Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KRIEG/1473: Kettenhund der USA - Südkorea gießt Öl ins Feuer der Kriegsgefahr (SB)



Wer angesichts akuter Kriegsgefahr ohne Rücksicht auf Verluste Öl ins Feuer gießt, wird gemeinhin als Brandstifter bezeichnet. Ein Feuerteufel, der aus egomanischen Gründen nicht von seinem Treiben ablassen kann, ist Südkorea freilich nicht. Den abenteuerlichen Kurs der Regierung in Seoul mit deren Bedarf an starken Gesten zu erklären und damit auf eine innenpolitische Profilierung zu reduzieren, macht die Rechnung ohne den Wirt der Hegemonialmacht USA, die unverhohlen ihre Ansprüche vor die Haustür Chinas trägt. Milliardenschwere Waffenverkäufe an Taiwan, Flottenmanöver mit Südkorea und Japan, der jüngste Paradigmenwechsel der japanischen Verteidigungsdoktrin und nun die rasant wachsenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel lassen im Zusammenhang gesehen nur den Schluß zu, daß die Vereinigten Staaten samt ihren regionalen Verbündeten die Einkreisung Chinas enger ziehen.

Nordkorea ist nicht nur aus geographischen Gründen ein zentrales Einfallstor strategischer Offensiven, die auf Pjöngjang einprügeln, aber Beijing meinen. Als kommunistischer Staat, weitgehend abgeschottete Entität und bis auf seine Kontakte mit China politisch isoliert, bietet es sich als Opfer westlicher Sanktionen und Kriegsdrohungen an, wie sie seit Jahren Schritt für Schritt in Stellung gebracht werden. Wenngleich Seoul keine bloße Marionette Washingtons ist, stehen doch seit dem Koreakrieg ununterbrochen US-amerikanische Truppen im Land, die nur solange nicht als Besatzungsmacht in Erscheinung treten, wie der ideologische, politische und ökonomische Schulterschluß nicht gebrochen wird.

Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Regierung in Seoul ohne Billigung der USA einen gravierenden militärischen Konflikt mit Nordkorea vom Zaun bricht, ist daher außerordentlich gering. Wann immer die südkoreanischen Politiker und Militärs bellen und beißen, tun sie dies grundsätzlich als Kettenhunde Washingtons, das sie ganz nach Bedarf scharfmacht, zurückpfeift oder von der Leine läßt. Vor diesem Hintergrund sind die mehrtägigen Militärübungen, welche die südkoreanischen Streitkräfte nahe der Grenze zum kommunistischen Norden begonnen haben, weit über ein Signal der Stärke hinaus als eine systematisch forcierte Provokation einzustufen. Nordkorea wird mit dem Ziel unter Druck gesetzt und bedroht, Abwehrmaßnahmen hervorzurufen, die ihrerseits weitere Vorwände für künftige Angriffe und Sanktionen liefern sollen.

Nachdem die angekündigten südkoreanischen Artillerieübungen auf der Insel Yeonpyeong international heftig kritisiert wurden, kam der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Montag zu einer Krisensitzung zusammen. Da sich die Mitglieder des Sicherheitsrats jedoch nicht auf Sanktionen einigen konnten, wurde die Sitzung zum Korea-Konflikt ohne Ergebnis vertagt. Am selben Tag hielt Südkorea ungeachtet aller Warnungen Rußlands, Chinas und anderer Staaten, doch unterstützt von den USA eine neunzigminütige Artillerieübung auf Yeonpyeong ab, die ohne Zwischenfälle zu Ende ging. Obgleich Pjöngjang im Vorfeld schwerwiegende Konsequenzen angedroht hatte, kam es zu keinen Vergeltungsmaßnahmen. Es lohne nicht, "auf jede verachtenswerte Provokation" mit einem Gegenschlag zu antworten, hieß es dazu. [1]

Des nordkoreanischen Einlenkens ungeachtet legt Seoul sofort mit weiteren Manövern nach. An der Ostküste, an der es zuletzt weniger Spannungen gab, begann rund 100 Kilometer von der Grenze zum Norden entfernt eine viertägige Übung der südkoreanischen Marine mit sechs Kriegsschiffen sowie Hubschraubern. Ziel des Manövers ist nach Angaben der Streitkräfte. Reaktionen auf ein mögliches Eindringen nordkoreanischer U-Boote oder Patrouillenboote in südkoreanische Gewässer zu üben.

