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HERRSCHAFT/1439: CIA verteilt Bonbons - Abschied von Geheimknästen (SB)



Die CIA verspricht, alle geheimen Foltergefängnisse, die sie rund um den Globus betrieben hat, zu schließen. Es seien seit seinem Amtsantritt im Februar keine neuen Gefangene in die sogenannten "black sites" verbracht worden, behauptete CIA-Direktor Leon Panetta in einem Memorandum an die Angestellten des berüchtigten US-Geheimdienstes. Auch habe er das Anheuern von Privatpersonen für das Verhören von Gefangenen der CIA verboten, und es sei ein Plan ausgearbeitet worden, wie die verbliebenen Einrichtungen stillgelegt werden können. Mit anderen Worten, es sollen alle Spuren beseitigt werden.

Wie kommt der neue CIA-Direktor auf die Idee, seine Erklärungen besäßen auch nur den Funken von Glaubwürdigkeit? Oder werden wir hier Zeuge des Wirkens einer neuen Informationsverdrehungs- und Öffentlichkeitstäuschungsbehörde, wie sie vom früheren US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vorgeschlagen, aber - angeblich - nicht umgesetzt wurde? Naturgemäß wird das Opfer administrativ betriebener Meinungsmache die ihm zugewiesene Rolle in diesem Spiel in den seltensten Fällen durchschauen ...

Mit Panettas Erklärungen setzt die neue US-Administration ihre heuchlerische Politik des Wandels konsequent fort. Was will sie uns mit der Ankündigung, die geheimen Gefängnisse zu schließen, sagen? Wir sind jetzt ganz andere, wir machen nicht mehr die schlimmen Dinge, die unsere Vorgängerregierung gemacht hat. Im Neusprech der Obama-Regierung heißt das: Wir werden das Gefängnis von Guantánamo schließen - aber die Insassen sind schuldig, weil sie Insassen sind. Wir ziehen uns aus Irak zurück - aber das gilt nur für die Kampftruppen, ein paar zehntausend Mann bleiben als Berater und Ausbilder im Land. Wir wollen eine Politik des Dialogs und Respekts betreiben - aber wir müssen pakistanische Dörfer bombardieren und die Terroristen ausräuchern. Wir wollen den Europäern keine Vorschriften machen - aber sie sollten viel, viel mehr ins Militär stecken.

Nun also die gleiche Predigt für die Black Sites: Ihr müßt uns glauben, daß wir diese Foltergefängnisse, deren Existenz wir euch jahrelang verschwiegen haben und in denen Menschen, sämtlicher Rechte beraubt, permanenter Qual und Folter unterworfen werden, nicht mehr betreiben. Ehrlich. Auch werden keine harten Verhörmethoden mehr anwenden, sondern nur noch "dialogmäßige" Befragungen vornehmen (Panetta: a dialogue style of questioning), so wie es im Army Field Manual, dem Handbuch für die US-Soldaten, festgelegt wurde. (Spricht der stiernackige, 140-kg-Joe zum ausgezehrten Ali, den er zu einem Tee mit leichtem Gebäck eingeladen hat: "Weißt du was über einen Anschlagsplan auf unsere Basis?" "Nein." "Sehr gut, dann können wir jetzt zum gemütlichen Teil des Treffens übergehen. Noch etwas Tee?")

Ob die neue US-Regierung tatsächlich all das erfüllt, was sie verspricht, kann niemand von außerhalb beurteilen, denn Geheimdienste agieren ihrer Natur nach klandestin. Obama und Co. werden nicht nach ihren Worten, sondern ihren Taten zu beurteilen sein, und die zeigen eine ungebrochene Kontinuität des US-Imperialismus. So wird laut Panetta die Entführung und befristete Verschleppung von Gefangenen, extraordinary renditions, beibehalten. Nach wie vor maßen sich die USA das Recht an, Menschen aus ihren Lebenszusammenhängen zu reißen und in andere Länder zu verfrachten, wo sie dann gefoltert werden können. Da der neuen Anweisung zufolge CIA-Beamte melden sollen, wenn sie Zeugen von Folterpraktiken werden, dürfte die (für ausländische Geheimdienste lästige) Neuerung unter Obama darin bestehen, daß man bei den Folteropfern keine Spuren sehen soll. Läsionen wird es also künftig nicht mehr geben, jedenfalls nicht im Gesicht und anderen unbedeckten Stellen.

Es gibt keinen Grund, einer Regierung zu glauben, die unter absichtlich konstruierten Vorwänden Kriege vom Zaun bricht, Millionen Menschen in Afghanistan und Irak zu einem Leben in Siechtum verdonnert und sich als Sheriff für die ganze Welt aufspielt. Zur Zeit erscheint es der US-Regierung opportun, ihre Geheimgefängnisse zu schließen oder dies zumindest zu behaupten. Schon morgen können veränderte Umstände ins Feld geführt werden, um zu begründen, daß sie wieder gebraucht werden.

11. April 2009