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KRIEG/1572: Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr - Akzeptanzkampagne für die Bundesbürger (SB)




Menschen mit Hilfe von Drohnen zu überwachen, zu bestrafen oder zu töten zeugt von der entufernden Brutalisierung ein und desselben Zwangsregimes, das sich in Kriegen nach außen und Repression nach innen Bahn bricht. Mit dem Einsatz von Drohnen spitzt sich eine regulative Praxis zu, die bislang geltende Rechtsnormen unter Einsatz technologischer Innovation unterläuft und zu Fall bringt. Wenn Drohnen verdächtige Personen oder Gruppen töten, kommt dies einer Hinrichtung ohne Verhandlung und Schuldspruch gleich. Überdies werden für jeden Verdächtigten im Schnitt sechs oder mehr Unbeteiligte getötet, so daß man mit Fug und Recht von einem mörderischen Treiben sprechen kann. Zugleich wird der Mordbefehl von höchster Stelle wie im Rahmen der exekutiven Vollmachten des US-Präsidenten als Erfüllung des Völkerrechts in Stellung gebracht. Der noch wahrgenommene Widerspruch zwischen schriftlich fixierten Aussagen der NATO, des humanitären Völkerrechts und des internationalen Roten Kreuzes wird aufgelöst zugunsten eines Legalismus, der die auf Grundlage überlegener Waffengewalt militärisch unanfechtbare Willkür in nahtlosen Einklang mit für unhinterfragbar erklärten höchsten Prinzipien weltweit geltend gemachten Rechts zu bringen trachtet.

Die den Deutschen von ihren NATO-Verbündeten vorgeworfene Langsamkeit in der hemmungslosen Beteiligung an jedweden Waffengängen erweist sich auf lange Sicht als der hochwertigste Zement, der die auf breiter Front umgepflügten Rechtsgrundlagen und Denkweisen zu einem kritikresistenten Monolithen abbindet und aushärtet. So paart das deutsche Verteidigungsministerium die aktuelle Ankündigung, die Bundeswehr prüfe die Beschaffung bewaffneter Kampfdrohnen mit dem Verweis darauf, daß der Entscheidung eine "breite Diskussion" in der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit der umstrittenen Waffensysteme vorausgehen solle. Generell gälten unbemannte Drohnen als "das Mittel der militärischen Luftfahrt der Zukunft", und dieser Entwicklung müsse man sich stellen. [1]

Die auf den ersten Blick frappant anmutende Offenheit, mit dem bislang noch umstrittenen Waffensystem nicht etwa hinter dem Berg zu halten, sondern es im Gegenteil auf Grundlage breiter Akzeptanz in der Öffentlichkeit um so sicherer und unabweislicher in Dienst zu nehmen, ist weit mehr als gebotene Zurückhaltung vor dem Hintergrund deutscher Geschichte. Der Hemmschuh jahrzehntelang ideologisch vorgehaltener Kriegsabstinenz verwandelt sich vielmehr in eine tiefgreifende Legitimation bellizistischer Übergriffe, die das Bild der Bundeswehr als Friedensarmee fortschreibt und als Filetstück perfektionierter Denkkontrolle serviert.

Allein in den vergangenen drei Jahren haben die USA mit ihren Drohnen in Ländern wie Pakistan, Jemen, Irak, Afghanistan und Somalia Schätzungen zufolge mehr als 3.000 Menschen, darunter unzählige Zivilisten, umgebracht. Israel hat unter Einsatz von Drohnen zahlreiche Palästinenser unter welchen Beschuldigungen auch immer getötet. Damit sind auch schon die beiden in dieser Technologie führenden Herstellerländer genannt. Die Bundeswehr hat im März 2010 die israelische Aufklärungsdrohne "Heron 1" beim Einsatzgeschwader Masar-i Scharif in Afghanistan in Dienst gestellt. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall hat die Maschinen geleast und wiederum einen Nutzungsvertrag mit der Bundeswehr, der kürzlich bis Oktober 2014 verlängert worden ist. Ziel der Bundeswehr ist nach Angaben des Verteidigungsministeriums nun, ein "eigenes System" in Betrieb zu nehmen.

