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HERRSCHAFT/1446: Green New Deal - Ökokeynesianismus für die Bourgeoisie (SB)



Die neuen Heroen der Grünen weisen den Weg. Auf dem Wahlparteitag in Berlin erinnert nichts mehr daran, daß diese Partei ihre Anfänge vor 30 Jahren in linksalternativen Kreisen nahm, während man durchaus erkennen kann, daß ihre Gründung den Niedergang der revolutionären Linken besiegeln sollte. Zur Animation der Delegierten eingespielte Filme, in denen die umweltpolitischen Vorstellungen von Barack Obama, Prince Charles, Arnold Schwarzenegger und Ban Ki-Moon als leuchtendes Vorbild für den vom Parteivorsitzenden Cem Özdemir proklamierten "Green New Deal" zelebriert werden, belegen, daß die Neigung der Grünen, sich auf irgendeine Weise mit den Problemen der Ausgebeuteten und Unterdrückten zu befassen, gegen Null gehen. Der Präsident einer imperialistische Kriege führenden Großmacht, der Thronfolger einer Monarchie, die mit neokolonialistischer Außenpolitik versucht, an die Erfolge ihres räuberischen Empire anzuknüpfen, ein zum republikanischen Gouverneur gewandelter Filmstar, der wie seinerzeit Ronald Reagan die Personalunion von reaktionärer Propaganda und Politik verkörpert, und ein UN-Generalsekretär, der sich wie keiner seiner Vorgänger einer von der globalistischen Triade kontrollierten Weltordnung verpflichtet fühlt - mit Leitbildern wie diesen kann man keinen Fehler machen.

"Aus dieser Krise führt nur ein Weg", behauptet Özdemir und widmet sich in seiner Rede ganz dem politischen Farbenspiel, das sich so leicht in die Herzen und Köpfe der Wähler träufeln läßt, als das Benennen gesellschaftlicher Widersprüche, die sich nicht mit Formeln vom Aussagewert einer Produktwerbung harmonisieren lassen, sie verstört. Das Motto des Wahlparteitags "Grün dreht das - Klima, Arbeit, Gerechtigkeit, Freiheit" ist so griffig, wie es sich für eine auf Erfolg abonnierte Partei gehört. Der "neue Gesellschaftsvertrag", den Özdemir anbietet, zeugt davon, daß die Change-Strategie Obamas auch hierzulande verfangen hat:

"Der blaue Mann wird grün. In den USA sagt man jetzt: Green is the new blue. Aus blue-collared jobs, den Blaumännern, werden green-collared jobs. Wir zeigen in unserem Wahlprogramm: Mit grünen Investitionen in Klima, in Bildung und in Gerechtigkeit schaffen wir eine Million neuer zusätzlicher Jobs in der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten vier Jahren."

Was die Grünen auf ihren Fahnen geschrieben haben, ist kapitalistisches Wachstum unter regenerativem Vorzeichen. Weiter wie bisher, so lautet die Devise, nur müssen Investitionen und Technologien umweltfreundlicher gestaltet werden, dann klappt's auch mit der Konjunktur. Regeneriert werden die Grundlagen der Profitmaximierung, nicht die Lebensvoraussetzungen von Menschen, die in dieser Verwertungskette keinen Platz haben oder die Funktion eines Betriebsstoffs erfüllen. Der Versuch der Grünen, ihr längst von der politischen Konkurrenz okkupiertes Leib-und-Magen-Thema krisenadäquat aufzuarbeiten, bedient sich eines Ökokeynesianismus, der an dem Problem kapitalistischer Mehrwertproduktion und dem Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht rühren will.

Die schöne grüne Welt einer vor allem in die gesellschaftliche Reproduktion investierenden Wirtschaftsweise kommt erst recht nicht ohne Mehrwertabschöpfung durch die Verlagerung industrieller Produktion in Billiglohnländer und die Verschiebung zerstörerischen Verbrauchs in die Elendsregionen der Welt aus. Allein der Ressourcenaufwand, der bei der Produktion regenerativer Technologien anfällt, weist das Konzept eines sich quasi zerstörungsfrei reproduzierenden und dabei auch noch Wirtschaftswachstum erzeugenden Kapitalismus als Trugbild von desaströser Konsequenz aus. Die Ahnung, daß man das Versprechen auf den Erhalt des erreichten Wohlstands, einen Zuwachs an angemessen entlohnter Arbeit und auf soziale Gerechtigkeit für Erwerbslose und nicht Arbeitsfähige nicht einlösen kann, ohne die das Nord-Süd-Verhältnis bestimmenden Raubstrukturen zu vertiefen und das Kapitalverhältnis gegen die Interessen der Lohnarbeiter und Erwerbslosen durchzusetzen, bestätigt sich in der Adaption des Obama-Faktors durch die grünen Wahlkampfstrategen.

Als freundliches Gesicht eines trotz aller gegen den Neoliberalismus gerichteten Rhetorik im Kern unveränderten Kapitalismus wertet der US-Präsident die Lebenslügen einer arrivierten Klasse gutbürgerlicher Ex-Linker auf, die sich in den bunten Fassaden und wirkmächtigen Symbolen der herrschenden Ordnung bequem eingerichtet haben. Die Logik des Kapitalismus nicht bis in die Abgründe einer Mangelproduktion voranzutreiben, die für Milliarden Menschen den lebensverkürzenden bis akut mörderischen Verzicht auf essentielle Lebensmittel und Versorgungsleistungen bedeutet, setzte eine radikale persönliche Stellungnahme voraus, die dem wohlanständigen gutsituierten Auskommen ein Ende bereiten könnte. Ob die Farbe des Kragens der Lohnarbeiter blau oder grün ist, ob sie Autos oder Windkraftanlagen herstellen, ändert nichts daran, daß sie dies zur Schaffung von Mehrwert vor dem Hintergrund eines immer wieder an seiner eigenen Expansionslogik auflaufenden Verwertungssystems tun.

Das Fortschreiben der kapitalistischen Gesellschaft gilt dem Erhalt der Privilegien einer kleinen Minderheit der Weltbevölkerung. Die aktuelle Legitimationskrise wird grün bemäntelt, um glauben zu machen, daß die Ausbeutung der Menschen und der Natur auf eine die dabei verbrauchten Ressourcen schonende Weise erfolgen könne. Raub bleibt jedoch Raub, auch wenn er mit freundlichen Farben und schönen Worten in ein hoffnungsvolles Licht getaucht wird. Wenn man nicht einmal entschieden dafür kämpft, daß alle Menschen unterschiedslos ein angemessenes Auskommen haben, dann ist man weit davon entfernt, Tiere, Pflanzen und weitere Ressourcen zu schonen. Daß deren Schutz mitunter über den der Menschen gestellt wird, dient schlicht der ethisch überblendeten Konservierung essentieller Lebensvoraussetzungen für eine grüne Elite, die nicht gewillt ist, die Frage von Verbrauch und Zerstörung in jener Konsequenz zu stellen, die tatsächlich Veränderungen zum Besseren bewirkte.

9. Mai 2009