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KRIEG/1526: Kein deutsches U-Boot mehr für Israel? (SB)



Das aus der deutschen Geschichte abgeleitete besondere Verhältnis zu Israel macht die Bundesregierung zu einem der engsten Verbündeten der Führung in Jerusalem. Die bedingungslose Unterstützung israelischer Interessen erstreckt sich nicht zuletzt bis in den militärischen Bereich, dessen Kernstück die Lieferung modernster konventioneller U-Boote darstellt. Um so erstaunlicher mutet ein aktueller Bericht der Zeitung Jediot Ahronot an, die unter Berufung auf hohe israelische Regierungskreise meldet, Bundeskanzlerin Angela Merkel erwäge, die Lieferung von U-Booten an Israel einzustellen. Dies sei eine Reaktion auf die israelische Siedlungspolitik im Ostteil Jerusalems. [1] Wenngleich es sich dabei zweifellos um ein Signal von wohldosierter Reichweite handelt, dem in Kürze eine Relativierung wenn nicht gar ein Dementi folgen dürfte, ist der Vorgang doch bemerkenswert. Sollte die israelische Regierung jemals bereit sein, internationale Kritik nicht grundsätzlich für irrelevant zu erklären, so doch wohl am ehesten, wenn diese von seiten enger Bündnispartner vorgetragen wird. Wer sonst verfügte über Druckmittel, mahnenden Worten auch gewisse Sanktionen folgen zu lassen!

Stein des Anstoßes ist demnach die Ende September erteilte Genehmigung, 1100 neue Wohnungen im Ost-Jerusalemer Stadtteil Gilo zu bauen. Ohne Rücksicht auf Beschlußlagen der Vereinten Nationen und allgemein anerkannte Prinzipien des Völkerrechts hat Israel seit 1967 ein Dutzend jüdische Wohnviertel im Ostteil Jerusalem gebaut und damit seinen Anspruch Schritt für Schritt durchgesetzt, ganz Jerusalem als seine Hauptstadt zu betrachten. Damit wurde die Position der Palästinenser, Ost-Jerusalem zur Hauptstadt eines Palästinenserstaates zu machen, in zunehmendem Maße ausgehöhlt. Wenngleich diese Politik systematischer Verdrängung seit jeher von den Verbündeten Israels toleriert und de facto mitgetragen wurde, wünschen diese angesichts der anhaltenden Umwälzungen in Nordafrika und dem Nahen Osten eine moderate Präsentation israelischer Interessen, die nicht zusätzlich Öl ins Feuer befürchteter Erhebungen gießt.

Da die Siedlungsfrage seit Jahren ein zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern ist, löste die Baugenehmigung in Gilo zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Welle internationaler Empörung aus. Die Palästinenser kritisierten den Beschluß als Absage an neue Friedensverhandlungen, so daß die von Washington und Berlin in vorderster Front vorgetragene Ablehnung einer einseitigen Ausrufung des Palästinenserstaats geschwächt wurde. Wie sollte man dieses Vorhaben reibungslos in die Sackgasse weiterer Verhandlungen umdirigieren, wenn die israelische Regierung deren Aussichtslosigkeit so drastisch vor Augen führte! In ungewöhnlich scharfer Form erklärte damals die Bundeskanzlerin in einem Telefongespräch mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, ihr fehle "jegliches Verständnis" für die erneute Baugenehmigung in Ost-Jerusalem.

Sollte die nun kolportierte Drohgebärde, in Berlin erwäge man die Einstellung der geplanten U-Boot-Lieferung, mehr als Theaterdonner zur Befriedigung des staunenden Publikums sein, würde seitens der Bundesregierung erstmals ein ernsthaftes Sanktionsinstrument zur Sprache gebracht. Außenminister Avigdor Lieberman wollte nicht näher auf den Zeitungsbericht eingehen. Wie er im Radiosender der israelischen Streitkräfte lediglich erklärte, sei der "Ärger der europäischen Regierungschefs nicht gerechtfertigt". Die für seine Verhältnisse geradezu zurückhaltende Äußerung dürfte der Brisanz des Themas geschuldet sein. Schließlich wird seit Jahren durchaus offen, aber folgenlos konstatiert, daß die Boote mit Atomwaffen nachgerüstet werden können, was nach allgemeiner Einschätzung auch längst geschehen ist. Die "Dolphin"-U-Boote haben wegen ihres modernen Brennstoffzellenantriebs eine große Reichweite und können zum Abschuß nuklear bewaffneter Marschflugkörper benutzt werden. [1]