Überdies bereitet sich das Militär auch an der Westküste, wo Nordkorea am 23. November die Insel Yeonpyeong mit Granaten beschossen und Südkorea daraufhin Artillerieübungen abgehalten hat, intensiv auf weitere Manöver vor. Bei dem nordkoreanischen Beschuß waren zwei Marineinfanteristen und zwei Zivilisten ums Leben gekommen. Vorangegangen war eine Schießübung Südkoreas in den beiderseits als Teil ihres Hoheitsgebiets beanspruchten Gewässern. Wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf einen anonymen Angehörigen der Streitkräfte berichtete, hat Seoul inzwischen verstärkt Artilleriegeschütze auf der Insel stationiert. Zudem sollen israelische Raketen des Typs Spike dorthin verlegt werden.

Am Donnerstag will das Heer in Pocheon, nur 20 Kilometer südlich der Grenze, ein gemeinsames Manöver mit der Luftwaffe beginnen, bei dem es sich um eine außergewöhnlich umfangreiche Militärübung im Winter handelt. Geplant ist unter anderem der Einsatz von 800 Soldaten, sechs Kampfflugzeugen, Panzern und Hubschraubern. [2] Bei der Übung mit scharfer Munition soll unter anderem die Handhabung von Anti-Panzer-Raketen und Mehrfach-Raketenwerfern trainiert werden. [3] Ein Armeesprecher erklärte dazu, in Pocheon seien schon oft ähnliche Manöver abgehalten worden. Zugleich hob er jedoch hervor, daß die bislang größte Übung dieser Art geplant sei.

Begleitet wird dieser Aufmarsch von martialischen Tönen südkoreanischer Militärs. So drohte der Kommandeur des Ersten Panzerbataillons, Brigadegeneral Ju Eun Sik: "Wir werden gründlich Vergeltung üben, wenn der Norden einen weiteren provokativen Akt wie den Artillerieangriff auf Yongpyong begeht."

Eine südkoreanische Kirche hat einen großen Weihnachtsbaum aus Stahl direkt an der innerkoreanischen Grenze erleuchtet, der auf einem Hügel steht und von nordkoreanischen Grenzdörfern aus zu sehen ist. Da die von Pjöngjang als Propaganda kritisierte Illumination nur mit Zustimmung der Regierung in Seoul möglich war, muß dies als weiteres Signal dafür gewertet werden, daß Präsident Lee Myung Baks Administration verstärkt auf Konfrontation setzt.

Der Gouverneur von New Mexico, Bill Richardson, hatte nach seinem inoffiziellen Besuch in Nordkorea berichtet, die Führung in Pjöngjang habe in den Gesprächen eine pragmatische Haltung eingenommen und ihre Bereitschaft erklärt, mit dem Süden an der Wiederherstellung der Sicherheit an der Grenze zu arbeiten. Darüber hinaus bezeichnete der Gouverneur seinen Besuch als ersten Schritt zur Wiederaufnahme der Atomverhandlungen. Nordkorea sei willens, wieder Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ins Land zu lassen. Auch habe der Norden angedeutet, zur Wiederaufnahme der Sechser-Runde bereit zu sein, an der neben den beiden koreanischen Staaten die USA, Rußland, Japan und China beteiligt sind.

Das Weiße Haus lehnte jedoch eine Rückkehr an den Verhandlungstisch rundweg ab und erklärte, Pjöngjang müsse erst seine angriffslustige Haltung aufgeben und sei "nicht einmal annähernd bereit" für die Gespräche. Vermittlungsbemühungen wie der inoffizielle Besuch Bill Richardsons werden offenkundig ignoriert oder torpediert. Wie der Verlauf des jüngsten Konflikts dokumentiert, sind die Regierungen in Washington und Seoul keineswegs darum bemüht, die Kontroverse einzudämmen und die Kriegsgefahr zu bannen.

Anmerkungen:

[1] Konflikt mit Nordkorea: Südkorea kündigt neue Kriegsübungen an (22.12.10)
http://www.stern.de/politik/ausland/konflikt-mit-nordkorea-suedkorea-kuendigt-neue-kriegsuebungen-an-1636666.html

[2] Nordkorea. Südkorea beginnt Militärmanöver (22.12.10)
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/nordkorea-suedkorea-beginnt-militaermanoever_aid_584098.html

[3] Manöver. Südkorea beginnt Schießübung der Superlative (22.12.10)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,736075,00.html

22. Dezember 2010