Als Nachfolgemodell werde derzeit die US-Drohne Predator B geprüft. Medienberichte, wonach auch die Anschaffung der israelischen Kampfdrohne "Heron TP" in Betracht gezogen werde, dementierte ein Ministeriumssprecher halbherzig mit den Worten, dies stehe "im Moment nicht zur Diskussion". Hersteller dieser Drohne ist das Unternehmen Israel Aerospace Industries, das unbemannte Fluggeräte nicht nur an die israelische Armee, sondern auch an Militär oder Polizei in Indien, Frankreich, Australien, Kanada, Brasilien, Ecuador, Mexiko, Aserbeidschan, der Türkei, den USA und in Deutschland sowie möglicherweise auch in Singapur verkauft oder geleast hat. [2]

Parallel zum Erwerb bereits vorhandener Kampfdrohnen aus den USA oder Israel zeichnet sich eine gemeinsame europäische Lösung ab. Die EADS-Verteidigungssparte Cassidian rechnet mit einem Durchbruch bei den Gesprächen zwischen Deutschland und Frankreich, die den bislang bestehenden Konkurrenzkampf zweier Konsortien bei der kostspieligen Entwicklung beenden soll. Cassidian arbeitet an dem Projekt "Talarion", eine französisch-britische Gruppe am Modell "Telemos", wobei allein in die Entwicklung von "Talarion" bereits mehr als eine halbe Milliarde Euro geflossen sind. Künftig soll das Projekt unter deutsch-französischer Führung vereinheitlicht und weiterentwickelt werden, andere Länder bis hin zu Großbritannien könnten sich anschließen. [3]

Bereits im Juli 2011 wurde ein Prototyp des in den USA produzierten "Euro Hawk" nach Deutschland überführt, wo er inzwischen als unbemanntes Flugzeug der Bundeswehr zur weiträumigen signalerfassenden Luftaufklärung sein Unwesen treibt. Die Riesendrohne mit einer Spannweite von 40 Metern hat eine Reichweite von fast 23.000 Kilometern, kann oberhalb des zivilen Luftverkehrs fliegen und mehr als 30 Stunden in der Luft bleiben. Von der europäischen Rüstungsfirma Cassidian mit selbstentwickelten Sensoren für die elektronische Signalaufklärung bestückt kann die Maschine Radarstrahlungen, Telefongespräche sowie Radio- und Fernsehsendungen erfassen. Reichweite, maximale Flugdauer und Radarerfassung weisen die Drohne als militärische Option zur Aufklärung an fernen Schauplätzen wie etwa Afghanistan aus. Andererseits lassen die Flughöhe und vielfältigen Abhöroptionen keinen Zweifel daran, daß sich längst eine hochmoderne Überwachungsdrohne im deutschen Luftraum befindet. [4]

Im Jahr 2001 hat die Bundesakademie für Sicherheitspolitik den sogenannten erweiterten Sicherheitsbegriff in Buchform publiziert. Darin werden alle erdenklichen Phänomene wie Armut, Aids, Fundamentalismus oder Demographie als Sicherheitsprobleme definiert, die präventiver Intervention harren. In einer Vielzahl für sicherheitsrelevant erachteter Konfliktlagen arbeitet man auf das Ziel hin, Informationen und Kontrolle in Echtzeit zu erlangen, ohne daß der Gegner dies mitbekommt und Gegenmaßnahmen einleiten kann. Insbesondere im Zuge einer komplexen Kriegsführung in sogenannten asymmetrischen Auseinandersetzungen erlangt diese Angriffsführung wachsende Bedeutung, da der Aggressor die überlegenen Ortskenntnisse und Überlebensmöglichkeiten des Gegners in einem Guerillakrieg aufzuwiegen trachtet. Grund genug für die Bundeswehr, sich in absehbarer Zeit auch bewaffnete Drohnen zu beschaffen, und für die deutsche Politik, deren Einsatz in der Bevölkerung salonfähig zu machen.

Fußnoten:

[1] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-07/drohnen-bundeswehr-waffen

[2] http://www.kriegsberichterstattung.com/id/1935/chapter/1/Bundeswehr-will-Kampfdrohnen-von-Israel-kaufen/

[3] http://www.focus.de/finanzen/news/ruestungskooperation-zwischen-deutschland-und-frankreich-eads-will-gesamteuropaeische-drohne-bauen_aid_780399.html

[4] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/redakt/milt-839.html

28. Juli 2012