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KRIEG/1353: Afghanistankrieg ... unbequemes Wahlkampfthema für Regierungsparteien (SB)



Angesichts der intensiven Berichterstattung zu der Präsidentschaftswahl in Afghanistan und der militärischen Erfolge der Taliban läßt sich das Thema nicht mehr aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten. Das Problem der Regierungsparteien besteht darin, daß es ihnen einige Schwierigkeiten bereitet, dazu eine eindeutige Position zu beziehen. Als kriegführende Administration mit außenpolitischen Verpflichtungen gegenüber den USA und der NATO müssen sie der diesen Krieg mehrheitlich ablehnenden Bevölkerung die Sinnhaftigkeit einer Besatzungspolitik vor Augen führen, die neben Opfern unter der afghanischen Bevölkerung und den eigenen Soldaten die ohnehin angespannte Haushaltslage belastet. Da die Logik, man müsse die Afghanen gegen sich aufbringen, um in der Bundesrepublik Anschläge zu verhindern, einigermaßen abenteuerlich ist, wird tunlichst vermieden, über den konkreten Kriegsgrund zu diskutieren.

Statt dessen wird nach vorne geschaut und im Falle der Bundeskanzlerin das Ziel einer "selbsttragenden Sicherheit" im Lande artikuliert. Gemeint ist die Aufrüstung der afghanischen Regierungstruppen und Polizeikräfte unter der unausgesprochenen Voraussetzung, daß die Regierung in Kabul auch in Zukunft Erfüllungsgehilfin der Interessen der NATO-Staaten bleibt. Es handelt sich um ein Rezept für dauerhaften Bürgerkrieg, da die Taliban und andere bewaffnete Oppositionsgruppen eine Vasallenregierung ebensowenig akzeptieren werden wie die ausländischen Besatzungstruppen. Eine Beendigung des Krieges ist bestenfalls im Konsens aller Konfliktparteien zu erreichen, und der ist mit Diktaten äußerer Kräfte unvereinbar. Deren Abzug ist Voraussetzung für jede wie auch immer geartete "selbsttragende" Befriedung. Indem die Bundeskanzlerin das erst mit einem Abzug zu erzielende Ergebnis zu dessen Voraussetzung erklärt, inzeniert sie einen diffusen Ereignishorizont, um möglichst unbeschadet durch die Wahl zu kommen.

Die Position ihres Herausforderers Frank Walter Steinmeier ist nicht überzeugender, wenn er versucht, sich mit der Vertagung des Problems für die Zeit nach der Wahl aus der Affäre zu ziehen, anstatt Merkel mit einer konkreten Terminierung des Bundeswehreinsatzes in Schwierigkeiten zu bringen. Die Aussage des Außenministers, man sei "nicht kopflos in Afghanistan hineingeraten", erinnert zudem daran, daß Steinmeier als rechte Hand des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder maßgeblichen Anteil daran hatte, daß die Bundeswehr seit acht Jahren in Afghanistan Besatzungsaufgaben erfüllt. Wenn er gegen entschiedene Kriegsgegner ausholt, indem er postuliert, "wir dürfen da auch nicht kopflos heraus" (Deutschlandfunk, 23.08.09), dann muß er sich schon nach seiner Verantwortung für die immer desolatere Situation im Lande fragen lassen.

Rechenschaft abzulegen ist weder Merkels noch Steinmeiers Sache, und eine Aussage dazu, wie das mit der Wahl eskalierende Problem innerer Konflikte in Afghanistan zu lösen wäre, sucht man bei Bundeskanzlerin und Außenminister vergebens. Der nun ausgebrochene Aktivismus dient vor allem dem einen Zweck, die Linke als einzige Partei, die eine grundsätzliche Kurskorrektur in der deutschen Außenpolitik fordert, als unseriös und gefährlich an die Wand zu spielen.

Dabei sind die deutschen Regierungsparteien nicht einmal in der Lage, sich vor den Wählern kritisch auf die Politik des US-Präsidenten Barack Obama zu beziehen und damit ihre Souveränität unter Beweis zu stellen. Dieser hatte mit der Aussage, die kämpfenden US-Truppen aus dem Irak abzuziehen, die Wahl gewonnen, obwohl es sich dabei um eine Mogelpackung handelt, da damit keinesfalls das Ende der Besatzungspolitik im Irak gemeint war. Indem Obama das zentrale militärische Aktionsfeld nach Afghanistan und Pakistan verlagerte, hat er diesen Krieg auch für die Bundesregierung aufgewertet, so daß es ihr nun um so schwerer fällt, eine eigenständige Politik zu betreiben. So mahnt Steinmeier zur Eile hinsichtlich des Treffens konkreter Vereinbarungen mit der künftigen afghanischen Regierung, weil Obama seinerseits auf schnelle Ergebnisse dränge. Weder er noch Merkel wollen sich zu konkreten Aussagen hinreißen lassen, da diese doch nur deutlich machten, wie begrenzt die Handlungsfähigkeit einer Bundesregierung ist, die das Primat der Neuen Weltordnung zum eigenen Erfolgsrezept erklärt hat.

23. August 2009