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HERRSCHAFT/1440: Internationaler Tag zur Befreiung der Bauern (SB)



Selten wie kaum eine der vielen jährlichen Gedenktage trifft der heute begangene Internationale Tag zur Befreiung der Bauern ins Schwarze. Auch in Deutschland. Dort zogen gestern Tausende aufgebrachte Bauern vor die Molkereien und protestierten gegen die historisch niedrigen Milchpreise. Mit 20 bis 26 Eurocent pro Liter können die Erzeuger kaum noch ihre laufenden Kosten decken, geschweige denn Schulden abtragen oder größere Investitionen in Maschinen und Anlagen tätigen. So setzt sich das allgemeine Höfesterben weiter fort. Das wird von der Europäischen Union, die letztlich das Sagen im Bereich der Landwirtschaft hat, durchaus gefördert. Sie hat zwar ihre Hochsubventionspolitik für Großbetriebe inzwischen zurückgefahren, aber das bedeutet nicht, daß in der Folge der kleine oder mittelständische Betrieb gefördert würde.

Seit dem denkwürdigen Jahr 1996 wird der 17. April von der Bauernbewegung La Via Campesina als International Day of Peasant's Struggles, dem Tag zur Befreiung der Bauern, ausgewiesen. Wenn auch die deutschen Milchbauern andere Probleme haben die Landlosen Brasiliens, von denen 19 Mitglieder am 17. April 1996 von der Polizei erschossen wurden, weil sie nicht mehr wollten als ein Stückchen Land, das sie bewirtschaften konnten, so findet auch in Deutschland eine Vertreibung der Bauern statt. Mögen die dabei eingesetzten Methoden auch weniger brutal erscheinen, im Ergebnis ähneln sie sich mehr, als hiesige Latifundienbesitzern wissen wollen: Ein Bauer verliert seinen Hof und wird davon abgehalten, Land zu bewirtschaften, weil die vorherrschende Eigentumsordnung ihn von vornherein zu den Benachteiligten rechnet. Innerhalb der nächsten zwölf Monate müssen voraussichtlich zwei Drittel der Milchbauern ihren Betrieb schließen, lautet das Umfrageergebnis des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), der die gestrigen bundesweiten Proteste der Bauern organisiert hat.

Die rapide Verteuerung von Nahrung in den Jahren 2007 und 2008, die nur zu einem Teil wieder etwas zurückgefahren wurde, hat Vertretern aus Politik, Wirtschaft und internationalen Institutionen wie Weltbank oder UNO vollmundige Lippenbekenntnisse abgerungen, wonach ein Kurswechsel vorgenommen und künftig nicht die industrielle Landwirtschaft, sondern das Kleinbauerntum gefördert werden solle; nur so könne der Nahrungsmittelkrise wirksam begegnet werden.

Heute erleben wir, daß die EU und USA weiterhin darauf bestehen, ihre Agrarsektoren mit Milliardenbeträgen zu subventionieren (was vor allem den Großbetrieben zugute kommt - in den USA gilt ein Betrieb, der "nur" 300 Hektar bewirtschaftet, inzwischen als kaum noch rentabel), gleichzeitig aber die Schwellen- und Entwicklungsländer im Rahmen der Doha-Runde zu einer weitreichenden Öffnung ihrer Märkte genötigt werden sollen. Das wäre der Tod der Agrarproduktion in den Ländern des Südens. Dazu tragen auch die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen bei, die die Europäische Union mit den AKP-Staaten - das Akronym steht für Afrika, Karibik und Pazifik; damit werden ehemalige Kolonialstaaten bezeichnet, die nach der Entlassung in die Unabhängigkeit Handelspräferenzen eingeräumt bekommen haben - bis Juni dieses Jahres abschließen will. Ähnlich wie bei der Doha-Runde geht es um die Abschaffung der letzten staatlichen Schutzmechanismen der ärmeren Länder gegenüber den kapitalstarken westlichen Investoren.

Darüber hinaus setzen sich weltweit biotechnologische Anbaumethoden immer mehr durch. Das stärkt ebenfalls große Agrokonzerne wie Monsanto, die lizenzierte Saat verkaufen, die der Bauer jedes Jahr von neuem erwerben muß - seit Jahrtausenden hatten sich die Bauern stets ein Teil ihrer Saat aufbewahrt, um sie in der nächsten Saison aussäen zu können.

Wenn nun am morgigen Samstag erstmals die Landwirtschaftsminister der G8-Staaten zusammenkommen, werden sie versuchen, die Weichen für eine Weltordnung zu stellen, in der den kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben und sogar den in Subsistenz wirtschaftenden Bauern Großes wird versprochen werden. Dabei sollte man nicht vergessen, daß solche Verheißungen ein uraltes Mittel der Herrschaftssicherung bilden.

Seit Beginn der Stadtgründungen vor mehreren tausend Jahren haben die Bewohner der Städte mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, vom Tauschhandel über den Währungsverkehr bis zu schlichten Gewaltmitteln, dafür gesorgt, daß sie von den Landbewohnern versorgt werden. Zugleich mußte verschleiert werden, daß die Städter auf die Landbewohner angewiesen waren, nicht aber die Landbewohner auf die Städter. Diese Einstellung bestimmt bis heute das Verhältnis zu den Bauern - wobei in diesem Kontext zu beachten ist, daß die funktionale Zuordnung Bauer erst entstand, als es Städter gab. So fern sich die Bauern Deutschlands und die Landlosen Brasiliens geographisch auch sind und so verschiedenen die Zwänge, denen sie ausgesetzt werden, auch erscheinen, eint sie doch das uralte Ringen um Anerkennung ihrer landwirtschaftlichen Arbeit.

17. April 2009