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PROPAGANDA/1341: Müntefering stahl Steinmeier die Show (SB)



Wer geglaubt hatte, daß die SPD nach den für sie niederschmetternden Ergebnissen der Europawahl nicht noch tiefer sinken kann, sieht sich angesichts des kläglichen Verhaltens der Parteioberen getäuscht. Es heißt, der Parteivorsitzende Franz Müntefering hätte dem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier die Show gestohlen, weil er bei einem Parteitreffen am vergangenen Samstag (13.6.) im Berliner Umspannwerk seine neue Flamme, Michelle Schumann, vorgestellt habe. Stellvertretend für andere Kommentare lesen wir dazu in der Online-Ausgabe des "Tagesspiegel" (19.6.2009): "Konkret wird Müntefering vorgeworfen, sich am Samstag auf dem Parteiabend zu seiner 40 Jahre jüngeren Partnerin Michelle Schumann bekannt zu haben - auf die Gefahr hin, die Aufmerksamkeit von Steinmeier auf sich selbst zu lenken. Etliche Genossen empfanden Münteferings Paarlauf als in höchstem Maße unsolidarisch gegenüber dem Kandidaten."

Wie peinlich! Da stellt jemand offiziell seine Freundin vor, und der nicht-vorhandene Glanz Steinmeiers geht dadurch flöten. Lassen sich die roten Socken tatsächlich so leichtfüßig von inhaltlichen Fragen, mit denen insbesondere in Krisenzeiten ein Kandidat für das Kanzleramt hervortreten sollte, ablenken? Anders gefragt: War beides eine Show, der Auftritt des neuen Paares und der Auftritt des Kandidaten? Offensichtlich. Wundert es da noch, daß die SPD-Umfragewerte in den Keller gehen?

Daß Politik und Boulevard austauschbar sind, erfüllt eine leicht zu durchschauende Funktion. Es soll das Wahlvolk davon ablenken, daß es, wenn es seine Stimme einmal abgibt, keine Stimme mehr hat und politische Entscheidungen über seinen Kopf hinweg und gegen seine Interessen getroffen werden. Unter dieser Prämisse kann tatsächlich der Auftritt des Parteivorsitzenden mit seiner neuen Partnerin dem Kanzlerkandidaten die Show stehlen. Insofern hätten die Genossen recht, wenn sie Müntefering Disziplinlosigkeit vorwerfen.

Indes bleibt noch ein nagendes Gefühl, das sich partout nicht abschütteln läßt. Dem Sauerländer wäre durchaus zuzutrauen, daß er den Buhmann spielt - im "Dienste" seiner SPD. Denn nicht jeder Streit schadet automatisch einer Partei. Bislang erscheint Steinmeier bei seinen Auftritten wie ein Ministerialbeamter mittlerer Laufbahn. Die SPD sucht verzweifelt nach einem Frontmann, und da weit und breit niemand anderes in Frage kommt, soll er womöglich dadurch Kontur erhalten, daß er "siegreich" aus einem inszenierten Konflikt mit Müntefering hervorgeht. Wie auch immer. Eines steht jedenfalls fest: Die Vorstellung einer neuen Partnerin durch einem Parteivorsitzenden kann unmöglich einem Kanzlerkandidaten die Show stehlen kann, wenn das Publikum - die versammelten Parteimitglieder - nicht mitspielt.

19. Juni 2009