Israel hat bislang drei deutsche U-Boote erhalten, zwei weitere werden derzeit gebaut und sollen 2012 bzw. 2013 ausgeliefert werden. Die aktuelle Meldung betrifft ein sechstes Boot der Dolphin-Klasse, das Israel aus Deutschland beziehen möchte. Die Bundesbürger haben bislang kaum registriert und kritisiert, daß Deutschland seit Ende der neunziger Jahre U-Boote an Israel liefert und die ersten beiden vollständig sowie das dritte zur Hälfte bezahlt hat. Bei den zwei weiteren tragen die deutschen Steuerzahler etwa ein Drittel des Kaufpreises, maximal jedoch 333 Millionen Euro. Für das Jahr 2012 hat die Bundesregierung eine Summe von 135 Millionen Euro in den Haushaltsentwurf eingestellt, um die Anschaffung eines sechsten Bootes für Israel zu unterstützen. Bei einem Besuch in Jerusalem hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Juli mit Premierminister Benjamin Netanjahu und seinem Amtskollegen Ehud Barak über das Rüstungsgeschäft gesprochen. Eine vertrauliche Depesche der US-Botschaft in Tel Aviv, die Der Spiegel bereits im Januar enthüllt hatte, unterstrich, daß die U-Boot-Lieferungen politisch unter die Wiedergutmachung für NS-Verbrechen subsumiert werden. [2]

Die Bundesregierung ist bemüht, deutsche Waffengeschäfte nicht an die große Glocke zu hängen, obgleich Deutschland als drittgrößter Rüstungsexporteur eine bedeutende Rolle im internationalen Geschäft mit Krieg und Repression spielt. Die beabsichtigte Lieferung von 200 "Leopard"-Panzern an das Regime in Saudi-Arabien hatte ebenso Kontroversen ausgelöst wie die von der Kanzlerin während ihrer Afrikareise eingefädelte Lieferung von sechs bis acht Patrouillenbooten an Angola. Kampftechnik in den Nahen Osten zu liefern, hat für deutsche Rüstungsschmieden ohnehin Tradition, wie beispielsweise die von der Bundesregierung 2009 beschlossene Lieferung von 24 Panzerhaubitzen 2000 an das Emirat Katar unterstreicht. An der Genehmigung solcher Waffengeschäfte waren Union, Sozialdemokraten und Grüne gleichermaßen beteiligt. Den sogenannten arabischen Frühling im Munde zu führen, verträgt sich indessen schlecht mit der Aufrüstung despotischer Regimes.

Israel ist aus deutscher Sicht ein Sonderfall, wie die prinzipielle Zustimmung der Bundesregierung zur Lieferung von U-Booten bereits in den 1950er Jahren unterstrich. Zwar lieferte die Bundesrepublik damals außerhalb der NATO grundsätzlich keine Waffen in Krisenregionen, doch wurde für diese Ausnahme das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Israel und die daraus resultierende Verantwortung für die Sicherheit Israels geltend gemacht. Auf Grund von Fragen der Finanzierung und wohl auch der politischen Akzeptanz zogen sich die Verhandlungen jedoch bis Ende der 1980er Jahre hin. Nach dem Zweiten Golfkrieg sagte die Bundesregierung die Lieferung der lange versprochenen U-Boote zu und rechtfertigte dies innenpolitisch nicht zuletzt mit einer Unterstützung der unter erheblichen Schwierigkeiten leidenden deutschen Werftindustrie.

Im vergangenen Jahr hatte die UN-Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag Israel aufgefordert, dem Abkommen beizutreten und seine Atomanlagen für die Internationale Atombehörde IAEA zu öffnen. Zudem wurde beschlossen, 2012 eine Regionalkonferenz im Nahen Osten mit dem Ziel durchzuführen, diesen gemäß einer Resolution von 1995 zur atomwaffenfreien Zone zu erklären. Daß der Iran im Abschlußdokument nicht erwähnt wurde, nahm Ministerpräsident Netanjahu zum Anlaß, die Umsetzung des Beschlusses zu verweigern. Wie damals in Medienberichten zur Sprache kam, sollten die drei in Deutschland hergestellten U-Boote Dolphin, Tekuma und Leviathan der israelischen Marine, die mit Atomwaffen ausgerüstet werden können, im Persischen Golf nahe der iranischen Küste stationiert werden. Der israelische Regierungschef erklärte damals in einem Interview, Teile des Berichts seien "völlig unwahr", zumal Israel über keine U-Boote verfüge, die mit Atomwaffen bestückt werden könnten. [3]

Dies entsprach durchaus der gängigen Politik Israels, über die eigene atomare Bewaffnung grundsätzlich Stillschweigen zu wahren und darauf zu bauen, daß diese Haltung hingenommen wird. Ob die deutsche Bevölkerung diese Auffassung dauerhaft teilt und in diesem Zusammenhang selbst einen potentiellen Atomschlag der israelischen Streitkräfte für vertretbar hält, ist ungewiß.

Fußnoten:

[1] http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Merkel-will-angeblich-U-Boot-Lieferung-stoppen_aid_1029117.html

[2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,774904,00.html

[3] http://www.heise.de/tp/blogs/8/147728

26. Oktober 2011