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KRIEG/1520: "Burn-out" bei der Bundeswehr? Antimilitarismus schafft Abhilfe (SB)



Der vom Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, geführten Beschwerde, daß die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aufgrund der vielen Reformen vor einer "noch nie dagewesenen Belastungsprobe" [1] ständen und schon jetzt viele von ihnen an einem Burn-out-Syndrom litten, könnte mit einer einfachen Maßnahme entgegengetreten werden. Über die weitgehend begrabene Doktrin des "Staatsbürgers in Uniform" hinaus könnte mit einer klassenbewußten Politisierung der Soldatinnen und Soldaten die Rolle des bloßen Befehlsempfängers überwunden und in eine "revolution in military affairs" überführt werden, die diesem für Effizenzsteigerungen in Strategie und Taktik verwendeten Titel tatsächlich einmal gerecht würde. Das absehbare Ergebnis einer Armee der Verweigerung jeglicher Gewaltakte, mit denen die Interessen des Kapitals in aller Welt durchgesetzt werden sollen, der Aufhebung den Menschen kujonierender Unterwerfungsverhältnisse und die strikte Beschränkung des Auftrags auf die Verteidigung der Landesgrenzen widerspräche dieser Gesellschaft so sehr, daß schon das bloße Gedankenspiel absurd wirkt.

Es ist mithin mehr als inkonsequent, wenn sich eine Interessenvertretung, die das Konzept der Streitkräfte im Einsatz gutheißt, über die dabei aufkommenden sozialen Probleme beklagt, als handle es sich bei den Mitgliederinnen und Mitgliedern der Bundeswehr um eine besonders schützenswerte Spezies. Wenn für die Ausbildung zur und Durchführung der Vernichtung fremden Lebens schon der Begriff der "Arbeit" verwendet wird, dann sollten die Verkäuferinnnen und Verkäufer ihrer Arbeitskraft auch in den bitteren Apfel beißen, auf dem immer mehr Lohnabhängige unter den Bedingungen leistungsverdichteter und lohnreduzierter Erwerbsarbeit herumkauen. Die von den Auftraggebern der Bundeswehr in Regierung und Parlament praktizierte Glorifizierung der Soldatinnen und Soldaten geht nicht nur im Sinne des von ihnen zu leistenden Blutzolls, sondern auch ihrer "Arbeitsbedingungen" zu Lasten der vermeintlichen Heldinnen und Helden.

So wenig, wie der Verkäufer einer Supermarktkette über seine Zurichtung zu höherer Leistungsbereitschaft durch den fragwürdigen Ehrentitel des "Mitarbeiter des Jahres" mit Orden überhäuft wird und sich heldenhafter Gefechte an der Absatzfront rühmen kann, so wenig Grund haben in Afghanistan kämpfende Soldatinnen und Soldaten, sich als selbstlose Vollstrecker nationaler Interessen darzustellen. Imperialistische Kriege können denjenigen, die sie operativ führen, nur einleuchten, wenn sie sich jeglicher kritischer Auseinandersetzung mit ihrem Auftrag widersetzen. Die diesen beschließenden Politikerinnen und Politiker, die Opferbereitschaft und Heldenmut rühmenden Journalistinnen und Journalisten, die die Bundeswehr ausrüstenden Industriellen wissen sehr wohl, wieso sie nicht ihre eigene Haut aufs Spiel setzen und anstelle dessen in die Saiten nationalistischer Emphase greifen.

Die betriebswirtschaftlicher Effizienzsteigerung geschuldete Verschlankung der Bundeswehr, die die Soldatinnen und Soldaten Kirsch zufolge zu "Reformverlierern" machen könnte, weht als Markenzeichen über dem kriegerischen Export neoliberaler Marktdemokratien. Dieses Musterbeispiel für eine Rationalisierungsdoktrin, die im Erringen kostengünstiger Siege zwecks Schaffung neuer Investitionschancen und zur Sicherung knapper Ressourcen für die nicht minder schlagkräftige deutsche Exportindustrie ihren innersten Zweck erfüllt, teilt den Besiegten von vornherein mit, daß der levantinische und orientalischen Schlendrian die längste Zeit sein unproduktives Unwesen getrieben hat. Das bis heute in Politik und Medien nachhallende Lamento über die nichterfolgte Teilnahme Deutschlands am gewaltsamen Regimewechsel in Libyen spricht Bände über die Aufgabe einer weit über ihren ursprünglichen grundgesetzlichen Auftrag hinausgewachsenen Bundeswehr.

Je offensichtlicher die Diskrepanz zwischen politischer Theorie und geostrategischer Praxis der sogenannten Parlamentsarmee ist, desto deutlicher zeigt sich, daß die Kriege für Freiheit und Demokratie von zutiefst unfreien und undemokratischen Institutionen geführt werden. Sich damit zufriedenzugeben, Befehlsempfängerin und Befehlsempfänger zu sein, ist bei einer "Arbeit", die in exzessive Gewalttaten münden kann, eben nicht das gleiche wie in Behörden oder Unternehmen ziviler Art. Wenn Gewerkschaften Aufträge der Rüstungsindustrie begrüßen und sich damit im Grundsatz gegen Arbeiterinteressen stellen, wenn die Bundesfachgruppe Bundeswehr der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft gegen Antimilitaristinnen und Antimilitaristen in den Reihen von ver.di Stellung bezieht, dann zeigt sich nicht anders als im Deutschen Bundeswehrverband, daß die Soldatinnen und Soldaten sich in einer höchst widersprüchlichen Situation befinden, wenn sie sich als Lohnabhängige beschweren.

Da ein Streik der Bundeswehr im Kampfeinsatz nichts anderes als Befehlsverweigerung mit der Folge bedeutete, daß nicht mehr getötet wird, ist den Soldatinnen und Soldaten eine kämpferische Gesinnung im antimilitaristischen Sinne zu wünschen. Das subjektive, von Disziplin und Doktrin nicht kontaminierte Interesse, keine Befehle befolgen zu müssen, sondern verantwortlich zu handeln, tritt im solidarischen Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung auf eine Weise hervor, bei der sich das Problem des Burn-out wie von selbst erledigt, ist es doch nichts anderes als eine Metapher für die Ohnmacht erlittener Fremdbestimmung.

Fußnote:

[1] http://www.zeit.de/karriere/ 2011 -10/bundeswehr-burnout