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PROPAGANDA/1359: Hoffnungsträger Obama wird von vielen Händen getragen (SB)



Ein Jahr nach seiner Wahl zum US-Präsidenten ist Barack Obama nicht nur auf Normalmaß geschrumpft. Die Höhe der in ihn gestellten Erwartungen hat dafür gesorgt, daß die Enttäuschung vieler seiner Anhänger um so gründlicher ausfällt. Obama hat sich als Sachwalter der Geschäfte jener Klasse entpuppt, die ihn an die Macht gebracht hat. Dabei handelt es sich um ein Lehen auf Widerruf, kann doch kein US-Präsident sein Amt ohne eine Hausmacht ausüben, deren Interessen er zu befriedigen hat.

Wer Obamas rhetorischen Glanzleistungen geglaubt hat, der hat die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen. Seine Reden zeichneten sich stets durch das Bemühen aus, nicht so eindeutig Position zu beziehen, daß er sich über das Lager der rechten Republikaner hinaus Feinde gemacht hätte. Hoffnung und Harmonie waren nicht nur Kernbegriffe, sondern zentrale Strategien seines Wahlkampfs. Das Entwerfen sonniger Perspektiven bei strikter Vermeidung einer Polarisierung, die den sozialen Konflikt schon vor der Wahl eröffnet hätte, anstatt ihn durch schöne Aussichten zu befrieden, verfing bei einer auf PR-Strategien aller Art konditionierten Bevölkerung gut genug, um die nach Lage der Dinge unwahrscheinliche Kür eines schwarzen Präsident möglich zu machen.

Schon vor dem 4. November 2008 hat Obama deutliche Grenzen gegen die im Ghetto sozialisierten Schwarzen und ihre antirassistisch argumentierenden Führer gezogen. Die Distanzierung von seinem Pfarrer Jeremiah Wright war ein wirksames Antidot gegen den virulenten Verdacht, Obama sei ein verkappter Schwarzenrechtler, ohne daß diese Bezichtigung damit so viel an destruktiver Gewalt eingebüßt hätte, daß sie sich nicht mehr gegen den Präsidenten verwenden ließe. Die Widerlegung der von vielen mit der Wahl eines Schwarzen attestierten Normalisierung des gesellschaftlichen Klimas der USA wird von einer wachsenden Schar erbitterter Feinde Obamas vollzogen. Sie bezichtigen ihn unter unverhohlen rassistischem Vorzeichen, mit der Reform des Gesundheitswesens den Sozialismus einzuführen, sprich das abgehängte, vorwiegend farbige Proletariat mit ihm nicht zustehenden Vergünstigungen zu verwöhnen. Daß Obama mit diesem Kernstück seiner sozialpolitischen Agenda weitgehend am Block der Pharmakonzerne und Finanzlobbyisten gescheitert ist, obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, die Bevölkerung aufzurufen, ihn gegen seine Gegner zu unterstützen, dokumentiert nicht nur das die Washingtoner Politik bestimmende Gewaltverhältnis.

Die Neigung Obamas, der neokonservativen Rechten ohne offensichtliche Not Zugeständnisse zu machen, zeigt auch, wie sehr er ihren Forderungen aus der eigenen Gesinnung eines neoliberalen Demokraten heraus verpflichtet ist. Obama stand niemals links, und sein fortschrittliches Image ist vor allem dem Vergleich zu seinem Vorgänger George W. Bush geschuldet. Wenn der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika heute in großen Zügen dessen Politik fortsetzt und es schafft, mit kleinen Modifikationen den Eindruck zu erwecken, es habe ein Bruch mit Bush stattgefunden, dann ist das vor allem der großen Unterstützung zu verdanken, die er in Europa erhält. Dort hat der messianische Impetus seiner Bewerbung fast noch mehr als in den USA selbst gefruchtet, sehnten sich doch viele nach einer Restauration der transatlantischen Beziehungen.

Deren Verbesserung ist zweifellos der offenkundigste Erfolg der bisherigen Amtszeit dieses US-Präsidenten. Dabei helfen nicht zuletzt seine erbitterten Gegner, die aus europäischer Sicht all das verkörpern, was an den USA hassenswert ist. So lange Obama noch den Eindruck erwecken kann, ein von reaktionären Kräften getriebener und zudem in seiner Hautfarbe nach wie vor nicht vollständig akzeptierter Amtsträger zu sein, ist ihm der Bonus des Märtyrers sicher. Daß er sicherlich am besten wußte, worauf er sich mit seiner Kandidatur einließ, und daß er gute Gründe dafür gehabt haben wird, sich für den Machterhalt der ihn fördernden Eliten einspannen zu lassen, wird allzuleicht vergessen. Es gibt keinen Grund, Obama gegen Kritik an der Irreführung seiner Anhänger in Schutz zu nehmen, ist ein weiterer Erfolg seiner Kür doch gerade mit dieser verknüpft. So ist das Absterben der Antikriegsbewegung, die in der Endphase der Bush-Administration über große Mobilisierungsfähigkeit verfügte, der vermeintlichen Antikriegsposition Obamas geschuldet.

Obwohl er diese durch Äußerungen zu Afghanistan und Pakistan frühzeitig dementiert hat, haftete ihm während des Wahlkampfs das Ansehen des Friedensstifters an. Zahlreiche Demonstranten traten nicht gegen die Kriegführung der USA, sondern nur die Kriegführung Bushs an. Der Keim des Aufwuchses Obamas zum Hoffnungsträger für eine friedlichere Welt wurzelt im Projekt eines neuen, angeblich menschenfreundlicheren Imperialismus. Die Sicherung der eigenen Privilegien gegenüber dem großen Rest der Welt steht für diese Klientel ganz oben auf der Agenda, das gilt auch für die vielen Anhänger Obamas in Europa. Ihnen bietet der schwarze Präsident neue Legitimation für eine von US-amerikanischer Militärgewalt dominierte Weltordnung, an der Europäer genesen sollen, selbst wenn sie anderen Menschen Tod und Verderben bringt.

3. November 2009