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KRIEG/1310: Drohnen greifen an ... Terrorkrieg waffentechnisch aktualisiert (SB)



Nur drei Tage nach seiner Inauguration am 20. Januar gab der frischgekürte US-Präsident Barack Obama seinen Einstand als Commander-in-Chief. Der Angriff auf angebliche Al Qaida-Mitglieder fand in den paschtunischen Stammesgebieten im Nordwesten Pakistans statt und bedurfte daher der direkten Anordnung des Präsidenten. 22 Personen kamen dabei ums Leben, darunter angeblich acht bis zehn Al Qaida-Mitglieder. Damit setzte Obama die Politik seines Vorgängers, den Krieg von Afghanistan nach Pakistan zu tragen, wie angekündigt fort. Mit diesem jüngsten Angriff summiert sich die Zahl dieser Art von Übergriffe, mit denen in Pakistan vor vier Jahren begonnen wurde, allein im letzten halben Jahr auf 38 Kampfeinsätze, bei denen mindestens 132 Personen starben. Es handelt sich um Bürger Pakistans und bis auf den konkreten Gegenbeweis, den die Angreifer in ihrer Selbstherrlichkeit natürlich nicht erbringen, um Zivilisten.

Diese Form der Kriegführung niedriger Intensität, dazu ausgeführt im Land eines Verbündeten, dessen Regierung diese Übergriffe nicht gutheißt, hat in der Verwendung unbemannter Kampfdrohnen ein ihrem informellen Charakter gemäßes waffentechnisches Äquivalent gefunden. Während die unbemannten, mit leisem Propellermotor ausgestatten Flugzeuge im Schutz der Nacht feindliche Stellungen angreifen, sitzt das Bedienungspersonal in einem Büro irgendwo in den Vereinigten Staaten, wo es bei einer Tasse Kaffee am Bildschirm Krieg führt, als handle es sich um ein Computerspiel.

Eingesetzt wird vor allem der MQ-1 Predator, eine ursprünglich für Aufklärungszwecke verwendete ferngesteuerte Drohne, die im Kampfeinsatz mit zwei lasergesteuerten AGM-114 Hellfire-Raketen bewaffnet ist. 2001 wurde der Predator erstmals im Afghanistankrieg eingesetzt und erfreut sich bei US-Militärs seitdem zunehmender Beliebtheit. Verfügten sie 2002 über nicht mehr als 300 Drohnen dieses Typs, so hatten die US-Streitkräfte 2008 fast 7000 unbemannte Flugzeuge im Aufklärungs- oder Kampfeinsatz.

Dabei richten die Hellfire-Raketen bei aller Präzision in der Zielführung genügend Schaden an, um zahlreiche umstehende Personen zu töten. Werden Wohnhäuser oder öffentliche Gebäude wie Schulen mit dieser Rakete getroffen, so können durchaus mehrere Dutzend Personen sterben. Seit 2007 wird auch die Weiterentwicklung des Predator, die von vornherein für den Kampfeinsatz konzipierte Drohne MQ-9 Reaper, im Afghanistankrieg eingesetzt. Der mit einem sehr viel stärkeren Propellermotor ausgestattete, mit dem sinnigenn Namen des "Schnitters" versehene Reaper verfügt über bis zu 15 mal so viel Nutzlast wie der Predator und kann seine Bomben und Raketen mit drei mal so hoher Geschwindigkeit über eine sehr viel längere Strecke ins Ziel bringen.

Indem diese Drohne mit voller Waffenlast bis zu 14 Stunden in der Luft bleiben kann, übertrifft sie die Einsatzmöglichkeiten bemannter Kampfflugzeuge erheblich. So soll der Reaper über seinem Zielgebiet in großer Höhe für das Auge so gut wie unsichtbar kreisen, um seine Lenkwaffen erst dann abzufeuern, wenn sich das Zielobjekt aus der Deckung ins Freie wagt. Die Drohne wird, bislang noch ohne Waffen, auch im Rahmen der Drogenbekämpfung des US-Heimatschutzministeriums in den USA eingesetzt. Mit ihren umfassenden Möglichkeiten der Aufklärung und Bekämpfung auch ziviler Ziele sowie dem Verzicht auf im Flugzeug sitzende Piloten und Richtschützen eignen sich Drohnen dieser Art hervorragend für Bürgerkriege, in denen man sich nicht darauf verlassen will, ob die eingesetzten Soldaten auch zuverlässig genug sind, auf die eigene Bevölkerung zu schießen. Mit Joystick und Laptop läßt sich auf jeden Fall unbeschwerter morden, als wenn man noch direkt am Abzug der verwendeten Waffe sitzt. Angesichts der auch in westlichen Staaten um sich greifenden sozialen Konflikte sollte man besser nicht darauf bauen, daß immer nur Iraker, Palästinenser, Afghanen und Pakistaner mit Kampfdrohnen konfrontiert werden.

Seit einiger Zeit bemüht sich auch die Bundeswehr um den Kauf des Reaper-Systems, das nur mit Satellitentelemetrie und Bodenstation vollständig operabel ist. Es soll sich laut Bundeswehrplan 2009 um eine "Anfangsausstattung" handeln, allerdings ist der Erwerb von fünf Drohnen inzwischen durch ein Angebot aus Israel, wo man ein billigeres Konkurrenzprodukt entwickelt hat, in Frage gestellt (NDR Info, 07.02.2009).

Wie auch immer die Entscheidung zwischen dem bewährten US-Modell und dem günstigeren israelischen Preis-Leistungs-Verhältnis ausgehen wird, der Einstieg der Bundeswehr in die bewaffnete Drohnentechnologie ist ein weiterer Schritt in Richtung einer aggressiven Kriegführung, bei der Besatzungspolitik mit HighTech-Waffen durchgesetzt wird, die aus unnerreichbarer Höhe sogenannte Targeted Killings durchführen. Diese Exekutionen sind symptomatisch für den Terrorkrieg, in dem sich westliche Regierungen anmaßen, ihre todbringenden Waffen an welchen Ort der Erde auch immer zu bringen und im Zweifelsfall jede Verantwortung für die erfolgte Aggression zu leugnen.

Zwar können auch mit konventionellen Kampfflugzeugen vollzogene Angriffe jederzeit und überall erfolgen, doch die Bedrohung durch weitgehend automatisierte Waffensysteme entspricht dem anonymen und willkürlichen Charakter des Terrorkriegs um so mehr. Wie diverse Drohnenangriffe auf angebliche Terroristen belegen, die die USA nach dem 11. September 2001 in Ländern geführt haben, mit denen sie offiziell nicht im Krieg stehen, scheint man diese Operationen für die angemessene Form zu halten, der postulierten Asymmetrie des Feindes durch die technische Übermacht der eigenen Waffen auf vernichtende Weise entgegenzutreten.

10. Februar 2009