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INTERVENTION/008: Pakistan - Wachsender Widerstand gegen US-Drohneneinsätze (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Mai 2012

Pakistan: Wachsender Widerstand gegen US-Drohneneinsätze

von Ashfaq Yusufzai und Johanna Treblin

Der Brite Clive Stafford Smith unterstützt die Anti-Drohnen-Kampagne - Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Der Brite Clive Stafford Smith unterstützt die Anti-Drohnen-Kampagne
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, New York, 25. Mai (IPS) - Die US-Drohnenschläge in Pakistan, die bereits mehr als 3.000 Menschen den Tod gebracht haben, stoßen zunehmend auf Proteste. Die Kritik richtet sich nicht allein gegen Washington, sondern auch gegen die Regierungen des südasiatischen Landes, die die Einsätze der unbemannten Kampfflugzeuge tolerieren.

Die ersten Proteste kamen von der Tehreek-Insaf-Partei des ehemaligen pakistanischen Kricket-Nationalhelden Imran Khan. Inzwischen haben sich zivilgesellschaftliche Organisationen und Anwälte der Kampagne angeschlossen, die von US-amerikanischen und britischen Aktivistengruppen unterstützt wird.

"Wir sind der Meinung, dass Drohnenangriffe gegen internationales Recht verstoßen, weil dabei unschuldige Zivilisten getötet werden", sagte Imran Khan in Islamabad. "Weder die USA noch ein anderes Land haben das Recht, die Souveränität eines unabhängigen Staates zu verletzen."


Kritik an Pakistan

Der ehemalige Sportler wirft der Regierung seines Landes vor, das Sterben unschuldiger Menschen bei den Drohnenanschlägen "gleichgültig" hinzunehmen. "Sie hat unsere Souveränität an unsere Feinde verkauft", sagte er.

"Der ehemalige Chef der verbotenen 'Tehreek Taliban', Neik Mohammad Wazir, wurde 2004 durch einen Drohnenangriff getötet", erinnerte Ziaullah, Professor am Regierungskolleg in Charsadda, einem der 25 Bezirke der Grenzprovinz Khyber Pakhtunkhwa. "Doch erst Khans Proteste haben den Anschlägen der letzten Jahre eine politische Dimension verliehen."

Ihren Anfang nahmen sie am 23. April 2011 mit einer Straßenblockade, die NATO-Fahrzeugen zwei Tage lang den Weg nach Afghanistan versperrte. Seit in diesem Jahr 28 pakistanische Soldaten bei NATO-Angriffen auf zwei Kontrollposten im Bezirk Salala Mohmand um Leben kamen, ist die Versorgung der NATO-Verbände über Pakistan nicht mehr möglich.

Am 13. Mai erließ die Nationalversammlung eine Resolution gegen die Drohnenangriffe in Grenzgebieten. Zivilgesellschaftliche Akteure haben seither ihren Druck auf die pakistanische Regierung erhöht, damit sie mehr tut als bisher, um die Attacken zu unterbinden.

Die Stiftung für fundamentale Rechte (FFR), eine Hilfsorganisation mit Sitz in Pakistan, hat beim Peshawar High Court zwei Beschwerden gegen die pakistanische Regierung und die Ministerien für Inneres und Verteidigung eingereicht, weil diese nicht für ein Ende der Drohnenattacken in Pakistan gesorgt hätten.

Eine Petition stammt von den Opfern des Drohnenanschlags auf die Mitglieder einer Jirga (Rat) am 17. März 2011. Die zweite Petition kommt von Noor Khan, dessen Vater Malik Daud Khan, Chef der Loya Jirga von Nordwaziristan, mit 50 weiteren Stammesältesten und anderen Pakistanern im letzten Jahr bei einem Drohnenangriff des CIA ums Leben kam.

Wie Shahzad Akbar im Namen der Opfer gegenüber den Medien erklärte, war Malik Daud Khan ein angesehenes Mitglied seiner Gemeinschaft und Leiter eines friedlichen Rats lokaler Stammesältester. Die Drohnenanschläge seien illegal.

Der britische Menschenrechtsanwalt Clive Stafford Smith hatte ebenfalls an der Pressekonferenz teilgenommen. Wie er betonte, müsse es Aufgabe einer jeden Regierung sein, unschuldige Bürger vor Drohnenanschlägen zu schützen. "Würde mein Kind von einer Predator-Drohne in einem Dorf in Großbritannien getötet, würde ich erwarten, dass ein solcher Vorfall Folgen hätte. Ein pakistanisches Kind sollte den gleichen Schutz haben."

"Dass wir Menschen ohne Risiko für uns einfach töten können, gefällt Politikern", meinte Smith, dessen Organisation 'Reprieve' mit dazu beigetragen hat, dass 65 Häftlinge in Guantánamo Bay freigelassen worden sind.


Druck auf London

Reprieve hat eine ähnliche Beschwerde wie FFR in London eingereicht, um dafür zu sorgen, dass sich der britische Geheimdienst nicht länger an den Drohnenangriffen in Pakistan beteiligt. Reprieve und FFR haben zudem beim UN-Menschenrechtsrat Beschwerde eingereicht.

Nach US-Angaben halten sich in Pakistan 175 mutmaßliche Al-Kaida-Kämpfer versteckt. Die Drohnenanschläge haben jedoch mehr als 3.000 Menschen getötet, wobei die meisten Opfer Zivilisten waren. Die Zahlen stammen von dem pakistanischen Anwalt, Aktivisten und Leiter der Stiftung für fundamentale Rechte, Shazad Akbar, der die Informationen über die Drohneneinsätze sammelt und sich dafür einsetzt, dass die USA den Drohnenopfern und ihren Familien Schadensersatz leisten.

John Brennan, der Anti-Terrorismusbeauftragte von US-Präsident Barack Obama, versicherte in diesem Monat in Washington, dass die Drohnenangriffe mit 'laserartiger' Präzision durchgeführt würden. Er erklärte ferner, dass kein internationals Recht den USA verbiete, tödliche Gewalt gegen Feinde außerhalb eines Schlachtfelds auszuüben.

Doch Aktivisten teilen diese Meinung nicht. Dazu meinte Nancy Maneiar, eine Friedensaktivistin der US-Anti-Kriegs-Organisation 'Code Pink Group', auf einem Treffen am 19. Mai in Washington: "Wir entschuldigen uns beim pakistanischen Volk für die Anschläge, die so vielen Zivilisten das Leben kosteten. Der CIA muss dafür zur Verantwortung gezogen werden." (Ende/IPS/kb/2012)


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Mai 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2012