu den armen Ländern von jährlich 100 Mrd. Dollar ab dem Jahr 2020 -, soll der Umstand verschleiert werden, daß auch heute schon die Menschen, die am schwersten von der Erderwärmung betroffen sind, von den anderen im Stich gelassen werden. Mehr noch, sie werden sogar mit technischen und militärischen Mitteln davon abgehalten, klimatisch weniger benachteiligte Regionen aufzusuchen. So errichten die USA einen Hightech-Zaun an der Grenze zu Mexiko, die EU hat ebenfalls gut bewachte Grenzbefestigungen aufgezogen und sichert die Seewege durch die Grenzschutzagentur Frontex. China, Indien, Saudi-Arabien, Botswana ... in der ganzen Welt entstehen Befestigungsanlagen zwischen reich und arm, wobei die wirtschaftliche Besserstellung auf der einen Seite des Zauns häufig mit einer klimatischen Vorteilslage, mindestens aber mit mehr Möglichkeiten, die Folgen des Klimawandels abzudämpfen, einhergeht. Selbst innerhalb der Staaten siedeln sich die Reichen, geschützt in "gated communities" nicht in den Abluftzonen urbaner oder gar industrieller Zentren an, sondern stets in Vorteilslagen.

Das eigentliche Fazit der Durban-Konferenz: Kernfragen des menschlichen Zusammenlebens werden gar nicht erst gestellt. beispielsweise die Frage, wie mit den Flüchtlingen umgegangen wird, die ja heute schon versuchen, sich aus den Mangelzonen zu retten. Den Prognosen der Wissenschaftler zufolge werden in Zukunft Dutzende bis Hunderte Millionen Menschen ihre Heimat verlassen, wenn Inseln und niedrige Küstengebiete überschwemmt werden, Schmelzwässer der Gletscher ausbleiben und daraufhin ganze Landstriche trockenfallen, Grundwasser in unerreichbare Tiefen sinkt, lebensfeindliche Hitzezonen entstehen.

Mit Blick auf den Klimafonds sagte der Sprecher der Afrika-Gruppe auf der UN-Konferenz, Seyni Nafo, daß die armen Länder nicht 100 Milliarden, sondern 500 bis 600 Milliarden Dollar jährlich benötigten. Das war keine taktische Zahl, damit sich die reichen Länder wenigstens an die niedrigere Verpflichtung halten, sondern der Versuch, in Geldwert auszudrücken, was an Nöten auf die ärmeren Länder zukommt.

Die internationale Staatengemeinschaft erlebt derzeit tiefgreifende Umbrüche. Nicht wenige politische Analysten sagen für dieses Jahrhundert den Niedergang Europas und des US-Imperiums sowie auf der anderen Seite ein globalpolitisches Erstarken bestimmter Schwellenländer voraus. In dieser Umbruchphase wird nicht ernsthaft um Klimaschutz, sondern um Vorherrschaft gerungen. Was in Durban und den früheren UN-Konferenzen zum Klimaschutz verhandelt wurde, zielte nicht primär darauf ab, wirksam Einfluß auf das Klima zu nehmen, sondern darauf, sich im Rahmen der Staatenkonkurrenz wirtschaftliche, technologische und politische Vorteile zu verschaffen bzw. diese zu bewahren. Die Opfer dieses Strebens werden namen- und gesichtslos bleiben und später nur als Zahl in irgendwelchen Statistiken auftauchen, über die allenfalls Krokodilstränen vergossen werden.

11. Dezember 2011