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PROPAGANDA/1422: Peter King stellt US-Muslime unter Generalverdacht (SB)



Der reaktionäre Republikaner und Vorsitzende des Heimatschutzausschusses im Repräsentantenhaus, Peter King, schmiedet mit seiner Hetzkampagne gegen Muslime das Feindbild Islam im Feuer um sich greifender Verlustängste der US-amerikanischen Bevölkerung und rassistischen Fremdenhasses als ebenso naheliegende wie fehlgeleitete Antwort auf die zum Ausbruch drängende Widerspruchslage. Nach dem Ende des kalten Krieges erschufen die USA und ihre Verbündeten einen neuen Gegner, um ihre Raubzüge zu rechtfertigen und ihr Streben noch globaler Dominanz zu unterfüttern. Der sich abzeichnende Untergang des US-Imperiums und die unkontrollierbare Systemkrise des Kapitalismus haben die Kriegszüge der westlichen Mächte nach außen und innen verschärft, die sich um so verbissener an ihren Waffen, Propagandakonstrukten und administrativen Repressionswerkzeugen festkrallen, je mehr ihnen neue Entwürfe menschlicher Entwicklung im weltweiten Zusammenhang den Rang ablaufen. Ausbeutung und Unterdrückung im Zuge kapitalistischer Verwertung zu leugnen, indem fiktive Bedrohungsszenarien vorgehalten werden, bedarf immer aberwitzigerer Überstreckungen haltloser Bezichtigung auf dem Weg zum Pogrom - oder der jähen Ernüchterung wie aus einem Albtraum erwachender Menschen, die plötzlich erkennen, wer sie aus welchem Grund gegeneinander hetzt. So hängen die Kriege nach außen und innen untrennbar miteinander zusammen, da der Zusammenbruch nur durch dieselbe forcierte bellizistische, ökonomische und ideologische Expansion hinausgezögert werden kann, die ihn zugleich unvermeidlich macht.

Wenn Peter King bei seiner infamen Anhörung im US-Kongreß nach "radikalen Muslimen in den USA" fragt und dabei auf die Emotionen einer mediengenerierten Öffentlichkeit setzt, weiß er um die Breitenwirkung seiner populistischen Offensive, die Tags darauf in den Vereinigten Staaten selbst die Ereignisse in Libyen und den anderen arabischen Ländern Nordafrikas aus der Führungsposition in den Schlagzeilen verdrängte. Der 66jährige Hardliner aus dem Staat New York will untersuchen, warum angeblich immer mehr einheimische Muslime zu extremistischer Gewalt gegen US-Ziele neigten, wobei er eine Radikalisierung dieser Bevölkerungsgruppe ausgemacht haben will, die Teil der Strategie der Terrororganisation Al Kaida sei. Von der muslimischen Gemeinschaft verlangt King, sie müsse sich wesentlich deutlicher gegen den Terrorismus aussprechen. Die heftige Kritik an seiner Reihe von Anhörungen weist er entschieden zurück und spricht von "Hysterie" sowie einer "feigen politischen Korrektheit", der er sich nicht anschließen werde. Es gebe Elemente in der muslimischen Gemeinschaft, die radikalisiert werden, und allemal "zu viele Moscheen in diesem Land", von denen 80 Prozent von Extremisten beherrscht würden. Für ihn sei die muslimische Gemeinschaft "der Feind, der unter uns lebt". [1]

King braucht die Einwände seiner politischen Kritiker nicht zu fürchten, solange diese unter Krokodilstränen ins selbe Horn stoßen. Die Demokraten sehen bereits in der Fragestellung der Anhörungen eine Vorverurteilung. In den USA lebten mehrere Millionen Muslime, die entweder im Land geboren oder zugewandert seien. Fast alle liebten Amerika und viele seien bereit, das Land in den Streitkräften mit ihrem Leben zu verteidigen. Der stellvertretende Sicherheitsberater Präsident Barack Obamas, Denis McDonough, warnte bei einem Moscheebesuch vor der Ausgrenzung muslimischer Bürger. Man dürfe keinesfalls den Eindruck vermitteln, einige Bürger seien wegen ihrer Religionszugehörigkeit keine richtigen Amerikaner. Solche Verdächtigungen führten manche Muslime in den USA möglicherweise tatsächlich zum Extremismus. [2]

