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REPRESSION/1309: Unter neuem Namen ... Terrorkrieg geht weiter (SB)



Um das schwerwiegendste Vermächtnis der Bush-Regierung, der unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung selbstherrlich vom Zaun gebrochene Krieg gegen den Irak und die massiven Menschenrechtsverletzungen an Gefangenen, vergessen zu machen, hat die US-Administration einen Namenswechsel vorgenommen. Der Global War on Terror (GWOT) firmiert inzwischen als Overseas Contingency Operation (OCO). Was in seiner Bedeutung "Entsatzoperation in Übersee" nicht bürokratisch ungreifbarer daherkommen könnte, bleibt im Kern eine aggressive völkerrechtswidrige Kriegführung, die sich der gleichen Vorwandslage bedient wie die Vorgängerregierung.

Das belegt der Jahresbericht der US-Regierung zur Zahl der Terroranschläge des Jahres 2008. Darin wird unterstellt, daß bei 11.770 Attacken dieser Art 15.765 Menschen ums Leben kamen. Das hört sich so an, als habe man es beim Terrorismus, verstanden als aus politischen Gründen begangene Gewalttaten nichtstaatlicher Akteure, tatsächlich mit einem Problem von erheblicher Tragweite zu tun. Auch wenn von einem Rückgang der Zahlen die Rede ist, bleibt aufgrund einer Berichterstattung, die die Sprachregelung der US-Regierung ohne jede Relativierung und Kommentierung eins zu eins übernimmt, ein Eindruck haften, der Sicherheitspolitikern bei der Demontage bürgerlicher Freiheitsrechte nicht gelegener kommen könnte.

Die hohe Zahl angeblicher terroristischer Anschläge und deren Opfer ist ein eindeutiges Ergebnis der US-Kriegführung in Afghanistan, Pakistan und dem Irak. Bei den in Afghanistan und im Irak durchgeführten Anschlägen, die den mit Abstand größten Posten angeblich terroristischer Anschläge ausmachen, handelt es sich um Folgen einer Destabilisierung dieser Länder durch militärische Eingriffe der USA und der NATO. Angriffe auf deren Truppen entsprechen nach Lesart des konventionellen Völkerrechts Kampfhandlungen zwischen Besatzern und Besetzten. Selbst wenn man im Sinne der modernen Auffassung vom Krieg als eines nicht mehr in erster Linie zwischen Staaten ausgetragenen Geschehens von "irregulären Kombattanten" spricht, ist das nicht gleichbedeutend mit dem Label "Terrorist", das im militärischen Kontext den Zweck der Kriminalisierung des Gegners verfolgt.

Besonders fragwürdig wird die in Anspruch genommene Position, laut der die Kriegführung westlicher Staaten ad hoc legal und die Aktionen der sich dagegen richtenden Gruppen kriminell seien, an der in jedem dieser Berichte anzutreffenden Behauptung, daß der Iran der größte Förderer des Terrorismus weltweit sei. Gemeint ist vor allem die Unterstützung der libanesischen Hisbollah und der palästinensischen Hamas, die als Terroristen zu brandmarken den hegemonialen und legalistischen Interessen Israels dient und darüber hinaus nichts erkennen läßt, das dieses Urteil verifizierte.

Geht man davon aus, daß mit Terrorismus eine Methode der Kriegführung gemeint ist, mit der eine allgemeine Situation der Verunsicherung erzeugt oder aus unterlegener Position gegen gegnerische Truppen vorgegangen werden soll, dann hat man es mit einem Äquivalent zum Waffeneinsatz regulärer Streitkräfte zu tun, das aus deren massiver Überlegenheit resultiert. Natürlich erzeugen die Bombenangriffe der NATO auf afghanische Zivilisten oder Israels auf die Bevölkerung Gazas eine nicht minder desaströse Atmosphäre der Verunsicherung, als es Selbstmordattentäter im Irak tun, die sich auf stark frequentierten Plätzen in die Luft jagen. Letztere sind allerdings ein Ergebnis des völkerrechtswidrigen Überfalls der USA und seiner Verbündeten auf das Land, waren Selbstmordattentate im Irak zuvor doch unbekannt.

Laut der europäischen Polizeibehörde Europol konnten sogenannte islamistische Terroristen 2008 nur einen einzigen erfolgreichen Anschlag in der EU durchführen. Die meisten unter "Terrorismus" verbuchten Anschläge gehen dort auf das Konto separatistischer Gruppen. Diese Probleme einzelner Staaten können nicht auf dem Konto einer globalen Bedrohung verbucht werden, sind sie doch in einem nationalen Rahmen verortet und müssen auch dort bewältigt werden. Mordanschläge rechter Rassisten und Pogrome gegen mißliebige Minderheiten wie Flüchtlinge, zu denen es in Europa seit Jahren in großer Zahl kommt, verbucht Europol bezeichnenderweise nicht unter Terrorismus, obwohl diese Taten allemal politisch motiviert sind.

Der Terrorismusbericht der US-Regierung ist ein typisches Produkt des Terrorkriegs, der unter anderem Namen weitergeführt nach wie vor großes Leid und Elend unter den Bevölkerungen in den Kriegsgebieten sowie erhebliche Einbußen an demokratischen Grundrechten in den Ländern der dorthin entsandten Truppen bewirkt. Ihn hierzulande unreflektiert zu kolportieren arbeitet dementsprechenden Zwecken zu.

2. Mai 2009