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REPRESSION/1637: Landespolitik - Grenzsicherheit ... (SB)



Die Sicherung der EU-Grenzen durch Frontex ist elementar wichtig für die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen.
NRW-Innenminister Reul besucht deutsche Polizisten in Griechenland [1]

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), zu Hause bekannt als Verfechter einer Null-Toleranz-Politik der Polizei, will die Sicherheit seines Bundeslandes auch an der nördlichen Grenze Griechenlands in besten Händen und zuverlässig verteidigt wissen. Wie das zusammenhängt? "Wenn wir in Europa den Zustand halten wollen, dass wir keine Grenzen zwischen den Staaten haben, diesen Luxus haben wollen, dann müssen wir an den Außengrenzen Europa sichern", so Reul, der als langjähriger Abgeordneter im Europaparlament den Blick fürs Große und Ganze geschärft hat. Er identifiziert "illegale" Migration als Sicherheitsproblem, das mit polizeilichen Mitteln weit im Vorfeld adressiert werden muß. Und das geht so: Deutsche Polizisten sind befristet für die Grenzschutzagentur Frontex abgestellt, um die griechischen Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. "Wenn wir es nicht machen: Die werden das hier alleine niemals hinkriegen. Ist gar kein Vorwurf, können die gar nicht", so der Innenminister bei seinem dreitägigen Besuch vor Ort. Was er dort in Erfahrung gebracht hat, scheint ihn zu begeistern: "Das fand ich toll - und dann habe ich mir die Zahl angeguckt und gesehen, dass sind sieben Beamte bei Frontex - und dann habe ich gesagt: Das ist durchaus steigerungsfähig."

Nordrhein-Westfalen stellt das größte Kontingent an Polizeibeamten aller Bundesländer beim Frontex-Einsatz an der griechischen Grenze zu Nord-Mazedonien. Reul will das Thema auf der nächsten Innenministerkonferenz ansprechen, freiwillig mehr Personal schicken, von aktuell sieben Beamten aus NRW die Zahl rasch auf vierzehn verdoppeln. Insgesamt sind 52 deutsche Polizisten für die europäische Grenzschutzagentur in Griechenland, davon 18 im Norden des Landes. Das scheint nicht viel zu sein, selbst wenn man den deutschen Schäferhund dazurechnet, den die Bundespolizei zum Aufspüren von Menschen in Güterwaggons oder Lastwagen entsandt hat: "Und dann sind die Hunde wirklich so trainiert, dass sie wirklich die Geruchserkennung haben", faßt ein deutscher Polizeibeamter die Qualitäten des vierbeinigen Kollegen treffsicher zusammen.

Die deutschen Polizisten sollen ihre griechischen Kollegen unterstützen und fortbilden sowie eigene Informationen sammeln: "Wir bestreifen den Grenzzaun zu Nordmazedonien, um da vielleicht Löcher zu entdecken oder aber andere Feststellungen treffen zu können." Im Grenzgebiet angetroffene Menschen werden kontrolliert: "Ja, man fährt dann hin, hält die Leute an, spricht die an: Wohin des Weges? Wer sind sie? Es müssen ja nicht unbedingt Flüchtlinge sein." An wolkenlosen Tagen reicht der Blick sogar bis zum Olymp, doch im Fokus sind mobilere Objekte: "Dann sieht man auch, wo Bewegungen stattfinden und wo nicht und dann kann man auch andere Streifen einweisen oder wie auch immer." "Man kann auch da nachts hochklettern und dann schauen, ob man da was sieht, mit dem Nachtsichtgerät oder Restlichtauflöser. Sie sehen ja selber, wie weit man hier schauen kann."

Das hört sich doch professionell und unaufgeregt an. Viel ist die Rede von der personellen Unterbesetzung bei Frontex und der erbärmlichen Ausrüstung der griechischen Kolleginnen und Kollegen: "Teilweise war die Uniform in einem desolaten Zustand und darauf angesprochen von mir, ob er denn nicht die Uniform in der Bekleidungskammer austauschen könnte, hat er gesagt: So was gibt es in Griechenland nicht. Uniform ist Privatbesitz, nach den ganzen Einsparmaßnahmen ist auch weniger Geld in den Kassen." Reul zieht tatsächlich Kleiderspenden in Erwägung, nachdem er erfahren hatte, daß die Schuhe mancher griechischer Kollegen lediglich von Sicherheitsnadeln zusammengehalten werden. [2]

