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KULTUR/0921: Killer Rock - Zeitgemäße Marschmusik für neue Kriege (SB)



Brandneu auf dem Musikmarkt, doch einer auserlesen Zielgruppe vorbehalten, ist das Video "Send Me" der Gruppe Max Impact. Nicht irgendeine der zahllosen anonymen US-Rockgruppen präsentiert einen zeitgemäßen Hard Rock Marke Limp Bizkit oder Linkin Park. Das, wie Name der Band wortwörtlich meint, durchschlagende Ergebnis künstlerischer Produktivität wurde geschaffen von der "premier rock band of the U.S. Air Force". Wie Master Sergeant Ryan Carson, seines Zeichens Sänger der Band, im Promo Video vor der Veröffentlichung des Songs am 29. Februar im Habitus eines adrenalingepushten Rock'n'Rollers tönt, will die Band bei den Soldaten der US-Streitkräfte im allgemeinen und den Einheiten der Air Force Special Operations Command im besonderen für gute Laune und besondere Motivation bei der "Arbeit" sorgen. Die von ihm angesprochene Special Forces Community spielt dann auch eine prominente Rolle in dem Video, dessen Hard Rock-Sound so blank poliert ist wie die in ihm präsentierten Waffen.

Wie sieht die "Arbeit" der fast 13.000 Soldatinnen und Soldaten dieses Teils der US-Luftwaffe aus? Es handelt sich wie bei allen unter dem Titel Special Forces versammelten Truppen um Sondereinheiten, die als Vorauskommandos Invasionen vorbereiten oder gezielte Mordaktionen durchführen, was nicht heißt, daß dabei nur die ausgewiesenen Zielpersonen ums Leben kämen. Schickt mich in ferne Länder, um dort im Auftrag unserer großen Nation Menschen umzubringen, lautet der unausgesprochene Subtext dieses Beispiels für zeitgemäße Marschmusik. Bestens geeignet für die kleinen mobilen Gadgets, mit denen sich die Soldatin und der Soldat beim Transport zum Einsatz die Zeit vertreiben, bietet der Videoclip einen Überblick über die zerstörerische Mobilität der Truppe. Hochmobil unter maximaler Kontrolle von Zeit und Raum, stets mit übermächtiger Feuerkraft und vielseitigem Gerät ausgestattet, gehen die Special Forces ihrer "Arbeit" durchaus lustbetont nach, wie das Video suggeriert.

"Ich werde niemals schlappmachen und ich werde niemals versagen" - "Wir geben unser Leben, damit andere leben können" - "Ich bin ein amerikanischer Airman, ich bin ein Krieger, ich habe den Ruf meiner Nation beantwortet" - "Ich weiß was es heißt, alles im Kampf gegen meinen Feind zu geben" - "Fühlst du die Intensität" - "Diesen Kampf werden wir gewinnen" - wie großkalibrige Geschosse aus schweren Maschinenwaffen attackieren die Treueschwüre und Missionziele die Herzen des patriotischen Publikums, gleißende Sololäufe der Leadgitarre und kurze Bildfolgen rasanter Angriffsoperationen produzieren eine Synästhesie des Krieges, die die hochflexible und aggressive Einsatztaktik der Spezialkommandos popkulturell in Szene setzt.

Hier feiert die freie Welt eine Party, bei der die Fetzen fliegen, hier wird mit maximalem Fun-Faktor blankgezogen, hier tobt das Leben wie im Hochrisiko-Parcours der Extremsportarten, das alles gekrönt von dem guten Gefühl, das Richtige zu tun. "This Machine Kills Fascists" stand auf der Gitarre des arbeiterbewegten Folksängers Woody Guthrie - im Vorläufervideo "Locked and Loaded" von Max Impact verschmilzen die Gitarren in den Händen der vor afghanischer Kulisse posierenden Musiker mit dem massiven Feuer der im Kampfeinsatz gezeigten Waffen zu einem Bild, das Guthries Metapher auf gänzlich unsubversive Weise in ihr blutiges Gegenteil verkehrt. Killerdrohnen kreuzen die Himmel, gesteuert von Satelliten im Weltall, Langstreckenbomber laden ihre tödliche Fracht über fernen Ländern ab, wo immer ein Feind der USA sein Haupt erheben mag, die Einsatzkräfte der Air Force sind schon da und pulverisieren ihn. Die Doktrin des Prompt Global Strike sorgt - zu Wasser, zu Lande oder in der Luft, mit kulturimperialistischen und militärstrategischen Mitteln - dafür, daß kein Mensch mehr den Totenliedern entkommt, die ihn mit dissonanten Weisen zwischen Entertainment und Exekution, zwischen Konsum und Katastrophe auf schaurige Weise heimsuchen. Soldaten erstürmen mit vorgehaltener Waffe ein afghanisches Haus, die Musiker spielen dazu auf - Killer Rock eben.

Fußnoten:

[1] http://www.youtube.com/watch?v=2yKpjKgf4rA&feature=related

[2] http://www.youtube.com/watch?v=uSxk4cItkFM&feature=endscreen

4. März 2012