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FLUCHT/002: Kenia - Im Flüchtlingslager Dadaab geht die Angst um, Al-Shabab im Visier der Polizei (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2012

Kenia: Im Flüchtlingslager Dadaab geht die Angst um - Al-Shabab im Visier der Polizei

von Grit Porsch

Berlin, 10. Januar (IPS) - In Dadaab, dem weltweit größten Flüchtlingslager im Osten Kenias, geht die Angst um. Nach der Ermordung zweier Gemeindevertreter fürchten viele Flüchtlingssprecher um ihr Leben. Einige haben das Camp bereits verlassen, in dem eine halbe Million Menschen, in der Mehrheit vor Hunger und Krieg geflohene Somalier, untergebracht sind.

Die beiden Opfer hatten eine führende Rolle in den so genannten 'Community Peace and Security Teams' (CPSTs) gespielt, eine Art freiwillige Bürgerwehr, die Tag und Nacht in den verschiedenen Lagerkomplexen unterwegs sind. Sie hatten erst kürzlich nach der Explosion von am Straßenrand versteckten Bomben ihre Patrouillen verstärkt.

Die Polizei macht Kämpfer der somalischen islamistischen Al-Shabab für die Morde und Terroranschläge verantwortlich. Sie wollten sich in den kenianischen Lagern in Grenznähe zu Somalia eine Operationsbasis schaffen, heißt es. Nach der Ermordung eines Polizisten Mitte Dezember hatte die Polizei die mit ihr kooperierende Bürgerwehr aufgefordert, ihr "diese bösen Elemente" auszuliefern.

Jetzt fürchten Lagersprecher die Rache der somalischen Islamisten. Einer von ihnen sagte dem UN-Informationsdienst IRIN: "Wir können hier nicht mehr sicher arbeiten. Die Polizei geht gegen uns vor, wenn wir die Zusammenarbeit verweigern. Wenn wir aber kooperieren, geraten wir ins Visier von Al-Shabab."


"Es gibt keinen Schutz"

Ein junger Flüchtlingssprecher, der in dem zu Dadaab gehörenden Lager Dagahaley gearbeitet hatte, berichtete, er sei mehrmals bedroht worden und ausgezogen, nachdem Unbekannte in seinen Lagerblock nach ihm gesucht hatten. "Ich fürchte um mein Leben, denn ich war bei den Patrouillen dabei", sagte er. "Hier im Camp geht es inzwischen zu wie in Somalia. Es gibt keinen Schutz. Menschen werden am helllichten Tag umgebracht", klagte er.

Lennart Hernander vom Lutherischen Weltbund (LWF) in Kenia, der in Dadaab für die Sicherheit und die Unterbringung der Flüchtlinge sorgt und auch die Bürgerwehr-Teams ausbildet, räumte ein, man habe etliche Flüchtlinge evakuiert, weil sie bedroht worden waren. "Einige hatten in Dadaab verantwortliche Aufgaben übernommen, doch nicht alle waren Mitglieder der CPSTs. Wir möchten nicht darüber spekulieren, wer hinter den Morden steckt", sagte er.

"Die CPSTs sind enorm wichtig wenn es darum geht, Alltagsprobleme in den Lagerkomplexen wie Streitereien und Gewalt in den Familien zu lösen", betonte Hernander. "Durch ihre Patrouillen rund um die Uhr können sie vor allem Frauen vor sexuellen Übergriffen schützen." Jetzt sei es jedoch an der Zeit, das System der Lagerwehr zu überprüfen, erklärte er.


Polizeibehörde weiß nichts von Übergriffen ihrer Beamten

Nachdem sich Vertreter der zivilen Menschenrechtsgruppe 'Citizen's Rights Watch' kürzlich in Dadaab umgesehen hatten, übten sie scharfe Kritik am Auftreten der Polizei. Flüchtlinge hätten berichtet, dass einige an Massenvergewaltigungen und Plünderungen beteiligt seien, meldeten die Aktivisten.

So schlimm könne es wohl nicht sein, meinte Kenias stellvertretender Polizeisprecher Charles Owino Wahongo. "Bislang liegen uns keine Klagen vor. Wir werden jedoch jeder Beschuldigung nachgehen", versicherte er. (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2012