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KRIEG/1338: Drohnenschützen ... im Kinderzimmer auf den Krieg vorbereiten (SB)



Nicht nur im zivilen Leben, auch beim Militär bringt die mikroelektronische Produktionsweise neue Berufsbilder hervor. Die informationstechnische Durchdringung der Kriegführung schafft den fugenlosen Übergang von der Gamer-Welt in das reale Leben, und zwar mit einem Zugewinn an Unterhaltung und Spannung. Ist das Töten imaginativer Gegner mit sogenannten Ego Shootern ein recht selbstgenügsames Tun, wenn es nicht im Wettbewerb mit anderen betrieben wird, so kann der Drohnenschütze von sich behaupten, auf dem Schlachtfeld niemals allein und für den Gegner doch unerreichbar zu sein. Zwar konvergieren Simulation und Realität vor dem Monitor bis zur Ununterscheidbarkeit, aber allein für diesen Spaß in eine Uniform gesteckt und bezahlt zu werden, ja vielleicht sogar Orden zu erhalten, verwandelt den Spieler in einen Kämpfer.

"The Air Force's new poster boys: drone jocks" ist ein Artikel des Christian Science Monitor (www.csmonitor.com, 14.07.2009) überschrieben, in dem viel Werbung für eine neue Generation von Offizieren der U.S. Air Force gemacht wird, die niemals in einem Kampfjet oder Bomber vom Boden abheben wird. Der Drohnenschütze wird zum Helden der Computerspielgeneration aufgebaut, kann er doch für sich in Anspruch nehmen, nicht mehr zum Zeitvertreib oder aus anderen unproduduktiven Gründen vor dem Bildschirm zu sitzen, sondern mit dem Joystick die freie Welt gegen Terroristen zu verteidigen.

Auch wenn die US-Luftwaffe angibt, lediglich drei Prozent der Drohneneinsätze über Afghanistan erforderten den Einsatz der Bordwaffen, während das Gros der Flüge sogenannten Intelligence, Surveillance and Reconnaissance (ISR)-Missionen diente, schützt der Autor des CSM-Artikels mit der Zwischenüberschrift "Wie Drohnen Soldaten retten - und Zivilisten" aus propagandistischen Gründen eine defensive Ratio des Drohneneinsatzes vor. Er will vergessen machen, daß nur aus einem Grund ständig 35 waffenfähige Drohnen über Afghanistan kreisen. Es handelt sich um eine Offensivoperation im Rahmen einer Besatzungspolitik, die nicht nur in Afghanistan, sondern auch Pakistan in aus der Luft zerstörten Häusern und dem ausgelöschten Leben ganzer Familien resultiert.

Daß die U.S. Air Force dieses Jahr erstmals mehr Soldaten an der Konsole ferngesteuerter Drohnen als im Flugeinsatz ausbildet, belegt die große Bedeutung, die dieser Art von Luftkriegführung künftig zukommt. Die Vorteile liegen auf der Hand und werden von der PR-Abteilung des Pentagon entsprechend beworben - der Einsatz der Drohnen ist weit kostengünstiger als der von Piloten gesteuerter Kampfflugzeuge, was nicht zuletzt die bei einem Abschuß in den Wüstensand gesetzten Ausbildungskosten betrifft. Waffenfähige Drohnen können sehr viel länger ohne Auftanken in der Luft bleiben, weil ihre Nutzlast durch Verzicht auf den Menschen größer ist als die von Kampfjets. Schließlich seien sie perfekt für die asymmetrische Kriegführung geeignet, bei der hochgerüstete Streitkräfte auf leichtbewaffnete Kämpfer träfen.

Der Drone Jock ist Pilot, Aufklärer und Richtschütze in einer Person. Er sitzt in einem klimatisierten Gebäude oder Container, umgeben von den Annehmlichkeiten schnell konsumierbarer Getränke und Snacks, und beobachtet Menschen in anderen Ländern. Er fragt sich, ob sie Böses im Schild führen, sprich Soldaten der eigenen Streitkräfte oder der Verbündeten angreifen wollen, und kann ihnen dank hochauflösender Bordoptik stundenlang auf den Fersen bleiben, ohne daß seine Predator- oder Reaper-Drohne von den Zielen der Observation entdeckt wird. Wie die Typenbezeichnungen "Raubtier" und "Schnitter" ahnen lassen, ist dieser lauernden Beobachtung stets der lenkwaffengesteuerte Kill implizit. Was für den Drohnenschützen ein kurzes Justieren und Abdrücken ist, stellt für seine Ziele die Katastrophe ihres Lebens dar.

Man könnte den neuen Helden der Gamer mit dem Richtschützen eines Kampfbombers vergleichen, der ebenfalls aus meist unerreichbarer Höhe seinem mörderischen Handwerk nachgeht. Der Drohnenschütze allerdings rückt dem Objekt seiner Zerstörung auf eine Weise auf den Leib, mit der das Verhältnis zwischen Angreifer und Opfer auf maximale Weise auseinanderdividiert wird. Die konsumistische Individualisierung des IT-Angebots durch interaktive Prozeduren, mit denen die Eingabe von Daten zum Endpunkt einer Überwachungsstruktur wird, die den Menschen in all seinen Lebensbelangen verfügbar machen soll, findet hier ihre kriegerische Entsprechung. In dem per Drohne ferngesteuerten Töten verwirklicht sich die Finalität linearer Kommunikation auf eine für die Betroffenen gänzlich unbegreifbare Weise. In seiner Unantastbarkeit nimmt der Drone Jock gottgleichen Status an, so daß sein Heldentum im Gegenteil dessen besteht, was auf dem sogenannten Feld der Ehre ansonsten heroisiert wird. Dieser Art von militärtechnischer Rationalität und Effizienz gehört zweifellos die Zukunft einer Kriegführung, in der der chirurgisch saubere Kill für den einen Teil der Welt so sehr schicksalhafte Realität wie für den anderen wenn nicht virtuelle Unterhaltung, dann eine Datenarbeit wie jede andere ist.

17. Juli 2009