Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KULTUR/0890: Rupert Murdoch - Totengräber der Mediendemokratie (SB)



Mit einem Imperium von etwa 175 Zeitungen und seinen Fernsehsendern wie Sky in Großbritannien und Fox in den USA personifiziert Rupert Murdoch die mächtigste und innigste Verzahnung von Medienmacht und Herrschaftssicherung im Dienst der Eliten. Seit mehr als drei Jahrzehnten produziert er auf beispiellose Weise jene Gemengelage, die man gemeinhin als öffentliche Meinung interpretiert, nach den Bedürfnissen kapitalistischer Verwertung und imperialistischer Kriegsführung. Mit der Londoner Times und dem Wall Street Journal bedient er die Frühstückslektüre der Mächtigen, während die Sun und die nun eingestellte News of the World in Großbritannien oder Fox News und New York Post in den USA Volkes Stimme manipulieren. Ob Verherrlichung des neoliberalen Unternehmertums oder rigoroser Abbau von Arbeitsrechten und Sozialleistungen, Nationalchauvinismus und Fremdenfeindlichkeit, repressiver Überwachungsstaat oder Kriegstreiberei - an jeder maßgeblichen Schaltstelle reaktionärer Bestandssicherung und Fortschreibung des gesellschaftlichen Raubgefüges zieht der Murdoch-Komplex in vorderster Front die Fäden.

Was derzeit enthüllt und zugleich mittels Skandalisierung verschleiert, verharmlost und verdaulich gemacht wird, ist nichts weniger als die Nichtexistenz von Mediendemokratie und mithin Demokratie an sich. Die systematische Eliminierung kritischer Meinungsäußerungen hat sich unter Murdochs Führerschaft symbiotisch mit staatstragenden Kräften verbunden, so daß nicht nur die sogenannte vierte Gewalt pulverisiert wurde, sondern buchstäblich alle Aspekte des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens von diesem Moloch durchdrungen wurden. Murdochs Imperium ist jedoch kein Krebsgeschwür, das sich in der Hoffnung auf Gesundung der Gesellschaft herausschneiden ließe, sondern vielmehr ähnlich wie Berlusconis Italien eine opportune Variante herrschaftssichernder Denkkontrolle, der nach dem Sturz oder Abdanken solcher patriarchalischer Führungsfiguren auf deren verheerendem Vermächtnis aufbauend weitere innovative Formen der Gleichschaltung folgen werden.

"Die Wahrheit ist, dass wir alle mit drin stecken - die Presse, die Politiker und die Führer aller Parteien - und ja, auch ich." Mit diesen Worten räumte Regierungschef David Cameron vor wenigen Tagen gezwungenermaßen offizielle Absprachen mit der Murdoch-Presse ein. Nach der Verhaftung Andy Coulsons - vormals Chefredakteur von News of the World und bis zu seiner Entlassung im Januar Camerons Pressechef - setzte der Premierminister auf Schadensbegrenzung durch euphemistische Selbstbezichtigung samt Seitenhieb gegen die Opposition. "In der Amtszeit der letzten Regierung wurden polizeiliche Ermittlungen durchgeführt. Sie waren unzureichend, es wurde nicht genug unternommen. Es gab Berichte eines Informationsbeauftragten, aber sie fanden keine Beachtung. Es gab Berichte einzelner Komitees über Telefon-Abhörpraktiken, aber sie wurden nicht weiter verfolgt. Trotz aller Warnungen und aller Besorgnisse unternahm die Regierung zu dieser Zeit nichts. Die Opposition, offen gesagt, auch nicht." [1]

Die Formel, alle hätten Fehler gemacht, zielt auf die Aussonderung einiger Sündenböcke zwecks Entlastung des Systems ab, dessen Erhalt vordringlichster Lebenszweck der Eliten ist. Massenhaftes Abhören von Telefonen, Eindringen in Computernetzwerke, Schmiergelder für hochrangige Polizisten, Behinderung von Ermittlungen, Vernichtung belastenden Materials und viele Straftaten mehr beförderten inzestuöse Beziehungen zwischen dem Murdoch-Imperium und der politischer Elite Großbritanniens. Kollaboriert und profitiert haben konservative und Labour-Regierungen gleichermaßen. Thatchers brutalen Angriff auf die Arbeiterklasse bejubelte die Murdoch-Presse, gleich ob es um die Deregulierung der City von London, die Privatisierungen oder Steuererleichterungen für Unternehmen und Reiche ging. News International entließ 1986 in einer berüchtigten Aktion 6000 Druckereiarbeiter und verlagerte die Produktion nach Wapping ins Londoner East End.

Als die Tories ausgelaugt waren wechselte Murdoch zur Manipulation der Labour-Führung über, die sich ihm begeistert in die Arme warf. Er brüstete sich damit, New Labour die Europapolitik vorgegeben und den "Zusammenbruch von Recht und Ordnung in Großbritannien" auf die Tagesordnung gestellt zu haben. Murdochs Einfluß war so dominant, daß ihn Lance Price, Medienberater des ehemaligen Premiers Tony Blair, als "das 24. Mitglied des Kabinetts" bezeichnete. Der Abhörskandal von News of the World kam 2006 ans Licht und wurde von der Londoner Polizei unter den Teppich gekehrt, ohne daß die Regierungen Blairs und dessen Nachfolgers Gordon Brown etwas dagegen unternommen hätten.