Dieser Auffassung schloß sich der ranghöchste Demokrat im Ausschuß, Bennie Thompson, mit der Erklärung an, die Hearings könnten von Al Kaida zu Propagandazwecken ausgenutzt werden. Es entstehe der Eindruck, als befänden sich die USA im Krieg mit dem Islam. Bei seinem Auftritt im Rahmen der Anhörung klagte der demokratische Abgeordnete Keith Ellison, einer von zwei Muslimen im Kongreß, unter Tränen, man dürfe doch nicht die gesamte muslimische Bevölkerung für den Extremismus einiger weniger verantwortlich machen. Muslime seien ein integraler Teil der Gesellschaft und die Polizei auf die Hilfe muslimischer Bürger angewiesen.

Acht große muslimisch-amerikanische Organisationen, von denen bezeichnenderweise kein einziger Vertreter zu der Anhörung eingeladen wurde, werfen King eine "Hexenjagd" vor. Sein Vorgehen erinnere fatal an Senator Joseph McCarthy und dessen "Komitees für unamerikanische Aktivitäten", die in den USA der 1950er Jahre mit ihrer Jagd auf Kommunisten ein Klima der Repression schufen. Die Demokraten weisen zudem auf ein weiteres düsteres Kapitel US-amerikanischer Geschichte hin, in dem einzelne Bevölkerungsgruppen aus nationalen oder ideologischen Gründen an den Pranger gestellt wurden, nämlich die Internierung von Bürgern japanischer Abstammung während des Zweiten Weltkriegs. Diese gelte heute ebenso als nationale Schande wie die McCarthy-Ära.

Als Präsident George W. Bush eine Woche nach den Anschlägen vom 11. September 2001 demonstrativ eine Moschee besuchte und dabei den Islam als friedliebende Religion rühmte, die von Terroristen gekidnappt werde, war dies ein perfider Propagandacoup. Besser hätte man den haltlosen Generalverdacht nicht befestigen, die Bezichtigung implantieren und die Denunziation erzwingen können. Im zehnten Jahr nach "9/11" eröffnet Peter King mit dem gefühlsgeladenen Spektakel seiner Anhörungen eine weitere Runde der Verpflichtung aller Bürger auf den sogenannten Krieg gegen den Terror, der nicht zuletzt an der Heimatfront zu führen sei. Die Demokraten argumentieren, daß ein Viertel der geplanten Anschläge vereitelt worden sei, weil die Behörden Hinweise von muslimischen Bürgern bekamen. Dies werten sie als Beleg, wie loyal die heimische islamische Gemeinde zu den USA stehe. Republikaner vom Schlage Kings halten dagegen, daß bei den verbleibenden drei Vierteln keine Tipps aus dem muslimischen Umfeld gekommen seien, weshalb man dort unbedingt nachfassen müsse. So flechten Freund und Feind in einer Scheinkontroverse das Band, welches die Bürger auf einem Szenario vorgeblicher Bedrohung fixieren soll, um das Verständnis für die Herkunft ihrer Sorgen und Nöte vollends zu vernebeln und ihnen das letzte Quentchen Widerstandsgeist auszutreiben.

Anmerkungen:

[1] Streit um Hearing zu "radikalen Muslimen" (11.03.11)
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,14905091,00.html

[2] US-Abgeordneter Peter T. King. "Den Islam in den USA untersuchen" (11.03.11)
http://www.tagesspiegel.de/meinung/den-islam-in-den-usa-untersuchen/3942374.html

12. März 2011