In der Polizeistation Evzoni hängen Kabel aus der Wand, der Putz bröckelt. Einen Holzofen mußten die Polizisten selbst mitbringen, um im Winter arbeiten zu können. Nachtsichtgeräte oder Wärmebildkameras sieht die griechische Dienststellenleiterin Fotini Gkagkaridou zum ersten Mal. Die deutschen Beamten haben Geländewagen der Bundespolizei mitgebracht. "Wenn sie das hier sehen", sagt ein deutscher Polizeibeamter, "wissen Sie wieder, wie gut wir es haben." Es gibt viel zu lernen, selbst nach einer langen Polizeikarriere im Wach- und Wechseldienst. Deutschland sei in der glücklichen Lage, keine EU-Außengrenzen bewachen zu müssen. Seine tapferen Kollegen in Ländern wie Italien oder Griechenland hätten einfach Unterstützung verdient. "In der Frage bin ich überzeugter Europäer", sagt er. [3]

Das sieht Herbert Reul genauso. "Wir können nicht nur schlaue Worte darüber wenden, dass die EU-Außengrenzen gesichert werden müssen, selbst aber nicht bereit sein zu helfen", so der CDU-Politiker. Er nahm die Gelegenheit wahr, sich auch einen Eindruck von den Zuständen im Lager Volvi (Nea Apollonia) zu verschaffen. Zuvor traf er mit der Vize-Innenministerin für Makedonien und Thrakien, Eleftheria Chatzigeorgiou, zusammen. Die griechischen Behörden waren in der Vergangenheit immer wieder wegen der desolaten Zustände in den Flüchtlingsunterkünften in die Kritik geraten. Bei dem Termin wurden Hochglanzprospekte mit Fotos der Einrichtungen verteilt, die ein positives Bild von den Verhältnissen zeichnen, denn die Unterkunft Volvi gehört zu den Vorzeigeeinrichtungen in Nordgriechenland.

In dem Lager leben rund 1000 Menschen, die überwiegend aus Afghanistan, Syrien und dem Irak stammen. Mutig und ohne Berührungsängste begab sich Reul unter diese Flüchtlinge, die ihn jedoch plötzlich bedrängten, um bei dem prominenten Besucher Gehör zu finden. Sie drohten damit, die Delegation einzukesseln, falls er nicht mit ihnen sprechen würde. Reul war natürlich sofort zum Dialog bereit, und so beklagten die Flüchtlinge die schlechten Zustände im Lager. Die Gassen seien am Vortag eigens für den Besuch aus Deutschland aufgeräumt und herausgeputzt worden, was die Insassen anhand von Handyaufnahmen belegten, mit denen sie die den Zustand des Lagers vor der Putzaktion dokumentierten. Darauf waren Bilder von Müllbergen und brennendem Schütt zu sehen. Zudem beklagten die Bewohner die schlechte medizinische Versorgung und die fehlende schulische Betreuung der Kinder.

Als aber die Flüchtling nicht von Reul abließen, brachen Vertreter des griechischen Flüchtlingsministeriums das Gespräch schließlich ab. Der deutsche Politiker wurde von Sicherheitsbeamten zum Delegationsbus eskortiert. Da die Situation unübersichtlich wurde, brachte man das Escape-Car der griechischen Polizei, das für den Notfall stets in der Nähe des Ministers bereitstand, in Stellung. [4] Das ginge denn doch zu weit, wenn ein deutscher Politiker vor Flüchtlingen flüchten müßte!

Apropos Flüchtlinge. Die kamen im Medienecho der Stippvisite des NRW-Innenministers eher nicht vor, es sei denn als einzudämmende Gefahrenquelle. Man durfte die tapferen griechischen Grenzschützer samt ihrer erbärmlichen Ausstattung beklagen, die Unterbesetzung bei Frontex rügen und natürlich das Unwesen der Schleuserbanden aufs Korn nehmen. Vor allem aber die wohlgerüstete Tüchtigkeit der deutschen Polizeien und das Engagement einzelner Beamter für Europa und unsere Sicherheit bewundern. Da verbietet es sich fast von selbst, von "Menschenjagd" zu sprechen oder gar ernsthaft die Frage zu stellen, wer für Krieg und Elend verantwortlich ist, vor dem die Menschen geflohen sind. Herbert Reul hat gar nicht so unrecht, wenn er eine Verbindung zwischen den Verhältnissen in Nordrhein-Westfalen und jenen im Norden Griechenlands herstellt. Allerdings interessiert er sich eher dafür, wie man sich die Leidtragenden des hiesigen Lebensstandards am effektivsten vom Leib halten kann.


Fußnoten:

[1] www.welt.de/regionales/nrw/article192803815/Frontex-Einsatz-in-Griechenland-Reul-besucht-NRW-Polizisten.html

[2] www.spiegel.de/politik/ausland/deutsche-polizisten-schuetzen-griechische-grenze-im-grenzbereich-a-1265517.html

[3] www.waz.de/politik/landespolitik/nrw-beamte-schuetzen-eu-aussengrenze-in-nordgriechenland-id217078869.html

[4] www.ksta.de/politik/nrw-innenminister-in-griechenland-fluechtlinge-bedraengen-herbert-reul--32466276

6. Mai 2019


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