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KRIEG/1597: Aufrüstung Asiens im Kontext westlichen Hegemonialstrebens (SB)




Wie die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Verbündeten dem Rest der Welt vorexerzieren, gründet ihre ökonomische Stärke und politische Suprematie auf einem Fundament überlegener Waffengewalt samt der Bereitschaft, diese global zur Anwendung zu bringen. Wurde einst die Sowjetunion durch forciertes Wettrüsten in die Knie gezwungen, so zeugt die strategische Neuausrichtung der USA in den asiatisch-pazifischen Raum, daß neben Rußland insbesondere China geostrategisch in den Würgegriff genommen werden soll. Daß die globale Verschiebung militärischer Macht fortschreite und sich diese eindeutig nach Asien verlagere, wie das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in seinem Jahresbericht "Die militärische Balance" schreibt [1], konstatiert einen Trend und verschleiert zugleich dessen Triebkräfte im Kontext westlicher Hegemonialansprüche.

Das Medienecho auf die jüngst publizierte Studie "Trends im internationalen Waffenhandel" des Stockholmer Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (SIPRI) blendet den Rückbezug auf die Frage, wer gegenwärtig direkt oder indirekt Regionalkonflikte schürt und Kriege führt, weitgehend aus. Statt dessen hebt man sorgenvoll stark zunehmende Käufe und Verkäufe von Kriegsgerät in Asien hervor und spricht von einer besorgniserregenden Entwicklung angesichts einer Vielzahl dort schwelender Konflikte. Wie das IISS in seinem Bericht warnt, erhöhe die Anschaffung fortgeschrittener militärischer Systeme in Ostasien, einer Region, in der es an Sicherheitsmechanismen fehle, das Risiko unbeabsichtigter Konflikte und Eskalationen.

Unverhohlener in der Stoßrichtung ihrer losgetretenen Vorwurfslage werden Organisationen wie Amnesty International, die China dafür kritisieren, Waffen vor allem in "Entwicklungsländer mit schlechter Menschenrechtslage" zu liefern. Handfeuerwaffen chinesischer Bauart hätten zur Krise in der sudanesischen Region Darfur beigetragen, chinesische Raketen und Minen seien in der Vergangenheit an das libysche Regime von Muammar al-Gaddafi geliefert worden. Ein Bericht der Washington Post aus dem Jahr 2012, wonach auch im Kongo, an der Elfenbeinküste und in Somalia mit chinesischen Waffen geschossen werde, ist derzeit absolut zitierfähig. Und das Institute for Science and International Security (ISIS) in Washington wirft Peking vor, chinesische Firmen hätten Nukleartechnologie an Iran und Nordkorea weitergegeben. [2]

Wie diese Beispiele belegen, zeichnet sich die vorgeblich allein der Friedenssicherung und Verteidigung der Menschenrechte verpflichtete Berichterstattung und Kritik durch ein hohes Maß an selektiver Fokussierung auf bestimmte Feindbilder und fehlender Rückbindung an die maßgeblichen Interessenlagen in aktuellen und zu prognostizierenden weltweiten Konflikten aus. Zugleich klingt die Warnung an, die USA und insbesondere Europa könnten waffentechnisch ins Hintertreffen geraten. Bei der Überrundung Europas sei nicht allein das größere Investitionsvolumen in Asien, sondern auch der Rückgang der europäischen Militärausgaben entscheidend, schreibt das britische Forschungsinstitut IISS. Nordamerika und Europa, deren Wirtschaften ins Schlingern geraten seien, reduzierten ihre Militärbudgets, während Asien mehr Geld für Waffen ausgebe.

Legt man die Zahlen von SIPRI zugrunde, entfallen auf Asien (inklusive Australien) aktuell 19,9 Prozent, auf Europa 17,6 und auf Nordamerika 42,0 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Die USA bleiben mit einem Anteil von 30 Prozent die größte Rüstungsexportnation der Welt, gefolgt von Rußland (26 Prozent), Deutschland (sieben Prozent) und Frankreich (sechs Prozent). China ist die neue Nummer fünf beim Export mit Rüstungsgütern und verdrängt damit Britannien, das erstmals seit 1950 seinen Rang unter den ersten Fünf verliert. Die Waffenverkäufe Chinas sind demnach zwischen 2008 und 2012 um 162 Prozent gewachsen, sein Anteil am weltweiten Rüstungsexport stieg von zwei auf fünf Prozent.

Die weltweit führenden Importländer von konventionellen Waffen liegen durchweg in Asien. Indien hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Anteil von zwölf, gefolgt von China mit sechs Prozent. Dahinter rangieren Pakistan und Südkorea mit jeweils fünf Prozent, Singapur belegt mit vier Prozent Position fünf. Wenngleich man durchaus von einem Trend sprechen kann, zeigt doch erst die Relation zum Vorsprung von USA und NATO, wie das tatsächliche Kräfteverhältnis einzuschätzen ist.

Das IISS führt als Beispiel für seine Schlußfolgerung, wonach Chinas Möglichkeiten, selbständig fortgeschrittene Militärtechnologien zu entwickeln, die Volksbefreiungsarmee Stück für Stück transformiere, vor allem den Ausbau der Marine an. Neben der Einsatzbereitschaft des ersten Flugzeugträgers sei auch die Entwicklung neuer Zerstörer vom Typ 052D zu nennen, die vermutlich die Kapazitäten in der See-Luft-Kriegsführung erhöhen sollen. Dies belege, wie schnell China aufhole und vor allem seine Seestreitkräfte modernisiere. Indessen weist SIPRI einschränkend darauf hin, daß neue chinesische Waffensysteme nach wie vor zu einem großen Teil auf ausländische Technologie angewiesen blieben. So basiere der Flugzeugträger auf einem ukrainischen Modell, und die wichtigsten chinesischen Kampfflugzeuge nutzten nach wie vor Komponenten von russischen Motoren.

Da die Länder Asiens mit Ausnahme Chinas über keine nennenswerte Rüstungsindustrie verfügen, sind sie auf den Import von Waffen angewiesen. Indien, das vor allem in Rußland einkauft, ist zugleich ein Verbündeter der USA. Mehr als die Hälfte aller chinesischen Waffenexporte gehen nach Pakistan, das Washington für einen unzuverlässigen Partner hält und deshalb nicht mit ausgesprochener Hochtechnologie beliefert. Auch in dieser Hinsicht bedarf der Warnruf, Asien greife zu den Waffen, eines Abgleichs mit westlichen Interessen, soll er nicht auf ganzer Linie von einer Vorlage statistischer Daten zu Waffengeschäften in die Propagandakampagne einer Bezichtigung Chinas als angeblicher Kriegstreiber abgleiten.

Fußnoten:

[1] http://www.dw.de/asien-greift-nach-den-waffen/a-16680945

[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/studie-zu-waffenexporten-asien-ruestet-auf-europa-hat-andere-sorgen-1.1627048

18. März 2013