Die Zeitungen und Fernsehsender Murdochs unterstützten alle Kriege Großbritanniens und der USA in den letzten 30 Jahren. Angefangen von Thatchers Falklandkrieg 1982 über den ersten Golfkrieg George Bushs 1990/91 und Clintons unerklärten Krieg gegen den Irak 1998 sowie seinen Angriff auf Jugoslawien 1999 bis zu George W. Bushs Attacken auf Afghanistan und den Irak wie auch deren Fortsetzung unter Obama samt dem Angriff auf Libyen - stets munitionierte das Medienimperium die Propagandafront. Wenige Tage vor dem Massenprotest gegen den Irakkrieg und dessen Ablehnung durch die UNO Mitte Februar 2003 erklärte Murdoch einem Reporter, Bush handle "moralisch" und "korrekt", wobei ihm Blair "außerordentlich mutig" zur Seite stehe. Der Krieg werde für billiges Öl sorgen und die Wirtschaft beflügeln. [2]

Als die Kämpfe im Irak begannen, führten drei glühende Kriegstreiber die Kampagne an. Dabei hätten US-Präsident Bush, der britische Premier Tony Blair und der australische Regierungschef John Howard hinsichtlich ihrer politischen Herkunft und Lagerbindung kaum unterschiedlicher sein können. Was sie verband, war die Protektion Rupert Murdochs, der von Australien nach Großbritannien expandierte und zuletzt die USA eroberte. Seine Medienmacht garantierte ihre Wahlsiege und beförderte die von ihnen vorangetriebene Invasion des Iraks.

Dabei gründet Murdochs Einfluß auf dem Gleichschritt von Printmedien und Fernsehsendern, da letztere ungleich höher reguliert und staatlicherseits kontrolliert werden. Um zum Mediengiganten aufzusteigen bedarf es enormen Einflusses auf die politischen Entscheidungsträger, die Lizenzen vergeben oder vorenthalten. Trotz ihrer hohen Verluste behält Murdoch die Londoner Times, da sie vom Establishment gelesen wird und somit ein unverzichtbares Steuerungsinstrument darstellt. Darüber hinaus versorgten sich seine Medien mit Material, das jeden Politiker, Behördenvertreter oder Journalisten diskreditieren, einschüchtern, jagen und bei Bedarf vernichten konnte. News International war mit der Führungsebene der Metropolitan Police aufs engste verflochten und hatte Zugang zu deren Computern sowie diversen weiteren Netzwerken mit Informationen über zahllose Personen aller Gesellschaftsschichten. Manipulation bis hin zur Erpressung war nicht der Ausnahmefall schwarzer Schafe, sondern die Geschäftsgrundlage. [3]

Die Wirkmächtigkeit dieses Medienkonglomerats speist sich aus einer massenhaften Rezeption, die kruder Populismus bedient. Murdochs Erzeugnisse kreieren und hofieren einen fiktiven einfachen Mann auf der Straße, der biertrinkend und frauenverachtend, fremdenfeindlich und borniert alles haßt, was ihm die Boulevardmedien als bevormundende Feindbilder vorgaukeln. Die Konsumenten finden sich tagtäglich darin bestätigt, daß besserwisserische Linke, hochgestochene Intellektuelle, lebensfremde Juristen, Emanzen, Schwule, Lesben und Ausländer allemal ihre Würde und Werte mit Füßen treten. Konservativ, patriotisch und royalistisch bis ins Mark, geriert sich der so modellierte Brite oder sein US-amerikanisches Pendant Joe Sixpack als Sauerteig, dessen üble Gärung jeder Emanzipation abhold ist. [4]

Obgleich selbst nach Vermögen und Einfluß eine Ausgeburt der herrschenden Klassen, bedient die Murdoch-Familie meisterhaft die Klaviatur der Anprangerung "der da oben" bis hin zu vulgären Ausfällen gegen "die Medieneliten" und präsentiert sich so als originäre Stimme der einfachen Leute. Aufgestachelt gegen jede Autorität außer jener, die tatsächlich über Macht verfügt, treibt man die Besitzlosen gegen ihresgleichen und all jene, die ihren Widerstand noch nicht zu Grabe getragen haben. Murdochs Macht ist die Fähigkeit seines Imperiums, die Menschen inmitten verheerender ökonomischer Krisen und sozialer Verwerfungen gegen alle Formen des Aufbegehrens zu immunisieren und mithin in ihrem Elend beherrschbar zu halten.

Wer sich am Skandal um News International weidet, jede Enthüllung goutiert und rollende Köpfe mit Genugtuung abfeiert, ohne den Blick über den vordergründigen Tellerrand zu heben, entmündigt den eigenen Verstand. Daß es nicht nur um Australien, Großbritannien und die USA oder vielleicht noch Berlusconis Italien geht, mag die vielzitierte Äußerung des früheren Bundeskanzlers Schröder unterstreichen, ihm genügten die Glotze und die Bild-Zeitung zum Regieren.

Fußnoten:

[1] http://wsws.org/de/2011/jul2011/murd-j13.shtml

[2] http://www.counterpunch.org/swanson07152011.html

[3] https://realisticbird.wordpress.com/2011/07/15/a-criminal-enterprise-murdochs-mafia/

[4] http://www.greanvillepost.com/2011/07/15/australia-and-the-dirty-digger-the-phony-populism-of-rupert-murdoch/

18. Juli 2011