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HERRSCHAFT/1523: Ein Popanz für die Massen ... Politiker sind käuflich! (SB)



Welch eine Neuigkeit - Politiker sind käuflich. Wenn der NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers im Rahmen von Komplettangeboten, die Unternehmen eine bevorzugte Behandlung auf den Parteitagen der NRW-CDU sichert, gleich mit verhökert wird, dann wird ein öffentliches Amt in den Dienst einer Partei gestellt, die gerade nicht für eine derartige Form der Vorteilsnahme gewählt wurde. Was immer bei den Gesprächen, die im Rahmen dieser Angebote möglich gemacht werden, zwischen den Unternehmensvertretern und dem Ministerpräsidenten verhandelt wird, ist zweifellos im Interesse derjenigen, die dafür bezahlt haben. Wer keinen privilegierten Zugang zum Chef der Exekutive hat, muß ungleich längere Wege gehen, um sein Gehör zu finden, wenn er es überhaupt schafft.

Doch den Rüttgers Honoratioren-Club zum Anlaß eines Skandals zu machen heißt, die Durchdringung der Politik von Kapitalinteressen zu niedrig zu hängen. Über Nebeneinkünfte werden Abgeordnete auf spezifische Interessen festgelegt, in den Parlamenten sitzen ausgemachte Wirtschaftsvertreter, für die die Parteien eigens Listenplätze freihalten, durch den Wechsel vom öffentlichen Amt in die Privatwirtschaft und umgekehrt sind regelrechte Drehtüren zwischen Staat und Kapital entstanden. Die Inanspruchnahme äußerer Beratung bei der Ausarbeitung von Gesetzen in der Ministerialbürokratie ist ein eher kleines Einfallstor für Partikularinteressen, ganz im Gegensatz zum Einfluß großer Stiftungen und Institute auf die Leitlinien der Politik, der eine Vielzahl von Wegen nimmt, die sich der demokratischen Kontrolle entziehen. Die willfährige Kolportage kapitalfreundlicher Propaganda durch die Medien und ihre Kollaboration mit PR-Agenturen, deren Auftraggeber nicht nur aus der Wirtschaft kommen, sondern zu denen auch Regierungen zählen, die einen Krieg zu verkaufen haben, tun ein übriges dazu, die Hegemonie einer kleinen Zahl einflußreicher Personen zu Lasten aller anderen durchzusetzen.

So wird die Demokratisierung Afghanistans mit Bomben und Granaten vollzogen, weil die demokratische Willensbildung im eigenen Land an einer formierten, von den Kartellen der Kapitalmacht beherrschten Gesellschaft scheitert. Rüttgers und Konsorten sind bloße Fußsoldaten eines Elitenkomplexes, dessen innerer Kern zwar allgemein bekannt ist, in den tagespolitischen Debatten jedoch durch Abwesenheit glänzt. In diesen wird den ihre Macht über Jahrzehnte ausbauenden Dynastien der großen Kapitaleigner das Feld mit Parolen bereitet, die nicht widersinnig genug sein können, um unbestritten zur allgemeinen Verdummung beizutragen.

"Leistung muß sich wieder lohnen", wird hart für jeden Cent schuftenden Lohnabhängigen von denjenigen vorgegaukelt, die "ihr Geld für sich arbeiten lassen". Jeder Erwerbstätige weiß, daß Geld nicht arbeitet, sondern durch reale Ausbeutung erwirtschaftet und vermehrt wird. Dementsprechend abwegig ist es, Leistung anhand von Kapitalinvestitionen zu quantifizieren, für die die Menschen, die dadurch Lohnarbeit erhalten, auch noch dankbar sein sollen. Eine auf derartigen Prämissen aufbauende Gesellschaftsdoktrin kann gar nicht anders, als der daraus erwachsenden Empörung immer neue Popanze vorzuhalten, an der die Wut wirkungslos verpufft. Da die gegen Hartz IV-Empfänger gerichtete Hetze nahe am herrschenden Gewaltverhältnis siedelt und nicht allein mit sozialfaschistischer Propaganda zu Lasten der Betroffenen durchzuhalten ist, da der Antikommunismus mangels einer sozialistischen Alternative nur noch sehr bedingt zum Einschwören der Bevölkerung auf den gemeinsamen Feind taugt und auch die Terroristen nicht für jede soziale Schieflage haftbar gemacht werden können, muß dem Plebs hin und wieder ein Zumwinkel, ein Rüttgers oder Ackermann vorgeworfen werden.

23. Februar 2010